Hepatische Enzephalopathie
Englisch: hepatic encephalopathy
Definition
Die hepatische Enzephalopathie, kurz HE, ist eine Funktionsstörung des ZNS, die durch eine fortgeschrittene Lebererkrankung (z.B. Leberzirrhose) mit Leberfunktionsstörung bedingt ist.
Epidemiologie
Zur Prävalenz der hepatischen Enzephalopathie in Deutschland gibt es zur Zeit (2018) keine aussagekräftigen Daten. Das trifft in verstärktem Maß auf subklinische Formen zu. In einzelnen Studien wird die Prävalenz der Erkrankung bei Patienten mit Leberzirrhose auf 30-45% geschätzt. Bei hospitalisierten Zirrhose-Patienten wird die Diagnose jedoch in weniger als 15% der Fälle zusätzlich kodiert.[1]
Pathophysiologie
Die neurologisch-psychiatrischen Auffälligkeiten im Rahmen der hepatischen Enzephalopathie erklären sich durch die mangelhafte Elimination des Zellgifts Ammoniak aus dem Blut. Eine Hyperammonämie führt über die Ausbildung eines zytotoxischen Ödems der Hirnzellen zu einem erhöhten ICP und letztlich zum Hirnödem.
Der Manifestation bzw. Exazerbation einer hepatischen Enzephalopathie gehen häufig fördernde Faktoren zuvor, beispielsweise:
- Infektionen
- erhöhte Aufnahme von Proteinen mit der Nahrung
- gastrointestinale Blutungen
- Dehydratation
- Hypoxie
- Einnahme sedierender Medikamente
Klinisches Bild
Das Spektrum der Veränderungen reicht von leichten subklinischen Erscheinungen bis hin zum Vollbild des Coma hepaticum.
Leichtgradige Veränderungen umfassen Konzentrationsstörungen, verlangsamte Reaktion, verändertes Schlafverhalten, Veränderungen des Schriftbildes und Flapping Tremor.
Einteilung
Zur besseren Objektivierbarkeit besteht eine an der klinischen Symptomatik orientierte Stadieneinteilung (West-Haven-Klassifikation) für die hepatische Enzephalopathie:
- Stadium I: Beginnende Schläfrigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Probleme beim Lösen einfacher Rechenaufgaben sowie Störung der Feinmotorik (beginnender Flapping-Tremor).
- Stadium II: Vermehrte Schläfrigkeit (Somnolenz), Apathie, Dysarthrie, eingeschränkte zeitliche Orientierung sowie beginnende EEG-Veränderungen.
- Stadium III: Meist schlafender, jedoch erweckbarer Patient (Sopor), unzusammenhängende Sprache bei Erwecken, erhöhte Muskelspannung (Spastik), beginnender Foetor hepaticus.
- Stadium IV: Coma hepaticum (Leberkoma), erloschene Korneal- und Muskeleigenreflexe, keine Reaktion auf Schmerzreize.
Zusätzlich zu den Stadien der West-Haven-Klassifikation kann man noch eine minimale hepatische Enzephalopathie (MHE) abgrenzen. Sie ist definiert als hepatische Enzephalopathie, die in der klinisch-neurologischen Untersuchung keine Symptome zeigt, jedoch kognitive Defizite aufweist, die durch neuropsychometrische Tests erfasst werden können. Ob es sich dabei bereits um eine therapiebedürftige Erkrankung handelt, ist umstritten.[2]
Die MHE und das Stadium I der West-Haven-Klassifikation werden auch unter dem Begriff "subklinische HE" bzw. "covert HE" zusammengefasst, während die Stadien II-IV als "manifeste HE" oder "overt HE" bezeichnet werden.
Diagnostik
Bei der Diagnostik im Rahmen einer hepatischen Enzephalopathie geht es um den Ausschluss anderer Ursachen für die neurologischen Störungen und eine Beurteilung des Schweregrades der Enzephalopathie.
- Schädel-CT zum Ausschluss einer Apoplexie bei komatösen Patienten
- Bestimmung der Blutglukose zum Ausschluss einer Hypoglykämie
- Bestimmung des Plasmaammoniaks (Hyperammonämie?)
- EEG (Krampfpotentiale?)
- psychometrische Testverfahren (Stadieneinteilung, Erkennung von Minimalformen), z.B. EASL oder AASLD
Therapie
Die Therapie ist abhängig vom Schweregrad und zielt hauptsächlich auf die Verringerung des Ammoniakanfalls. Sie umfasst unter anderem:
- Ausgleichung des Stoffwechsels und der Elektrolyte (Hypokaliämie, Dehydratation, Zinkmangel)
- Gabe von Ornithinaspartat zur Beschleunigung des Harnstoffzyklus
- Gabe von Lactulose zur Senkung des Ammoniakspiegels: Durch bakteriellen Abbau im Darm sinkt der pH-Wert, Ammoniak wird zu Ammonium überführt und zusätzliche der bakterielle Abbau des neurotoxischen Ammoniaks gefördert
- Gabe von schlecht resorbierbaren Antibiotika (z.B. Rifaximin[3] oder Metronidazol) zur Reduktion der ammoniakproduzierenden Darmflora bzw. des Darminhalts - auch als Dauerbehandlung
Bei einer chronischen hepatischen Enzephalopathie sind diätetische Maßnahmen sinnvoll. So kann die Proteinbelastung durch ovolaktovegetabile Diät reduziert werden. Bei absoluter Proteinintoleranz können Aminosäuren-Supplemente gegeben werden. Die Gabe von Zink hat ebenfalls häufig positive Auswirkungen.
Patienten mit einem bestehenden TIPS profitieren gelegentlich von einer Verkleinerung des Shuntdurchmessers mit vermehrter Durchblutung der Leber.
Quellen
- ↑ F Gundling, M Rathmayer, L Koller, G Kircheis, J Labenz, M Lerch, W Schepp: Prävalenz, Mortalität und ökonomische Auswirkungen der hepatischen Enzephalopathie bei Leberzirrhose in deutschen Krankenhäusern auf der Basis von DRG-Kostendaten. Z Gastroenterol 2018; 56(08): e272 DOI: 10.1055/s-0038-1668844
- ↑ Ferenci, P.: Hepatische Enzephalopathie. Fortbildung Hepatitis & more 1/2011
- ↑ Mulle KD et al.: Rifaximin is safe and well tolerated for long-term maintenance of remission from overt hepatic encephalopathy, Clin Gastroenterol Hepatol. 2014 Aug;12(8):1390-7.e2, abgerufen am 25.08.2019
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