Hirnödem
Synonyme: intrakranielle Drucksteigerung, Hirnschwellung
Englisch: brain edema, cerebral edema
Definition
Ein Hirnödem ist eine Schwellung (Ödem) des Gehirns als Folge einer zerebralen Volumen- und Druckzunahme unterschiedlicher Genese. Es kann im schlimmsten Falle zum zerebral bedingten Kreislaufstillstand und somit zum Hirntod führen.
Ursachen
Mögliche Ursachen für ein Hirnödem können sein:
- Raumfordernde Prozesse
- Vorangegangene Ischämie
- ischämischer Insult
- toxisch bedingt Ischämie
- Starkstromunfall
- Komplikation einer bakteriellen Infektion (z.B. einer Meningoenzephalitis)
- Thrombose
- Verlegung des Ventrikelsystems
- Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts
- Höhenhirnödem bei verringerten Sauerstoffpartialdruck
- Alkoholabusus
Einteilung
Pathophysiologisch unterschiedet man bei einem Hirnödem ein früh auftretendes, potentiell reversibles zytotoxisches Ödem vom später auftretenden, irreversiblen vasogenen Ödem. Beide Ödemformen können gleichzeitig vorliegen und gehen fließend ineinander über. Tritt das Ödem lokal in der Umgebung eines geschädigten Hirnareals auf, spricht man von einem perifokalen Ödem. Ist das gesamte Gehirn betroffen, liegt ein generalisiertes Hirnödem vor.
Pathogenese
In den meisten Fällen ist vor allem eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke im Bereich der Kapillaren für die Hirnschwellung verantwortlich. Ein dadurch bedingt gestörter Sauerstofftransport verstärkt die Symptome.
Durch den gestörten Flüssigkeitsabfluss kommt es zur intrakraniellen Drucksteigerung. Diese kann zunächst noch im Rahmen einer funktionellen Reserve ausgeglichen werden, indem das intrakranielle Blut- und Liquorvolumen reflektorisch abnimmt. Doch schon bald ist diese Reserve ausgeschöpft und der Druck steigt steil an.
Lebensbedrohliche Folgen der Drucksteigerung sind vor allem die Verdrängung von Hirnsubstanz und die dadurch bedingte Kompression lebenswichtiger Strukuren. So kommt es häufig zur Verlegung des Ventrikelsystems im Rahmen einer Falxherniation bzw. Mittellinienverlagerung. Makroskopisch ist eine Verbreiterung und Abflachung der Gyri, eine Einengung der Sulci und eine Ventrikelkompression zu erkennen. Bei stetig zunehmendem Druck kann es zu Herniation der Medulla oblongata im Foramen magnum kommen. Symptome wie Atemstörungen und Bewusstseinsstörungen prägen dabei das Bild. Weitere Komplikationen sind die Quetschung des Nervus oculomotorius und die Abklemmung der Arteria cerebri posterior mit hämorrhagischen Infarkten in der Sehrinde.
Symptome
Ein Hirnödem macht sich klinisch durch die so genannten Hirndruckzeichen bemerkbar. Leitsymptome sind
Je nach Lokalisation und Ausdehnung des Hirnödems können sich zusätzliche fokale neurologische Symptome, wie Paresen, Sprachstörungen, Sehstörungen oder Sensibilitätsstörungen einstellen.
Kommt es durch den Hirndruck zu einer Herniation des Hirnstamms, entwickelt sich ein Einklemmungssyndrom mit Atemdepression, Bradykardie, Erschlaffung des Muskeltonus und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma.
Diagnose
Soweit erhebbar, steht die Eigenanamnese im Vordergrund. Ist diese aufgrund einer Bewusstseinsstörung oder Vigilanzminderung nicht möglich, sollte eine Fremdanamnese durch Angehörige oder Ersthelfer erfolgen. Abgefragt werden Vorerkrankungen (u.a. Hypertonie, Diabetes mellitus, Lebererkrankungen, Niereninsuffizienz), bestehende oder vorangegangene Infektionen und Traumata.
Die anschließende neurologische Untersuchung fokussiert sich auf Bewusstseinslage, Pupillenreaktionen, motorische Defizite und typische Hirndruckzeichen.
Ergänzende Untersuchungen sind
- Fundoskopie (kann Stauungspapille als Hinweis auf Ödem liefern)
- kraniale Magnetresonanztomographie (cMRT)
- kraniale Computertomographie (cCT)
Bei schwerem Hirnödem mit Bewusstseinsstörungen oder wenn eine klinisch-apparative Beurteilung nicht ausreichend ist, ist eine Hirndruckmessung indiziert.
Therapie
Konservative Behandlung
- Oberkörperhochlagerung (cirka 30°)
- Hyperventilation bei maschineller Beatmung (führt zu Hypokapnie und zerebraler Vasokonstriktion)
- Osmotherapie mit Mannitol
Medikamente
Operation
- Neurochirurgische Eingriffe bei operablen Raumforderungen (z.B. Ausräumung eines Subduralhämatoms)
- Trepanation
- Shunt-Anlage zur Senkung des Hirndruckes bei Inoperabilität