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Höhenhirnödem

Englisch: high altitude cerebral edema, HACE

1. Definition

Das Höhenhirnödem, kurz HACE, ist eine Komplikation der akuten Höhenkrankheit (AMS) und tritt als Folge einer subakuten, hypobaren Hypoxie auf.

2. Geschichte

Das Höhenhirnödem wurde erstmals 1913 von Ravenhill als Puna of the nervous type beschrieben. Während des Krieges in Indochina von 1962 bis 1963, wo viele Auseinandersetzungen über 5.000 Höhenmetern stattfanden, wurden erstmals zahlreiche Fälle von HACE beschrieben.[1]

3. Pathophysiologie

Vermutlich haben die akute Höhenkrankheit und das Höhenhirnödem die gleiche Pathophysiologie, wobei das HACE als Endstadium eines Kontinuums angesehen werden kann. Der genaue pathophysiologische Mechanismus ist aktuell (2019) noch ungeklärt.

Vermutet wird ein vasogenes und ggf. im weiteren Verlauf zytotoxisches Hirnödem.[2] Die Hypoxie in den zerebralen Gefäßen führt kompensatorisch zu einer Vasodilatation. Dies zieht eine mechanische Störung der Kapillaren mit Flüssigkeitsaustritt nach sich.

Gleichzeitig kommt es zur mitochondrialen Dysfunktion mit osmotischer Zellschwellung, Laktatazidose, Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies und Freisetzung von Faktoren, welche die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke stören (Histamin, Arachidonsäure, VEGF, Adenosin und Stickoxid). Hierdurch werden die Autoregulationsmechanismen des Gehirn gestört und es können weitere kapillare Lecks entstehen. Im späteren Stadium werden Zytokine freigesetzt, die für Fieber und eine weitere Störung der Blut-Hirn-Schranke verantwortlich sind.

4. Epidemiologie

Grundsätzlich nimmt die Inzidenz aller Formen von Höhenkrankheit (akute Höhenkrankheit, Höhenhirnödem, Höhenlungenödem) mit steigender Höhe zu. Für HACE beträgt sie ab ca 4.000 m 0,5 bis 4 %, wobei junge Männer deutlich häufiger betroffen sind.

Dabei spielen jedoch vermutlich weder geschlechterspezifische, noch genetische Faktoren eine Rolle, sondern die generell höhere Risikobereitschaft dieser Gruppe. Sie ignorieren öfters Warnsymptome und neigen dazu schneller aufzusteigen.[3].

5. Symptome

Leitsymptome eines Höhenhirnödems sind eine Rumpfataxie mit Gehunfähigkeit, schweren Analgetika-resistente Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Im Verlauf kommt es zu Fieber, Halluzinationen, Sehstörungen, Photophobie, Verhaltensänderungen (z.B. irrationales Verhalten), verminderter kognitiver Leistung und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma.

6. Diagnostik

Diagnostisch wegweisend sind die Symptome im Zusammenhang mit einem Aufstieg in große Höhen. Die Ataxie kann durch eine gründliche neurologische Untersuchung detektiert werden (incl. Knie-Hacke-Versuch, Romberg-Stehversuch).

Weitere Zeichen sind ein Papillenödem, retinale Blutungen sowie eine Oligurie bzw. Anurie. Im MRT können Läsionen des Pallidums sichtbar sein. Diese gehen häufig mit einem Parkinson-Syndrom als Komplikation des Höhenhirnödems einher.

Hilfreich ist weiterhin der Lake-Louise-AMS-Score.

7. Differentialdiagnostik

Das Höhenhirnödem weist eher uncharakteristische Symptome einer Enzephalopathie auf, sodass es oft zu spät erkannt wird und dann tödlich enden kann. Folgende Umstände weisen darauf hin, dass es sich wahrscheinlich nicht um ein Höhenhirnödem handelt:

  • keine Besserung der Symptome nach Gabe von Dexamethason
  • Auftreten der Symptome mehr als drei Tage nach Erreichen einer neuen Höhe
  • schnelle Besserung nach Rast und Trinken

Ein Höhenhirnödem muss abgegrenzt werden von Erschöpfungszuständen, Dehydratation, Hypothermie, Veisalgia nach Alkoholeinnahme und Hyponatriämie. Außerdem sollten folgende Krankheiten erwogen werden:

8. Therapie

Die erste Maßnahme sollte der sofortige Abstieg bzw. Abtransport sein. Falls dies nicht möglich ist, kann durch den simulierten Abstieg in einer Überdruckkammer oder durch Dexamethason (8 mg p.o./i.m./i.v., dann 4 mg alle 6 Stunden) Zeit gewonnen werden. Letzteres stabilisiert die Blut-Hirn-Schranke und kann damit die Symptome verbessern.

Während des Abstiegs kann, falls vorhanden, die Gabe von Sauerstoff (2 bis 4 Liter pro Minute) helfen. Acetazolamid (250 mg alle 12 Stunden) ist ebenfalls hilfreich.

9. Prognose

Mit einer Letalität von ungefähr 40 % ist die Prognose eines Höhenhirnödems deutlich schlechter als bei anderen Höhenkrankheiten, da bei HACE-Patienten durch den Abstieg keine unmittelbare Verbesserung zu erwarten ist. Ist ein schnelles Absteigen nicht möglich, endet ein Höhenhirnödem fast immer tödlich.[4]

10. Prophylaxe

Die beste Prophylaxe ist ein langsamer Aufstieg mit ausreichend Zeit für die Akklimatisierung. Generell wird ab 2.500 Metern ein Anstieg der Schlafhöhe von maximal 400 Metern pro Tag empfohlen. Außerdem sollte für jeden dritten Tag einen Ruhetag eingeplant werden. Weitere protektive Faktoren sind eine Übernachtung auf mittlerer Höhe vor dem Aufstieg in große Höhen sowie ein Aufenthalt in großer Höhe in vergangenen 2 Monaten. Desweiteren sollten Personen, die sich in großer Höhe aufhalten, über die Symptome von Höhenkrankheiten Bescheid wissen. Hilfreich ist eine ausreichende, aber nicht übermäßige Flüssigkeitszufuhr zur Vermeidung einer Dehydrierung durch Hyperventilation und Schwitzen.

Eine medikamentöse Prophylaxe ist möglich und bei bestimmten Risikogruppen indiziert. Dabei ist Acetazolamid das Mittel der Wahl. Auch Dexamethason ist prophylaktisch wirksam.

11. Literatur

  • Franz Berghold et al.: Alpin- und Höhenmedizin; Springer Verlag, 1.Auflage, 2015
  • Suttorp N. et al., Harrisons Innere Medizin, Hrsg. 19. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2016

12. Quellen

  1. West JB Special topic: Central nervous system and high altitude in High Altitude Medicine & Biology, 2014; abgerufen am 08.09.2019
  2. West JB et al. High altitude cerebral edema, High Altitude Medicine and Physiology. 5. Aufl., CRC-Press, S. 300–308, Boca Raton 2013
  3. Jacob D. Jensen; Andrew L. Vincent High Altitude Cerebral Edema (HACE), In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, abgerufen am 08.09.2019
  4. Franz Berghold: Sicheres Bergsteigen: alpine Unfälle - und wie man sie vermeidet

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