von griechisch: γλυκυσ - süß und lateinisch: cortex - Rinde
Synonyme: Glucocorticoid, Glucocortin, Glukokortikosteroid, umgangssprachlich "Cortison"
Englisch: glucocorticoid
Glukokortikoide gehören zu den Hormonen, genauer gesagt zu den Steroidhormonen. Der Name weist einerseits auf die Herkunft der natürlichen Glukokortikoide (die Nebennierenrinde), andererseits auf eine ihrer Wirkungen (die Beeinflussung des Glukosestoffwechsels) hin.
Die Ausgangssubstanz der natürlichen Glukokortikoide ist das Cholesterin, das entweder aus der Nahrung stammt oder aus Acetyl-CoA in der Leber gebildet wird. Cortisol entsteht dann über die Zwischenstufen Pregnenolon, Progesteron, 17-Hydroxyprogesteron und 11-Desoxycortisol in den Mitochondrien und im endoplasmatischen Retikulum der Zona fasciculata der Nebennierenrinde.
Die Synthese der Glukokortikoide im Körper unterliegt einer zirkadianen Rhythmik. Das Minimum der Produktion wird während des Schlafes erreicht, das Maximum in den frühen Morgenstunden.
Glukokortikoide beeinflussen fast alle Zellen und Organe des menschlichen Organismus. Ihre Wirkung wird intrazellulär über spezielle Glukokortikoid-Rezeptoren (GR) im Zytoplasma vermittelt. Sie kommen quasi ubiquitär vor, sind jedoch hauptsächlich in der Muskulatur, im Fettgewebe, in der Haut, sowie in der Leber und im lymphatischen Gewebe zu finden. Der Glukokortikoid-Rezeptor kommt in zwei Isoformen vor, die man GRα und GRβ nennt. Nur die GRα-Variante kann das Hormon binden. Durch den aktivierten Glukokortikoid-Rezeptor wird im Zellkern die Transkription Glukokortikoid-abhängiger Gene beeinflusst.
Darüber hinaus wird die Existenz von Glukokortikoid-Rezeptoren auf der Zellmembran angenommen, welche die Wirkung über einen "second messenger" vermitteln. Diese Rezeptoren wurden in den letzten Jahren unter anderem in Leberzellen, glatten Muskelzellen, Nervengewebe sowie auf Monozyten und T-Lymphozyten nachgewiesen.
Glukokortikoide lassen sich grob in natürliche Glukokortikoide, die physiologisch im Körper vorkommen, und synthetische Glukokortikoide, die für die medikamentöse Therapie chemisch hergestellt werden, unterscheiden. Die synthetischen Glukokortikoide lassen sich weiter in halogenierte und nicht-halogenierte Substanzen differenzieren.
Aufgrund der Vielzahl der verfügbaren Substanzen ist diese Aufzählung nicht vollständig.
Glukokortikoide zählen zu den katabolen Steroiden, d.h. sie mobilisieren die im Körper gespeicherten Ressourcen. Sie spielen deshalb bei der biologischen Reaktion des Körpers auf Stress eine große Rolle.
Glukokortikoide steigern den Blutzuckerspiegel durch verschiedene Mechanismen, z.B. durch:
Zu den wichtigsten pharmakologischen Eigenschaften der Glukokortikoide gehört ihre antiphlogistische bzw. antiinflammatorische Wirkung. Glukokortikoide können eine Entzündungsreaktion auf nahezu allen Ebenen hemmen, in dem sie den Zellstoffwechsel der beteiligten Zellen steuern.
Als Steroidhormone sind Glukokortikoide in der Lage, die Zellmembran zu durchqueren. Sie binden intrazellulär an spezielle Glukokortikoid-Rezeptoren (GR), mit denen sie einen Komplex bilden. Dieser Komplex beeinflusst im Zellkern die Synthese zahlreicher Proteine, die den Enzündungsprozess unterhalten. Ein zweiter Weg der Entzündungshemmung, für den die Glukokortikoide verantwortlich sind, ist die Aktivierung von Lipocortinen.
Eine wichtige Grundlage der immunsuppressiven Wirkung von Glukokortikoiden ist die Hemmung von NF-κB. Simultan wird durch den Glukokortikoidrezeptor die Transkription des NF-κB-inhibierenden Proteins IκBα induziert.[1]
Neben den oben genannten Effekten haben die Glukokortikoide auch mineralokortikoide Wirkungen, die den Elektrolythaushalt beeinflussen. Diese Komponente ist bei den natürlichen Glukokortikoiden stärker ausgeprägt, als bei den synthetischen.
Die beiden Nebennierenrinden des Menschen produzieren täglich etwa 15 bis 25 mg Cortisol. In der klinischen Praxis ergeben sich die Wirkungsstärke und die Äquivalenzdosis verschiedener Glukokortikoide wie folgt:[2][3][4]
Steroid | Plasma-Halbwertzeit (Minuten) | Relative gluko-kortikoide Potenz | Relative mineralo-kortikoide Potenz | Cushing-Schwelle (mg/die) |
---|---|---|---|---|
Cortisol | 90 | 1 | 1 | 30 |
Cortison | 90 | 0,8 | 0,8 | 40 |
Cloprednol | 120 | 2 | ? | 5 |
Prednison | > 200 | 4 | 0,6 | 7,5 |
Prednisolon | > 200 | 4 | 0,6 | 7,5 |
Deflazacort | 90 | 4 | ? | 9 |
Methylprednisolon | > 200 | 5 | 0 | 6 |
Fluocortolon | > 200 | 5 | 0 | 7,5 |
Triamcinolon | > 200 | 5 | 0 | 6 |
Betamethason | > 300 | 30 | 0 | 1 |
Dexamethason | > 300 | 30 | 0 | 1,5 |
Budesonid | 150 | >30 000 | ? | 0,001 |
Fluticason | > 400 | >90 000 | ? | 0,0003 |
Aldosteron | < 30 | 0 | 1000 | ∞ |
Fludrocortison | 240 | 10 | 125 | 3 |
Topisch angewandte Glukokortikoide werden nach Niedner vereinfacht in vier Wirkstärkeklassen eingeordnet:
Glukokortikoide werden überwiegend in der Leber durch Kopplung der OH-Gruppen mit Sulfaten oder Glukuronsäure verstoffwechselt. Danach werden sie biliär oder renal ausgeschieden.
Bei Erreichen der Cushing-Schwelle und/oder einer Therapiedauer von über drei Wochen müssen Glukokortikoide ausgeschlichen werden, da die körpereigene Glukokortikoidproduktion durch die exogene Zufuhr supprimiert wird. Im Maximalfall droht eine sekundäre Nebenniereninsuffizienz.
In der Pharmakotherapie werden Glukokortikoide in einer Dosis, die meist oberhalb der jeweiligen Cushing-Schwelle liegt, systemisch oder topisch bei einer Vielzahl verschiedener Krankheiten eingesetzt, unter anderem bei:
Hydrocortison wird darüber hinaus in einer Dosis unterhalb der Cushing-Schwelle (üblicherweise 15 bis 25 mg/d) als Substitutionstherapie bei einer Nebennierenrindeninsuffizienz (M. Addison) eingesetzt.
Patienten, bei denen Glukokortikoide trotz kontinuierlich hoher Dosierung über mehrere Wochen keine ausreichende therapeutische Wirkung mehr erzeugen, bezeichnet man als steroidrefraktär.
Glukortikoide sind abhängig von ihrer Indikation in vielen verschiedenen Darreichungsformen verfügbar. Sie können systemisch oder topisch appliziert werden. Die systemische Gabe erfolgt meist oral oder - vor allem in Notfallindikationen intravenös. Die topische Gabe in Form von Salben oder Creme ist in der Dermatologie verbreitet.
In der Therapie des Asthmas haben inhalative Glukokortikoide eine große Bedeutung.
Typische Darreichungsformen sind:
Mit der potenten pharmakologischen Wirkung des Glukokortikoide sind auch zahlreiche mögliche Nebenwirkungen verbunden, die vor allem bei einer länger andauernden Therapie auftreten. Eine kurzfristige Gabe ist in der Regel nicht problematisch. Die Definition der "Nebenwirkung" ist dabei abhängig vom Einsatzziel; bei bestimmten Erkrankungen gehört die Immunsuppression beispielsweise zu den gewünschten Wirkungen.
Weitere Nebenwirkungen sind:
Tags: Hormon, Steroid, Stoffwechsel
Fachgebiete: Biochemie, Endokrinologie u. Diabetologie, Pharmakologie, Physiologie
Diese Seite wurde zuletzt am 4. Januar 2022 um 21:46 Uhr bearbeitet.
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