Gluconeogenese
Englisch: gluconeogenesis
Definition
Die Gluconeogenese ist ein Stoffwechselweg zur Neusynthese von Glukose. Sie findet vorwiegend in der Leber und in den Nieren statt.
Bedeutung
Das Nervensystem, die Erythrozyten und das Nierenmark sind auf Glukose als Energielieferanten angewiesen. Daher muss auch im Fall der Nahrungskarenz ein Weg zur Bereitstellung von Glukose vorliegen - die Gluconeogenese.
Das Nervensystem ist mit ca 135g/24h der größte Glukose-Konsument im Organismus. Bei langer Nahrungskarenz kann das Nervensystem jedoch einen großen Teil seines Energiebedarfs auch durch die Oxidation von Ketonkörpern decken.
Substrate
- Laktat: Im Rahmen des Cori-Zyklus wird das bei anaerobem Stoffwechsel entstehende Laktat zur Neusynthese herangezogen.
- Aminosäuren: Glucogene Aminosäuren liefern bei ihrem Abbau Pyruvat bzw. andere Zwischenprodukte des Citratzyklus. Aminosäuren werden im Hungerzustand insbesondere beim Abbau von Skelettmuskulatur freigesetzt.
- Glycerin: Das beim Abbau von Triglyceriden entstehende Glycerin kann in der Leber durch Mitwirkung des Enzyms Glycerokinase über das Zwischenprodukt Alpha-Glycerophosphat in Dihydroxyacetonphosphat überführt werden. Dihydroxyacetonphosphat ist ein Zwischenprodukt der Glykolyse.
- Pyrimidine: Beim Abbau der Pyrimidine Desoxythymidin und Thymidin fällt Succinyl-CoA an, welches auch über den Citratzyklus in die Gluconeogenese eingeschleust werden kann.
- Ungeradzahlige Fettsäuren: Der Abbau ungeradzahliger Fettsäuren kann über Propionyl-CoA und Succinyl-CoA als Substrat des Citratzyklus in die Gluconeogenese eingeschleust werden. Dies ist mit geradzahligen Fettsäuren nicht möglich.
Reaktionen
Das Verständnis der Reaktionsabläufe der Glukoneogenese setzt die Kenntnis der Reaktionen der Glykolyse voraus.
Die Glukoneogenese ist prinzipiell eine Umkehr der Glykolyse. Aus thermodynamischen Gründen sind jedoch 3 Umgehungsreaktionen erforderlich, die folgend benannt werden sollen:
Erste Umgehungsreaktion
Aus Pyruvat wird Phosphoenolpyruvat gebildet. Dazu sind zwei Enzyme notwendig.
Die Pyruvatcarboxylase (Coenzym Biotin) katalysiert:
Pyruvat + ATP + CO2 --> Oxalacetat + ADP + Pi
Oxalacetat wird via Malat-Shuttle (Austausch gegen α-Ketoglutarat) aus dem Mitochondrium ins Zytosol geschleust.
Die Phosphoenolpyruvatcarboxykinase (kurz PEP-CK) katalysiert:
Oxalacetat + GTP --> Phosphoenolpyruvat + GDP + CO2
Zweite Umgehungsreaktion
Aus Fructose-1,6-bisphosphat wird durch Hydrolyse Fructose-6-phosphat gebildet. Das zugehörige Enzym ist die Fructose-1,6-bisphosphatase:
Fructose-1,6-bisphosphat + H2O ---> Fructose-6-phosphat + Pi
Dritte Umgehungsreaktion
In der letzten Umgehungsreaktion wird aus Glukose-6-phosphat durch Hydrolyse Glukose gebildet. Dazu muss das Glucose-6-phosphat zuvor aktiv in das endoplasmatische Retikulum aufgenommen werden. Das Enzym Glucose-6-Phosphatase katalysiert:
Glucose-6-phosphat + H2O --> Glucose + Pi
Alle anderen Reaktionen der Gluconeogenese werden durch dieselben Enzyme wie in der Glykolyse umgekehrt. Die Glucosemonomere verlassen das endoplasmatische Retikulum über den GLUT7-Transporter. Aus dem Zytosol gelangen die Glucosemoleküle über den GLUT2-Transporter ins Blut.
Regulation
Leber
Die Gluconeogenese weist einen hohen Energiebedarf auf. Ausgehend vom Pyruvat werden 6 Moleküle ATP verbraucht, bis 1 Molekül Glukose entsteht. Die Gluconeogenese unterliegt daher einer strengen bedarfsorientierten Regulation.
Glykolyse und Gluconeogenese sind gegensinnig reguliert. Die Steigerung des einen Stoffwechselweges führt zur Abnahme des anderen. Glukokortikoide, Katecholamine und Glucagon steigern die Gluconeogenese. Beispielsweise wird durch Wirkung der Katecholamine die Pyruvatkinase, ein wichtiges Enzym der Glykolyse, durch Phosphorylierung inaktiviert.
Die Stoffwechselabläufe werden durch das Zwischenprodukt Fructose-2,6-bisphosphat reguliert. Fructose-2,6-bisphosphat entsteht als Stoffwechselintermediat während der Glykolyse und Gluconeogenese. In hoher Konzentration hemmt es die Fructose-1,6-bisphosphatase allosterisch und führt so durch Weiterreaktion unter Katalyse der Phosphofructokinase 1 zu einer vermehrten Glykolyse.
Wird jedoch beispielsweise durch die Wirkung von Katecholaminen die cAMP-abhängige Proteinkinase A (PKA) aktiviert, so wird das Enzym Phosphofructokinase 2 phosphoryliert. Die Phosphofructokinase 2 wirkt in diesem Zustand als Phosphatase und verringert den Bestand an Fructose-2,6-bisphosphat. Logische Folge ist die Zunahme der Aktivität der Fructose-1,6-Bisphosphatase und somit der Gluconeogenese.
Zusätzlich führt ein hohes Verhältnis ATP/ADP zu vermehrter Aktivität der Fructose-1,6-bisphosphatase.
Niere
Die Regulation der renalen Gluconeogenese ist noch nicht vollständig verstanden. Bisher (2021) ist jedoch bekannt, dass diese kaum reguliert wird und unter jeder Stoffwechsellage abläuft. Man vermutet, dass sie primär das Nierenmark mit Glukose versorgen soll. Unter Nahrungskarenz kann die renale Gluconeogenese hochreguliert werden, so dass sie zwischen 20% und 40% der gesamten Blutglukose produziert.
Quellen
- Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 4. Auflage
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