Vamorolon
Handelsname: Agamree®
Englisch: vamorolon
Definition
Vamorolon ist ein synthetisches Glukokortikoid zur Behandlung der Duchenne-Muskeldystrophie (DMD).
Chemie
Vamorolon basiert wie andere Glukokortikoide auf einem Steroid-Grundgerüst. Es ist an Position 17 wie das Cortisol mit einer Hydroxygruppe und einem 2-Hydroxyacetyl-Rest sowie an Position 3 mit einer Ketofunktion substituiert. Im Gegensatz zum Cortisol befindet sich jedoch eine zusätzliche Doppelbindung zwischen Position 1 und 2 sowie zwischen 9 und 11. Letztere entsteht durch Eliminierung der Hydroxylfunktion an Position 11. Außerdem hat Vamorolon eine zusätzliche Methylgruppe an Position 16.
Vamorolon reagiert neutral und ist in Wasser schwer löslich. Die Summenformel lautet C22H28O4; das Molekulargewicht beträgt 356,5 g/mol.[1]
Wirkmechanismus
Vamorolon wird als erster Vertreter der Wirkstoffklasse der sogenannten "dissoziativen Glukokortikoide" vermarktet. Die pharmakologische Wirkrationale unterscheidet sich jedoch nicht grundsätzlich von der anderer Glukokortikoide. Der Arzneistoff bindet selektiv an den Glukokortikoid-Rezeptor, wodurch er seine entzündungshemmende Wirkung auslöst. Gleichzeitig hemmt er die Aktivierung der Mineralokortikoid-Rezeptoren. Darüber hinaus soll die nachfolgende Aktivität der Rezeptoren moduliert werden, was die Wirksamkeit des Arzneistoffes von den sonst üblichen Glukokortikoid-Nebenwirkungen abkoppeln, also "dissoziieren" soll.[2][3]
Der genaue Wirkmechanismus bei Duchenne-Muskeldystrophie ist unbekannt, allerdings ist schon länger bekannt, dass eine Dauertherapie mit Glukokortikoiden die Muskelkraft erhöht. Vamorolon soll besser für die Dauertherapie geeignet sein, weil es weniger Nebenwirkungen als übliche Glukokortikoide auslösen soll.
Pharmakokinetik
Nach der Einnahme werden die maximalen Plasmaspiegel nach 2 Stunden erreicht. Das Verteilungsvolumen beträgt 28,5 l. Die Metabolisierung erfolgt über mehrere Phase-I- und Phase-II-Enzyme; so findet eine Glucuronidierung, Hydroxylierung und Reduktion statt. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 2 Stunden.[4]
Indikation
- Duchenne-Muskeldystrophie bei Patienten ab 4 Jahren[4]
Darreichungsform
Vamorolon ist als Suspension mit einer Konzentration von 40 mg/ml verfügbar und wird oral eingenommen.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung beträgt 6 mg Vamorolon pro kgKG einmal täglich. Bei einem Körpergewicht von über 40 kg beträgt die empfohlene Dosis 240 mg einmal täglich. Bei Nebenwirkungen kann die Dosis auf 4 bzw. 2 mg/kgKG reduziert werden.
Wenn die Dosis reduziert wird oder das Arzneimittel abgesetzt werden soll, darf dies nicht abrupt, sondern nur schrittweise mit einer wöchentlichen Reduktion von 20 % erfolgen. Patienten mit Leberinsuffizienz (Child-Pugh Klasse B) erhalten 2 mg/kgKG oder ab einem Körpergewicht von 40 kg 80 mg täglich.[4]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Vor allem bei Dauertherapie kann es zu Veränderungen der endokrinen Funktion kommen (Cushing-Syndrom). Es entsteht eine reversible Nebennierenrindeninsuffizienz, da die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse durch Vamorolon unterdrückt wird. Deshalb muss das Medikament schrittweise abgesetzt werden. Auch eine akute Nebennierenrindeninsuffizienz kann auftreten. Weitere Nebenwirkungen sind:
- Gewichtszunahme, vor allem zu Beginn der Behandlung
- Katarakt, Glaukom
- erhöhte Infektneigung
- erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus und thromboembolische Ereignisse
- Erbrechen, Abdominalschmerz, Diarrhö, Kopfschmerz
Wechselwirkungen
- UGT-Substrate: Vamorolon wird durch die UGT abgebaut. Es wurden keine Studien zur Erfassung von Arzneimittelwechselwirkungen mit UGT-Substraten durchgeführt. Diese sollten jedoch nur mit Vorsicht angewendet werden.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- schwere Leberfunktionsstörung (Child-Pugh Klasse C)
- Lebendimpfstoffe
Zulassung
Die Zulassung in der EU erfolgte im Jahr 2023.
Therapiekosten
Die Jahrestherapiekosten liegen gerundet zwischen 21.000 und 140.000 €.[5] Sie sind damit deutlich höher als bei der Behandlung mit Standardkortikoiden (z.B. Prednison).[6]
Quellen
- ↑ Pubchem: Vamorolon; aufgerufen am 20.01.2024
- ↑ Pharmazeutische Zeitung online: Vamorolon als neue Corticoid-Alternative; aufgerufen am 20.01.2024
- ↑ Gelbe Liste online: Neueinführung Agamree bei duchenne Muskeldystrophie; aufgerufen am 20.01.2024
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Agamree 40 mg/ml Suspension zum Einnehmen: Fachinformation; aufgerufen am 20.01.2024
- ↑ Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Vamorolon (Duchenne-Muskeldystrophie, ≥ 4 Jahre) vom 4. Juli 2024, abgerufen am 26.2.2025
- ↑ Grounds MD, Lloyd EM. Considering the Promise of Vamorolone for Treating Duchenne Muscular Dystrophy. J Neuromuscul Dis. 2023;10(6):1013-1030. doi: 10.3233/JND-230161. PMID: 37927274; PMCID: PMC10657680.