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AV-Block

Synonyme: atrioventrikulärer Block, AV-Blockierung
Englisch: atrioventricular block

1. Definition

Der AV-Block ist eine Herzrhythmusstörung, die durch Leitungs­störungen zwischen Vorhöfen (Atrien) und Herzkammern (Ventrikel) entsteht. Die Erregungsleitung ist dabei aufgrund eines anatomischen oder funktionellen Hindernisses verzögert oder unterbrochen.

2. ICD10-Codes

  • I44.0: Atrioventrikulärer Block 1. Grades
  • I44.1: Atrioventrikulärer Block 2. Grades
  • I44.2: Atrioventrikulärer Block 3. Grades
  • I44.3: Sonstiger und nicht näher bezeichneter atrioventrikulärer Block

3. Einteilung

3.1. ...nach Auftreten

3.2. ...nach Symptomen

3.3. ...nach Schweregrad

3.4. ...nach Lokalisation

4. Ätiologie

Ursachen eines AV-Blocks sind funktioneller oder struktureller Natur. Die funktionell bedingten AV-Blocke sind oft reversibel, letztere hingegen meist irreversibel.

4.1. Autonom

Ein erhöhter Vagotonus während des Schlafes oder bei durchtrainierten Personen kann zu AV-Blockierungen jeglichen Schweregrades führen. Ein transienter AV-Block aufgrund des erhöhten Vagotonus kommt bei bis zu 10 % der jungen Erwachsenen vor.

Ein Karotissinussyndrom, vasovagale Synkopen sowie Husten- und Miktionssynkopen können ebenfalls mit AV-Blockierungen einhergehen.

4.2. Metabolisch/Endokrin

Vorübergehende metabolische sowie endokrine Störungen können zu meist reversiblen AV-Blockierungen führen. Ursächlich sind z.B.

4.3. Medikamentös

Zahlreiche pharmakologische Wirkstoffe können zu einem AV-Block führen, u.a.:

4.4. Infektiös

Infektionserkrankungen betreffen oft das Erregungsleitungssystem. Die Lyme-Borreliose befällt in 50 % das Myokard. 10 % der Patienten mit Lyme-Karditis entwickeln einen AV-Block, der meist reversibel ist, aber eine passagere Schrittmachertherapie erfordern kann.

Weitere infektiöse Ursachen sind:

4.5. Iatrogen

Ein iatrogener AV-Block kann bei Mitral- oder Aortenklappenoperationen sowie in seltenen Fällen bei thorakaler Bestrahlung und in Folge einer Katheterablation entstehen. Insbesondere bei einer AVNRT-Ablation besteht das Risiko, den AV-Knoten zu verletzen. Ein AV-Block als Komplikation nach Korrektur von Ventrikel- oder Vorhofseptumdefekten ist selten, nach Korrektureingriffen bei Transposition der großen Gefäße (TPA) dagegen häufiger.

4.6. Degenerativ

Die idiopathische progressive Fibrose des Erregungsleitungssystem ist eine der häufigsten Ursachen eines AV-Blocks. Sie beginnt oft in der 4. Lebensdekade und wird durch Atherosklerose, Hypertonie und Diabetes mellitus beschleunigt. Dabei unterscheidet man zwischen:

Auch bei einer dilatativen Kardiomyopathie kann es zu einer AV-Blockierung kommen.

4.7. Genetisch/Kongenital

Familiäre Formen des AV-Blocks treten u.a. durch Mutationen im SCN5A-Gen (Lokus 3p22.2) auf. Erbliche Erkrankungen wie Kearns-Sayre-Syndrom, myotone Dystrophie Typ 1 und Typ 2, fazioskapulohumerale Muskeldystrophie oder Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie sind ebenfalls mit AV-Blockierungen assoziiert.

Ein kongenitaler AV-Block wird bei komplexen kardialen Fehlbildungen beobachtet (z.B. bei TPA, ASD vom Ostium-primum-Typ, VSD, Endokardkissendefekte oder Single-Ventricle-Defekten). Weiterhin kann ein kongenitaler AV-Block trotz strukturell normalem Herz bei Kindern von Müttern mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) auftreten.

4.8. Ischämisch

Der AV-Knoten wird aus dem Ramus nodi atrioventricularis der rechten Koronararterie (RCA) und dem ersten Septalast des Ramus interventricularis anterior (RIVA) der linken Koronararterie (LCA) mit Blut versorgt.

Eine koronare Herzkrankheit (KHK) kann zu passageren oder persistierenden AV-Blockierungen führen. Ein akuter Myokardinfarkt (AMI) geht in 10-25 % d.F. mit einem meist erst- oder zweitgradigen AV-Block einher. Höhergradige AV-Blockierungen entstehen tendenziell häufiger bei inferiorem als bei anteriorem AMI. Weiterhin führen inferiore Infarkte eher zu einem schmalkomplexigen stabilen Ersatzrhythmus, anteriore Infarkte eher zu Blockierungen des distalen AV-Knotens oder im Bereich des His-Bündels bzw. Tawara-Schenkels mit infolge breitkomplexigem, instabilem Ersatzrhythmus und schlechterer Prognose.

4.9. Weitere Ursachen

Zu den autoimmunen und infiltrativen Erkrankungen, die zu einem AV-Block führen können, zählen:

Selten bedingen maligne Erkrankungen (Lymphom, Mesotheliom, Melanom) einen AV-Block.

5. Klinik

Ein AV-Block kann asymptomatisch verlaufen, aber je nach Ausprägung (Verzögerung oder komplette Blockierung der Leitung, Frequenz des Ersatzrhythmus) auch zu einer beträchtlichen Reduktion der Herzfrequenz führen, sodass die Pumpleistung des Herzens hämodynamisch wirksam abfällt. Entsprechende Symptome sind Übelkeit, Schwindel, Dyspnoe und Synkopen (Adams-Stokes-Anfall). Weiterhin kann ein AV-Block eine Herzinsuffizienz oder eine Angina pectoris verschlechtern. Ein hochgradiger AV-Block kann potentiell letal verlaufen.

6. Diagnostik

Ein AV-Block wird mithilfe eines Oberflächen-EKGs (12-Kanal- oder Langzeitableitung) diagnostiziert. Bei Vorliegen eines AV-Blocks sollte vor der definitiven Therapie eine Ursachenabklärung erfolgen, um z.B. reversible Formen kausal zu behandeln. Da ein AV-Block teilweise nur unter körperlicher Belastung auftritt, kann ein Belastungs-EKG hilfreich sein.

6.1. Schweregrad

Nach dem Ausmaß der Blockierung werden verschiedene Grade des AV-Blocks unterschieden. Eine Differenzierung mittels EKG ist prognostisch und therapeutisch relevant:

  • AV-Block I°: Verlangsamung der atrioventrikulären Überleitung (PR-Intervall > 200 ms)
  • AV-Block II°: intermittierender Ausfall der Impulsweiterleitung vom Vorhof zur Kammer
    • Typ Mobitz I (bzw. Typ Wenckebach): periodischer Ausfall der Überleitung, charakterisiert durch vorangehende progressive Verlängerung des PR-Intervalls und eine Pause, die weniger als das Doppelte des unmittelbar vorangehenden RR-Intervalls beträgt. Die auf die Pause anschließende Herzaktion zeigt ein kürzeres PR-Intervall als die der Pause unmittelbar vorangehende.
    • Typ Mobitz II: intermittierender Ausfall der P-Wellen-Überleitung ohne Veränderungen im vorangehenden PR- oder RR-Intervall; oft mit intraventrikulären Erregungsausbreitungsstörungen (z.B. Schenkelblock) assoziiert; schreitet mit höherer Wahrscheinlichkeit in einen höhergradigen AV-Block fort.
  • AV-Block III°: vollständiger Ausfall der Erregungsleitung vom Vorhof zur Kammer (AV-Dissoziation); weist auf eine fortgeschrittene Erkrankung des Erregungsleitungssystems hin.

Der AV-Block II° (v.a. Typ II) kann mit einer Reihe nicht übergeleiteter P-Wellen assoziiert sein (paroxysmaler AV-Block). Dies spricht für eine gravierende Erkrankung des Erregungsleitungssystem und stellt eine Indikation zur permanenten Schrittmachertherapie dar.

6.2. Lokalisation

Ein AV-Block kann suprahisär, d.h. in den Vorhöfen bzw. im AV-Knoten (intranodal) oder infranodal (im His-Bündel, den Tawara-Schenkeln und im Purkinje-System) entstehen. Insbesondere bei asymptomatischen Patienten ist die Lokalisationsdiagnostik entscheidend, da Prognose und Therapie davon abhängen. Orientierend kann mithilfe eines Oberflächen-EKG auf die Lokalisation des Blocks rückgeschlossen werden:

  • suprahisär: meist schmalkomplexiger Ersatzrhythmus um 55/min. Charakteristisch ist eine PQ-Zeit-Verlängerung auf > 280 ms.
  • Blockierung im His-Bündel: PQ-Zeit beträgt meist < 180 ms.
  • Blockierung in den Faszikeln: breite QRS-Komplexe und ein Ersatzrhythmus < 40/min.

Weiterhin kann auch anhand des Schweregrades auf die Lokalisation geschlossen werden:

  • AV-Block I°: Verzögerungsort meist AV-Knoten selber, seltener in Vorhöfen, His-Bündel oder Purkinje-System. Schmaler QRS-Komplex spricht für Verzögerung im AV-Knoten oder seltener im His-Bündel, breiter QRS-Komplex für distale Blockierung
  • AV-Block II°:
    • Typ Mobitz I: entsteht meist durch dekrementale Leitung im AV-Knoten.
    • Typ Mobitz II: Block typischerweise im distalen bzw. infrahisären Leitungssystem
  • AV-Block III°: Block liegt meist distal des AV-Knotens; QRS-Dauer ist hilfreich zur Bestimmung des Blockniveaus (breitkomplexiger Ersatzrhythmus spricht für einen Block im distalen His-Bündel oder den Tawara-Schenkeln, ein schmalkomplexiger Rhythmus für einen Block im AV-Knoten oder dem proximalen His-Bündel und für einen AV-junktionalen Ersatzrhythmus. Letzterer ist meist schneller und stabiler als ein ventrikulärer Ersatzrhythmus.

6.2.1. Provokationsmanöver

Aufgrund der unterschiedlichen autonomen Innervation von AV-Knoten und infranodalem Erregungsleitungssystem verlangsamen Vagusmanöver (z.B. Valsalva-Manöver, Karotissinusmassage) die Leitung im AV-Knoten, führen aber nur zu geringen Effekten auf das infranodale Gewebe.

Umgekehrt verbessern Atropin, Isoproterenol und körperliche Belastung die Leitung durch den AV-Knoten und verschlechtern die infranodale Leitung. Bei kongenitalem AV-Block III° und schmalkomplexigem Ersatzrhythmus erhöht die körperliche Belastung die Herzfrequenz, bei erworbenem komplettem AV-Block (v.a. bei breitem QRS-Komplex) nicht.

6.2.2. His-Bündel-EKG

Für eine detaillierte Lokalisationsdiagnostik ist eine elektrophysiologische Untersuchung (EPU) mit His-Bündel-EKG notwendig. Sie kann bei Patienten mit Synkopen und vermuteter höhergradiger AV-Blockierung indiziert sein, v.a. wenn nicht-invasive Untersuchungen die Ursache nicht aufklären können, oder bei struktureller Herzerkrankung mit symptomatischer ventrikulärer Tachykardie. Bei erworbenem komplettem AV-Block spielt die EPU nur eine geringe Rolle, da eine Schrittmachertherapie fast immer indiziert ist.

Das His-Bündel-EKG wird durch einen Katheter am oberen Rand des Trikuspidalklappenrings aufgezeichnet. Es zeigt die lokale atriale Erregung, das His-Elektrogramm und die lokale ventrikuläre Erregung, sodass bei gleichzeitiger Ableitung des Oberflächen-EKGs die intraatriale, AV-nodale und infranodale Leitungszeiten bestimmt werden können. Als AH-Intervall wird die Zeit von der frühesten Auslenkung des atrialen Elektrogramms in der His-Bündel-Ableitung bis zum His-Elektrogramm bezeichnet. Es spiegelt die Leitung des AV-Knotens wider und beträgt normalerweise < 130 ms. Das HV-Intervall, die Zeit vom His-Elektrogramm bis zum Beginn des QRS-Komplexes im Oberflächen-EKG, beträgt < 55 ms und zeigt die Leitungszeit durch das His-Purkinje-System an.

7. Therapie

Grundsätzlich sollten bei einem AV-Block kausale oder verstärkende Ursachen identifiziert und beseitigt werden (z.B. Absetzen bradykardisierend wirkender Arzneimittel, Korrektur von Elektrolytveränderungen). Die Gabe von Atropin oder Isoprenalin kann bei AV-nodal lokalisiertem Block hilfreich sein, ist jedoch bei infranodaler Lokalisation (z.B. AV-Block II° Typ Mobitz II) kontraindiziert.

Orciprenalin ist in Deutschland seit 02/2023 außer Vertrieb; auch über Import ist kein Präparat verfügbar. Isoprenalin steht nur noch als Import zur Verfügung.

Zur kurzfristigen Überbrückung bzw. Stabilisierung kann eine temporäre Schrittmacherstimulation notwendig sein:

Ist ein Block distal des AV-Knotens nicht prompt reversibel, ist i.d.R. ein permanenter Schrittmacher notwendig.

7.1. Permanenter Schrittmacher

Eine Schrittmacherimplantation ist z.B. indiziert bei:

  • AV-Block III° mit:
    • symptomatischer Bradykardie
    • unverzichtbarer Medikamententherapie, die eine symptomatische Bradykardie hervorruft
    • Asystolien > 3 s oder Ersatzfrequenz < 40/min im Wachzustand bzw. Ersatzrhythmus, der unterhalb des AV-Knotens generiert wird
    • postoperativem, vermutlich irreversiblem Verlauf
    • Katheterablation der AV-Übergangsregion
    • neuromuskulärer Erkrankung (unabhängig vom Vorhandensein von Symptomen)
  • AV-Block II° bei symptomatischer Bradykardie
  • AV-Block II° Typ Mobitz II bei breitem QRS-Komplex (unabhängig vom Vorhandensein von Symptomen)
  • belastungsabhängigem AV-Block II° oder III° ohne Ischämie
  • Vorhofflimmern mit Bradykardie und Pausen > 5 s

Grundsätzlich erfolgt die Indikationsstellung individuell. Asymptomatische Patienten mit AV-Block I° oder II° Typ Mobitz I benötigen i.d.R. keinen permanenten Schrittmacher. Jedoch kann eine Implantation z.B. bei ausgeprägtem symptomatischem AV-Block I° (PR-Intervall > 300 ms) erwogen werden.

In der Regel wird bei einer AV-Blockierung mit Schrittmacherpflichtigkeit ein 2-Kammerschrittmacher (DDD-Schrittmacher) implantiert.

8. Literatur

Dr. med. Barbara Bellmann
Peer reviewed am 01.09.2022 von Dr. med. Barbara Bellmann
Fachgebiete: Kardiologie

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