Atrioventrikularknoten
von lateinisch: atrium - Vorhalle; ventriculus - kleiner Bauch
Synonyme: AV-Knoten, Aschoff-Tawara-Knoten, Nodus atrioventricularis
Englisch: atrioventricular node
Definition
Der Atrioventrikularknoten oder AV-Knoten ist das sekundäre Schrittmacherzentrum des Herzens und an der komplexen Regulation der Herzfrequenz beteiligt.
Anatomie
Der AV-Knoten ist eine muskuläre, makroskopisch schlecht abgrenzbare subendokardiale Struktur im rechten Herzvorhof. Er liegt in der Basis des Vorhofseptums vor der Einmündung des Sinus coronarius. Der Bereich, in dem sich der AV-Knoten befindet, wird auch als Koch-Dreieck bezeichnet.
Einteilung
Der AV-Knoten wird in drei Zonen eingeteilt:
- Transitions- bzw. Übergangszone: superiore, mediale und posteriore transitionale atrionodale Bündel
- kompakte Zone: AV-Knoten im engeren Sinne; ungefähr 5 mm lang, 3 mm breit und 1 mm dick; befindet sich in der Spitze des Koch-Dreiecks
- AV-Bündel-Zone: Durchtritt durch die Klappenebene in enger räumlicher Beziehung zum Aorten-, Mitral- und Trikuspidalklappenring.
Das AV-Bündel setzt sich durch den Anulus fibrosus fort und bildet am membranösen Kammerseptum anliegend das His-Bündel. Aus dem His-Bündel entsteht der rechte und linke Tawara-Schenkel, aus denen das Netzwerk der Purkinje-Fasern entspringt, die sich auf der endokardialen Oberfläche beider Ventrikel verästeln.
Versorgung
Der AV-Knoten wird aus dem Ramus nodi atrioventricularis der rechten Koronararterie (RCA) und dem ersten Septalast des Ramus interventricularis anterior (RIVA) der linken Koronararterie (LCA) mit Blut versorgt. Die Tawara-Schenkel werden durch Septaläste des RIVA und Seitenäste des Ramus interventricularis posterior perfundiert.
Während der AV-Knoten durch postganglionäre sympathische und parasympathische Fasern dicht innerviert ist, wird das His-Bündel und das distale Erregungsleitungssystem nur gering autonom beeinflusst.
Histologie
Die Zellen des AV-Knotens sind heterogen. In der proximalen Übergangszone haben die Zellen einen elektrischen Phänotyp zwischen dem der Vorhofmyozyten und der Zellen der kompakten Zone. Die atrionodalen Übergangsverbindungen können dekrementale Leitungseigenschaften aufweisen, d.h. eine Verlangsamung der Leitung bei zunehmend schnelleren Stimulationsfrequenzen bedingen. Weiterhin sind schnelle und langsame AV-nodale Leitungsbahnen beschrieben, wobei es sich vermutlich um funktionale Heterogenitäten und nicht um anatomisch umschriebene Strukturen handelt.
Die Myozyten der kompakten Zone werden auch als P-Zellen bezeichnet. Sie ähneln den gleichnamigen Zellen des Sinusknotens. Sie enthalten nur wenige Myofibrillen und Mitochondrien und sind gering über Nexus (Connexine 45 und 40) miteinander elektrisch gekoppelt.
Physiologie
Der AV-Knoten ist das sekundäre Reizzentrum des Herzens. Üblicherweise empfängt er Depolarisationen, die über das Arbeitsmyokard der Herzvorhöfe fortgeleitet werden, und leitet sie mit einer zeitlichen Verzögerung von 60 bis 120 ms in die Ventrikel weiter. Die Zeitspanne für diese Erregungsüberleitung nennt man atrioventrikuläre Überleitungszeit (AV-Zeit). Sie entspricht der PQ-Strecke im EKG.
Die Verzögerung findet v.a. in der Transitionszone statt. Sie ist notwendig, um eine koordinierte Kontraktion von Vorhöfen und Herzkammern zu gewährleisten. Die Vorhofsystole erfolgt etwas früher als die Kammersystole, was zu einer verbesserten Füllung der Herzkammern führt.
Der AV-Knoten fungiert darüber hinaus als Frequenzfilter, der unter physiologischen Bedingungen durch die Refraktärzeit der depolarisierten Herzmuskelzellen Reize über einer bestimmten Frequenz nicht weiterleitet.
Die Myozyten der kompakten Zone weisen ein Ruhemembranpotenzial von ca. - 60 mV auf. Ihr Aktionspotenzial weist eine niedrige Amplitude, einen langsamen Phase-0-Anstieg sowie eine Phase-4-Depolarisation auf. P-Zellen verfügen nicht über den einwärts gerichteten Kaliumstrom ("inward rectifier", IK1) und den schnellen Natriumeinstrom (INa). Der Calciumeinstrom durch L-Typ-Calciumkanäle (ICa-L) ist für die Phase 0 verantwortlich. Die Phase 4 wird durch folgende Aktivitäten bestimmt:
- depolarisierende Ströme:
- Funny-Strom (If)
- Calciumeinstrom vom L-Typ (ICa-L)
- Calciumeinstrom vom T-Typ (ICa-T)
- repolarisierende Ströme:
- Delayed-Rectifier-Strom (IKr)
- Acetylcholin-gesteuerter Strom (IKACh)
Klinik
Im Falle eines Sinusknotenausfalles kann der AV-Knoten die Funktion als primärer Rhythmusgeber aufnehmen und eine Herzfrequenz von 40 bis 60 Schlägen pro Minute steuern.
Bei einer zu starken zeitlichen Verzögerung der Reizweiterleitung durch den AV-Knoten oder einem Ausfall der Weiterleitung kommt es zum Krankheitsbild des sogenannten AV-Blockes, von dem drei Grade unterschieden werden.
Bei Neugeborenen ist der Knoten noch stärker ausgedehnt. Erst in den ersten Lebensmonaten verkleinert sich der AV-Knoten durch Apoptose. Wenn dieser Umbau ausbleibt, sind Tachykardien bis hin zum plötzlichen Herztod möglich.
Weiterhin können Muskelfasern des Vorhofs die Transitionszone überspringen und direkt in das His-Bündel oder in die Kammermuskulatur übergehen (z.B. Mahaim-Bündel, Kent-Bündel). Dies kann zu sogenannten atrioventrikulären Reentrytachykardien (AVRT) führen. Existieren im AV-Knoten funktionell zwei unterschiedlich leitende Bahnen (dualer AV-Knoten) kann eine AV-nodale Reentrytachykardie (AVNRT) entstehen.