Synonym: Kammertachykardie
Abkürzung: VT
Englisch: ventricular tachycardia
Ventrikuläre Tachykardien, kurz VT, sind tachykarde Arrhythmien des Herzens mit einem Ursprung distal des His-Bündels. Eine ventrikuläre Tachykardie ist stets als Notfall zu betrachten.
Grundsätzlich unterscheidet man je nach Kammerfrequenz:
Arrhythmieform | Frequenz [min-1] |
---|---|
Akzelerierter idioventrikulärer Rhythmus | 50 bis 125 |
Ventrikuläre Tachykardie | 125 bis 250 |
Kammerflattern | 250 bis 320 |
Kammerflimmern | > 320 |
Diese Einteilung ist allerdings willkürlich, da die verschiedenen Formen stufenlos ineinander übergleiten. Manche Autoren fassen Kammerflattern und -flimmern zusammen, sprechen also von einem Kammerflimmern ab einer Frequenz von 250 /min.
Sonderformen der ventrikulären Tachykardien sind:
Eine ventrikuläre Tachykardie entsteht meist auf dem Boden einer koronaren Herzerkrankung oder nach einem Herzinfarkt.
Weitere mögliche Ursachen sind unter anderem:
Etwa 5 % der ventrikulären Tachykardien haben eine unklare Ätiologie. Sie werden daher als idiopathisch bezeichnet.
Eine ventrikuläre Tachykardie entsteht meistens durch kreisende Erregungen (Reentry-Mechanismus). Seltener kann eine gesteigerte Automatie (Erregungsbildung in der Kammer) des Myokards verantwortlich sein.
Bei leichten Formen der ventrikulären Tachykardie (bis 150 /min) verspürt der Patient evtl. Herzrasen oder Palpitationen und ist zunächst wenig beeinträchtigt. Erst bei längerem Bestehen kann es zu Pumpversagen und Dekompensation mit Dyspnoe und Lungenödem kommen.
Schwere Formen (Kammerflimmern, Kammerflattern) führen immer zu einer hämodynamischen Instabilität. Der Übergang von Kammerflattern zu Kammerflimmern ist fließend. Grundsätzlich kann bei Kammerflattern noch mit einem stark insuffizienten Auswurf des Herzens gerechnet werden, bei Kammerflimmern fehlt dieser. Ein Kreislaufstillstand mit Bewusstseinsverlust (Synkope) und kardiogenem Schock ist die Folge. Entsprechend muss umgehend eine kardiopulmonale Reanimation (CPR) durchgeführt werden.
Die Diagnose einer ventrikulären Tachykardie kann per EKG gestellt werden. Dabei zeigt sich eine regelmäßige Tachykardie (100 bis 250 /min). Typisch sind weiterhin breite, schenkelblockartig deformierte Kammerkomplexe (QRS-Dauer > 120 ms), die ohne Zusammenhang zur Vorhofaktion (AV-Dissoziation) in Erscheinung treten.
Im Rahmen einer ventrikulären Tachykardie können einzelne Vorhofaktionen komplett übergeleitet werden und so zu einem normal konfigurierten QRS-Komplex zwischen der ansonsten monomorph geprägten Breitkomplextachykardie führen. Diese werden als Capture Beats bezeichnet. Wird eine einzelne Vorhofaktion nur partiell übergeleitet, so kommt es im EKG zu einer Art Mischbild zwischen normalem QRS und Schenkelblockbild. Diese werden Fusionsschläge (Fusion Beats) genannt. Diese intermittierend auftretenden Fusion bzw. Capture Beats können besonders gut in einem langen EKG-Streifen detektiert werden.
Ein weiterer Hinweis für die ventrikuläre Tachykardie können konkordante QRS-Komplexe in den Brustwandableitungen sein. Es finden sich also in den Ableitungen V1 bis V6 nur positive oder nur negative Ausschläge. Man spricht dann von einer positiven (alle Ausschläge positiv) oder negativen (alle Ausschläge negativ) Konkordanz.
Folgende Problematiken können eine ventrikuläre Tachykardie vortäuschen:
Die ventrikuläre Tachykardie stellt eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung dar, die unverzüglich behandelt werden muss. Initial ist eine Sauerstoff-Gabe per Nasensonde oder Maske indiziert.
Bei einer ventrikulären Tachykardie können Antiarrhythmika eingesetzt werden. Mittel der Wahl bei Patienten ohne Herzinsuffizienz ist Ajmalin (50 mg i.v. langsam über 5 min unter EKG-Kontrolle). Patienten mit Herzinsuffizienz werden mit Amiodaron (300 mg i.v. langsam über 5 min) behandelt.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Bei drohendem kardiogenen Schock oder Lungenödem sowie bei Versagen der medikamentösen Therapie ist die Kardioversion in Kurznarkose oder die Defibrillation das Verfahren der Wahl.
Bei der Kardioversion wird ein Gleichstromstoß (200 J) EKG-gesteuert in die nichtvulnerable Phase der Herzaktion getriggert. Sie ist daher vor allem bei niedrigfrequenten Formen der ventrikulären Tachykardie mit hämodynamischer Instabilität geeignet. Einem durch diesen Stromstoß ausgelösten Kammerflimmern kann dadurch vorgebeugt werden.
Bei Bewusstlosigkeit oder bereits bestehendem Kammerflattern/Kammerflimmern sollte ohne EKG-Synchronisation sofort defibrilliert werden.
Nach Beendigung der ventrikulären Tachykardie sollte die zugrundeliegende Erkrankung behandelt werden, z.B. mittels Revaskularisationsmaßnahmen bei akutem Koronarsyndrom bzw. KHK.
Rezidivierendes Kammerflimmern oder ventrikuläre Tachykardien außerhalb eines Infarktgeschehens, die medikamentös nicht sicher zu beherrschen sind, stellen eine Indikation zur Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) dar. Dieser defibrilliert bei Bedarf automatisch.
Bei Postinfarktpatienten und bei Patienten mit Herzinsuffizienz können weiterhin Betablocker angewendet werden. Sie vermindern die Inzidenz eines plötzlichen Herztodes um etwa 40 %.
Tags: Arhythmie, Defibrillation, EKG, Herz, Herzrhythmus, Herzrhythmusstörung, Tachykardie
Fachgebiete: Intensivmedizin, Kardiologie, Notfallmedizin
Diese Seite wurde zuletzt am 1. Februar 2022 um 14:36 Uhr bearbeitet.
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