Amiodaron
Handelsnamen: Cordarex®, Amiohexal®, Sedacoron®, Amiogamma® u.v.a.
Englisch: amiodarone
Definition
Amiodaron ist ein Klasse-III-Antiarrhythmikum und gehört zu den wichtigsten Medikamenten zur Behandlung einiger Herzrhythmusstörungen.
Chemie
Amiodaron ist eine iodhaltige, polyzyklische organische Verbindung mit einer molaren Masse von 645,31 g·mol-1. Die Summenformel lautet C25H29I2NO3. In Arzneimitteln liegt der Wirkstoff als Amiodaron·Hydrochlorid vor.
Wirkmechanismus
Die Wirkungsweise von Amiodaron ist in seiner Komplexität noch nicht vollständig bekannt. Allerdings wird es durch die von ihm induzierte Verlängerung des Aktionspotentials und der Refraktärzeit im Myokard den Klasse III-Antiarrhythmika nach Vaughan Williams zugeordnet. Neben seiner starken Hemmung der Kaliumkanäle (KCNH2) hat Amiodaron auch eine mäßige Hemmung der alpha-, beta- und muskarinerge Rezeptoren sowie eine teilweise Blockierung auf schnelle und mittlere Natriumkanäle zur Folge. Auch spannungsgesteuerte Calciumkanäle (CACNA2D2) werden durch Amiodaron blockiert.
Die Fähigkeit, selbst Herzrhythmusstörungen auslösen zu können, ist bei Amiodaron im Vergleich zu anderen Antiarrhythmika verhältnismäßig gering ausgeprägt. Leider sind unerwünschte weitere Wirkungen in anderen Organsystemen bei Amiodaron verhältnismäßig häufig anzutreffen.
Pharmakokinetik
Amiodaron ist ein lipophiler Wirkstoff mit einer schlechten oralen Bioverfügbarkeit, die sehr variabel ist - zwischen 20 und 80 %. Die Plasmaeiweißbindung beträgt 95 %. Amiodaron wird hauptsächlich durch CYP3A4 und CYP2C8 in der Leber verstoffwechselt. Die Elimination findet zu 95 % biliär über den MRP2-Transporter statt, nur ein kleiner Anteil wird renal ausgeschieden. Der wichtigste Metabolit Desethylamiodaron ist ebenfalls aktiv. Die Eliminationshalbwertszeit ist mit 1 bis 2 Monaten sehr lang. Aufgrund seiner Lipophilie reichert sich Amiodaron im Fettgewebe an.
Anwendungsgebiete
Amiodaron hat seine Zulassung in Deutschland zur Behandlung verschiedenartiger tachykarder Herzrhythmusstörungen.
Tachykarde supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen
Zum Formenkreis der tachykarden supraventrikulären Herzrhythmusstörungen gehören die AV-junktionale Tachykardie, die supraventrikuläre Tachykardie beim WPW-Syndrom sowie das paroxysmale Vorhofflimmern.
Tachykarde ventrikuläre Herzrhythmusstörungen
Die Behandlung tachykarder ventrikulärer Herzrhythmusstörungen erfolgt häufig in Kombination mit Beta-Blockern und ist bei Patienten indiziert, bei denen andere Antiarrhythmika keine Verwendung finden können.
Weitere Indikationen
Darüber hinaus findet Amiodaron auch Einsatz in der Behandlung von Kammertachykardien und Kammerflimmern sowie im Rahmen einer kardiopulmonalen Reanimation. Sind bei Patienten mit einer strukturellen Herzerkrankung wie einer Herzinsuffizienz oder Vernarbungen des Myokards durch durchgemachte Infarkte andere Medikamente nicht mehr ausreichend wirksam, so ist Amiodaron eine weitere Therapieoption.
Nebenwirkungen
Wie bei anderen Medikamenten sind auch unter Amiodaron unerwünschte Wirkungen an verschiedenen Organsystemen zu beobachten. Das Nebenwirkungsrisiko steigt mit der kumulativen Dosis und der Dauer der Einnahme.
Lunge
Amiodaron ist eine der häufigsten Ursachen für eine arzneimittelinduzierte interstitielle Lungenerkrankung (ILD). Es handelt sich um die schwerwiegendste Nebenwirkung mit einer gemeldeten Inzidenz von 1,2 bis 8,8 %. Dafür können Husten, Fieber, Dyspnoe und ein verschlechtertes Allgemeinbefinden erste Anzeichen sein.[1]
Augen
Durch Amiodaron entstehen sehr häufig Ablagerungen an der Hornhaut (Cornea verticillata), die das Sehvermögen allerdings nicht beeinflussen. In ca.10 % der Fälle kann es in der Folge zu Sehstörungen wie Schleiersehen oder starker Lichtempfindlichkeit kommen. Daher sollte ein ausreichender Schutz durch eine Sonnenbrille bei hellem Licht oder Sonne erfolgen. Nach Absetzen des Medikaments sind die Ablagerung innerhalb von maximal 12 Monaten rückläufig.
Haut
Bei hellhäutigen Menschen oder unter einer hohen Dosierung von Amiodaron kann es zu einer erhöhten Sonnenbrandgefahr und einer lichtempfindlicheren Haut kommen. In seltenen Fällen können an sonnenexponierten Hautarealen gräuliche Verfärbungen der Haut auftreten, die sich nach Absetzen der Therapie innerhalb von ein bis vier Jahren wieder vollständig zurückbilden.
Herz
Gelegentlich kommt es nach einigen Wochen Therapie zu einer Verlangsamung des Pulses. Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen durch Amiodaron sind sehr selten.
Leber und Gastrointestinaltrakt
Häufig lässt sich ein harmloser, vorübergehender Anstieg der Leberwerte beobachten, die etwa das zwei- bis dreifache der Norm betragen. Selten kommt es zu Ikterus, Hepatomegalie oder Hepatitis. Initial sind häufig auch Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Völlegefühl zu beobachten. Ferner treten Geschmacksstörungen auf.
Schilddrüse
Da in Amiodaron ein hoher Gewichtsanteil (ca. 37 %) an Iod gebunden ist, werden die Schilddrüsenwerte beeinflusst. Gelegentlich kann als Folge der Therapie mit Amiodaron eine Amiodaron-induzierte Hyperthyreose (AIH) oder Hypothyreose entstehen, die unter Umständen eine Schilddrüsentherapie oder gar einen Abbruch der Medikation mit Amiodaron notwendig macht. Auch die Entstehung einer Amiodaron-induzierten Thyreoiditis ist möglich.
Genitaltrakt
Amiodaron kann eine Epididymitis auslösen.
Wechselwirkungen
Amiodaron ist ein potenter Hemmstoff des CYP-450-Systems. Es inhibiert u.a. CYP1A1, CYP1A2, CYP3A4, CYP2B6, CYP2D6 und CYP2C9. Der Arzneistoff hat daher ein hohes Potential für Wechselwirkungen mit vielen anderen CYP-Substraten. Relevante Interaktionen treten zum Beispiel auf mit:
- Vitamin-K-Antagonisten (Blutungsrisiko)
- Digoxin
- Ciclosporin
- Simvastatin (Rhabdomyolyse)
- Betablockern
- Sildenafil
- Flecainid
- Procainamid
- Theophyllin
- Virustatika (z.B. Sofosbuvir, Ritonavir, Indinavir)
In Verbindung mit Chinin aus Medikamenten oder Getränken kann es zu QT-Zeit-Verlängerungen kommen.
Kontraindikationen
Bei einer Hyperthyreose, einer vorhandenen Jodallergie sowie bei bradykarden Herzrhythmusstörungen sollte keine Behandlung mit Amiodaron erfolgen.
Vorsicht ist auch geboten bei einer Verlängerung der QT-Zeit über 25 % des Normwertes oder über 500 ms. Hier ist mit gefährlichen Herzrhythmusstörungen zu rechnen und es bedarf einer besonderen Überwachung. Leidet der Patient unter einer Erregungsleitungsstörung, ist eine Therapie mit Amiodaron nur unter Schutz eines Herzschrittmachers durchzuführen.
Bei Frauen muss während der Therapie mit Amiodaron eine wirksame Kontrazeption durchgeführt werden.
Kontrolluntersuchung
Betrachtet man die unerwünschten weiteren Wirkungen von Amiodaron, so sind einige Kontrolluntersuchungen im Therapieverlauf nötig. Es sollte alle drei Monate eine Kontrolle der Schilddrüsenwerte und der Leberwerte sowie ein Kontroll-EKG durchgeführt werden. Alle sechs Monate sind zusätzlich noch eine Kontrolle der Lungenfunktion sowie eine augenärztliche Kontrolle notwendig.
Quellen
- ↑ Tsaban G et al. Amiodarone and pulmonary toxicity in atrial fibrillation: a nationwide Israeli study. Eur Heart J. 2024