Kontrazeption
von lateinisch: contra - gegen; concipere, conceptus - aufnehmen, empfangen
Synonyme: Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsverhütung, Konzeptions-Verhütung, Antikonzeption
Englisch: contraception
Definition
Als Kontrazeption bezeichnet man Empfängnisverhütung im Sinne der individuellen Familienplanung oder auf staatlicher Ebene zur Lenkung der Geburtenzahlen. Kontrazeption dient dazu, den Geschlechtsverkehr zu ermöglichen und gleichzeitig eine Schwangerschaft zu vermeiden bzw. das Risiko einer Schwangerschaft möglichst gering zu halten.
Je nach geographischem, sozialem und kulturellem Umfeld existieren dazu zahlreiche verschiedene Methoden mit sehr unterschiedlicher Zuverlässigkeit.
Methoden
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Empfängnisverhütung mit Hilfsmitteln (Kontrazeptiva) oder ohne. Alle Methoden zielen darauf ab, entweder die Befruchtung der weiblichen Eizelle durch männliche Spermien zu verhindern oder die Einnistung einer befruchteten Eizelle zu vermeiden.
...bei der Frau
Barrieremethoden
Zu den gängigen Barrieremethoden gehören:
- Scheidendiaphragma (Diaphragma)
- Portiokappe
Bei diesen Methoden erfolgt die empfängnisverhütende Wirkung über eine mechanische Barriere, die den Eintritt des Ejakulats bzw der Samenzellen in den Uterus und damit die Befruchtung der Eizelle verhindern.
Chemische Kontrazeption
Spermizide bewirken, dass die Samenzellen bei Kontakt abgetötet werden. Sie kommen in Form von Scheidenzäpfchen als alleiniges empfängnisverhütendes Mittel oder als Gel zusammen mit Portiokappe oder Scheidendiaphragma zum Einsatz.
Hormonale Kontrazeption
Die wichtigen Vertreter sind:
- Verschiedene Formen der Anti-Baby-Pille
- Gestagen-Injektion/Depot (z.B. Dreimonatsspritze)
- Intrauterinsystem (IUS, "Hormonspirale")
- Verhütungsring (NuvaRing von MSD und Circlet von Pfizer) zur intravaginalen Anwendung
Bei den hormonalen Kontrazeptiva handelt es sich um Östrogen/Gestagenpräparate, die oral oder parenteral verabreicht werden können. Auch eine Kombination von Östrogenen mit Gestagenen in einem Präparat ist möglich.
Andere Methoden
Neben den bereits genannten Methoden gibt es noch die Möglichkeit der Empfängnisverhütung über Intrauterinpessare (IUP). Das sicherste Mittel ist die operative Sterilisation durch Tubenligatur, die aber unter Umständen irreversibel sein kann.
Kontrazeption ohne Hilfsmittel
Methoden ohne Hilfsmittel werden häufig unter dem Begriff "natürliche Kontrazeption" zusammengefasst und als unsicher bezeichnet. Tatsächlich muss in diesem Bereich zwischen verschiedenen Methoden, die in ihrer Sicherheit stark variieren, unterschieden werden. Als natürliche Familienplanung werden Methoden bezeichnet, mit denen durch Zyklusbeobachtung fruchtbare und unfruchtbare Phasen im weiblichen Zyklus identifiziert werden und die Kohabitation zeitlich auf die unfruchtbare Zeit beschränkt wird. Dazu gehören z.B. die Temperaturmethode, die Kalendermethode und die symptothermale Methode. Letztere soll mit einem Pearl-Index von 0,4 bezüglich der Sicherheit im Bereich hormoneller Verhütungsmethoden liegen. Entgegen der häufig noch verbreiteten Aussage ist für eine Anwendung dieser Methode kein regelmäßiger, stabiler Menstruationszyklus nötig.
…beim Mann
Coitus interruptus
Der Coitus interruptus ist eine Methode der Empfängnisverhütung ohne Hilfsmittel. Nach heutigen Erkenntnissen sollte er aber nicht mehr als empfängnisverhütendes Mittel bezeichnet werden, da bereits das Präejakulat des Mannes, das schon weit vor der Ejakulation abgesondert wird, eine gewisse Zahl befruchtungsfähiger Samenzellen enthält und somit zu einer Befruchtung führen kann.
Barrieremethoden
Eine gängige Methode der männlichen Kontrazeption ist die Verwendung eines Präservativs (Kondom). Es bildet eine mechanische Barriere vor der Urethramündung an der Eichel, die den Eintritt des Ejakulats bzw der Samenzellen in die Vagina verhindert.
Hormonale Kontrazeption
Für die hormonelle Kontrazeption beim Mann existieren zur Zeit (2023) keine etablierten bzw. zugelassen Optionen. Im Rahmen von Studien werden insbesondere transdermal applizierbare Gele mit Testosteron und Nestostoron sowie orale vollsynthetische Steroide wie Dimethandrolon-Undecanoat (DMAU) oder 11β-Methyl-19-Nortestosterone-Dodecylcarbonat (11β-MNTDC) getestet.
Andere Methoden
- Vasektomie: Bei diesem Eingriff unterbricht man dem Samenleiter innerhalb des Hodensackes. Er führt zu Zeugungsunfähigkeit bei ungeschmälerter Potenz.
- Hodenringe (z.B. Thoreme®): Silikonringe, die über Penis und Skrotum gezogen werden, wobei der Ring die Hoden in den Leistenkanal schiebt und somit einen Kryptorchismus herbeiführt. Dies soll die Hodentemperatur um 2° auf 37°C anheben und somit die Zahl der Spermien signifikant reduzieren. Dabei muss der Ring jeden Tag für 15 Stunden getragen werden. Nebenwirkungen sind Hauterscheinungen, leichte Schmerzen, Störungen des Harnsystems und eine veränderte Erektion. Die Wirksamkeit muss noch im Rahmen von Studien gepräft werden. Ob der artifizielle Kryptorchismus mit einem erhöhten Karzinomrisiko einhergeht, ist ebenfalls unklar.
- Injektionen von Hydrogelen in die Samenleiter: Hydrogele bestehen aus einem wasserenthaltenden und gleichzeitig wasserunlöslichem Polymer, das mittels minimal-invasiver Prozedur in die Samenleiter injiziert wird und diese verschließt. Die Hydrogele verflüssigen sich entweder von selbst oder der Verschluss wird mittels Bikarbonat-Injektion rückgängig gemacht, was die Reversibilität des Verfahrens gewährleistet. Derzeit befindet sich Produkte in einer Phase-1-Studie.
- Samenleiterventil (bisher keine Studien)
- Blockade des Retinsäure-Rezeptors (RAR-α) durch YCT529: bisher nur Tierversuche
- Triptonid: bisher nur Tierversuche.
Zuverlässigkeit
Die Zuverlässigkeit der Verhütungs-Methode wird als Pearl-Index angegeben, der ausdrückt, wie viele von 100 Frauen bei Anwendung der jeweiligen Methode über den Zeitraum eines Jahres hin schwanger werden ("Zahl der ungewollten Schwangerschaften auf 1200 Anwendungsmonate"). Je niedriger der Pearl-Index, desto geringer die Versager-Quote, je höher der Index, desto unzuverlässiger ist die Methode.
Methode | Pearl-Index |
---|---|
Vasektomie beim Mann | 0,1 |
Sterilisation der Frau | 0,1 bis 0,3 |
hormonelle Implantate | 0 bis 0,5 |
Kupferkette | 0,1 bis 0,5 |
Mikropille | 0,2 bis 0,5 |
Intrauterinpessar | 0,3 bis 0,8 |
symptothermale Methode | 0,4 bis 1,8 |
Minipille | 0,8 bis 1,5 |
Temperaturmethode | 0,8 bis 3 |
Spermizid | 3 bis 25 |
Diaphragma + Spermizid | 4 |
Kondom | 7 bis 14 |
Coitus interruptus | 10 bis 38 |
ungeschützter Geschlechtsverkehr | 80 bis 85 |
Zu den sichersten Kontrazeptiva (abgesehen von Vasektomie und Tubensterilisation) gehören also hormonelle Implantate und die Kupferkette mit einem Pearl-Index zwischen 0 und 0,5. Mechanische Kontrazeptiva (Kondom, Scheidendiaphragma etc.) sind weniger zuverlässig. Mit Abstand am unzuverlässigsten ist der Coitus interruptus.
Anwendung
In Deutschland ist Kontrazeption bei Paaren absolut gängig und gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. Lediglich einige religiöse Gruppen, wie die katholische Kirche, sehen sie kritisch. Mehr als jedes zweite Paar verhütet mit der Pille, knapp 20 % nur mit Präservativ, über 10% mit der Spirale, ca. 7 % lassen sich sterilisieren. Andere Methoden sind weniger verbreitet.
Dass die wesentliche Rolle bei der Kontrazeption nach wie vor der Frau zukommt, liegt zum einen der verbreiteten Einstellung des Mannes, die Verantwortung von sich weisen, zum anderen aber auch an medizinisch naheliegenden Gründen, nämlich dass die meisten als sicher geltenden Verhütungsmethoden für Frauen, nicht aber für Männer anwendbar sind.
Links
siehe auch: Kontrazeptivum, Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft