Orales Kontrazeptivum
Synonyme: "Pille", Anti-Baby-Pille
Englisch: oral contraceptive, combined oral contraceptive pill (COCP)
Definition
Als orales Kontrazeptivum, umgangssprachlich auch Pille, bezeichnet man Verhütungsmittel (Kontrazeptiva), die per os eingenommen werden. Sie beruhen auf dem Prinzip der hormonalen Kontrazeption.
Geschichte
Die erste Pille kam in Deutschland 1961 auf den Markt. Zunächst war sie nur für verheiratete Frauen mit vorliegendem Einverständnis des Ehemannes erhältlich. Erst ab dem Jahr 1972 ist die Pille offiziell für jede Frau verfügbar.
Wirkungsweise
Orale Kontrazeptiva beinhalten eine Kombination aus Östrogen und Gestagen oder bestehen ausschließlich aus Gestagen. Die kontrazeptive Wirkung der Pille beruht auf der gehemmten Freisetzung des Gonadotropin-Releasing-Hormons aus dem Hypothalamus und somit einer verringerten Ausschüttung von LH und FSH aus der Hypophyse. Durch die Hemmung der Hormonfreisetzung wird der Eisprung verhindert.[1]
Des Weiteren haben die negativen Wirkungen von Gestagen auf die Motilität der Tuben, den Zervixschleim und die Empfänglichkeit des Endometriums einen kontrazeptiven Effekt.[2]
Der Pearl-Index beträgt 0,2-0,7.[3]
Einteilung
Minipille
Minipillen enthalten nur Gestagene.
Mikropille
Die Mikropille ist ein Kombinationspräparate aus Östrogenen und Gestagenen. Bei der Mikropille kann man eine weitere Unterteilung vornehmen in:
- Einphasenpräparat: über den gesamten weiblichen Zyklus gleichbleibende Hormondosis
- Zweiphasenpräparat: während der ersten Einnahmephase nur östrogenhaltiges Präparat, während der zweiten Phase Kombinationspräparat (östrogen- und gestagenhaltig)
- Zweistufenpräparat: gleichbleibende Östrogendosis, Gestagendosis wird innerhalb des Zyklus einmal gesteigert
- Dreistufenpräparat: gleichbleibende Östrogendosis, Gestagendosis wird innerhalb des Zyklus zweimal gesteigert
Einteilung nach Generationen
Die Einteilung in sogenannte Generationen (Pille der ersten bis vierten Generation) orientiert sich an der Reihenfolge der pharmazeutischen Entwicklung von neuen Gestagenen.
Nebenwirkungen
Eine Auswahl an möglichen Nebenwirkungen oraler Kontrazeptiva wird in der folgenden Tabelle differenziert hinsichtlich östrogen- und gestagenabhängigen Nebenwirkungen:[2]
Östrogenabhängige Nebenwirkungen | Gestagenabhängige Nebenwirkungen | |
---|---|---|
Brust | Mastodynie, Mastopathie | |
Libido | Verminderung der Libido | |
Zyklus | Hypermenorrhö | Hypomenorrhö |
Haut | Trockene Haut, Hyperpigmentation | Haarausfall, Exantheme, Seborrhö |
Gewicht | Schnelle Gewichtszunahme | Allmähliche Gewichtszunahme |
Weitere | Übelkeit, Kopfschmerzen | Müdigkeit, Antriebsarmut |
Eine weitere, aber seltene Komplikation ist die Entstehung von Leberzelladenomen. Diese bilden sich jedoch nach Absetzen der Pille wieder zurück.[4]
Thromboserisiko
Eine wichtige Komplikation, die durch die Einnahme der Pille entstehen kann, ist die Entstehung einer tiefen Venenthrombose und Thrombembolie. Ursächlich ist eine Aktivierung der Gerinnung durch Östrogen. Mit steigender Östrogendosis nimmt auch die Inzidenz der tiefen Venenthrombosen und Thrombembolien zu.[1]
Nicht nur die Höhe der Östrogendosis, sondern auch die Art des eingesetzten Gestagens haben einen Einfluss auf das Thromboserisiko und können dieses modifizieren.[5][6] Das Risiko für venöse thromboembolische Ereignisse ist bei Pillen der dritten Generation (enthaltende Gestagene sind Gestoden oder Desogestrel) höher als bei Pillen der zweiten Generation (Levonorgestrel).[7][8]
Das Risiko für thromboembolische Komplikationen unter Einnahme der Pille ist insbesondere erhöht, wenn prädisponierende Faktoren vorliegen. Dazu zählen unter anderem Rauchen, ein erhöhter BMI, ein erhöhtes Lebensalter und das Vorliegen von Gerinnungsstörungen.[4]
Vorteile
Orale Kontrazeptiva können einen positiven Einfluss auf die folgenden Punkte haben:[4][3]
- Dysmenorrhoe
- Akne
- gutartige Brusterkrankungen
- funktionelle Ovarialzysten
- Blutungstärke
- Hirsutismus
- prämenstruelles Syndrom
Es wird vermutet, dass die Pille das Risiko für Endometrium- oder Ovarialkarzinome reduziert.[9] Auf die spätere Fertilität hat die Pille vermutlich keinen negativen Effekt.[4]
Anwendung
Vor Beginn der Einnahme eines oralen Kontrazeptivums und dessen Verschreibung durch den behandelnden Arzt sollte eine ausführliche allgemeine und gynäkologische Anamnese durchgeführt und die Patientin über die Vor- und Nachteile der Pille aufgeklärt sowie über andere mögliche Verhütungsmethoden beraten werden.[2]
Es wird empfohlen das jeweilige Präparat individuell auszuwählen. Faktoren wie das Alter der Patientin, die Compliance oder auch bestehende Risikofaktoren können dabei berücksichtigt werden. Wenn möglich, sollte zu Beginn ein niedrig dosiertes Präparat gewählt werden.[2]
Die Patientin sollte über die richtige Einnahme und über mögliche Einschränkungen der Wirksamkeit durch Erbrechen, Durchfall oder verschiedene Medikamente (z.B. Johanniskraut) aufgeklärt werden.[2]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Orale Kontrazeptiva - Gynäkologie und Geburtshilfe - MSD Manual Profi-Ausgabe, abgerufen am 03.11.2021
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Kaufmann et al. Die Gynäkologie. Springer-Verlag, 3. Auflage, 2013
- ↑ 3,0 3,1 Oppelt, Dörr. Methoden der Kontrazeption. Kinder- und Jugendgynäkologie. Thieme-Verlag, 2015
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 Felberbaum, Diedrich. Orale Kontrazeptiva, Der Gynäkologe, 1997
- ↑ Arzneimitteltherapie - Gestagene können das Risiko für Thromboembolien beeinflussen, abgerufen am 10.11.2021
- ↑ Klein. Thromboserisiko: Östrogen ist der Bösewicht!, CME, 2017
- ↑ Welche Antibabypillen gibt es? | Die Techniker, abgerufen am 03.11.2021
- ↑ Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, abgerufen am 03.11.2021
- ↑ Karlsson et al. Time-Dependent Effects of Oral Contraceptive Use on Breast, Ovarian, and Endometrial Cancers, Cancer research, 2021
Literatur
- Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung, abgerufen am 29.10.2021
- Süddeutsche Zeitung - Mythos und Meilenstein - 60 Jahre Pille in Deutschland, abgerufen am 29.10.2021
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