Hydrogel
Synonym: Hydrophiles Gel
Definition
Als Hydrogel bezeichnet man Gele mit einem hohen Wassergehalt. Sie bestehen aus hydrophilen, aber wasserunlöslichen Polymeren, die in Wasser unter weitgehender Formerhaltung beträchtlich aufquellen können.
Struktur
Hydrogele liegen als dreidimensionale Netzwerke vor. Die Fähigkeit von Hydrogelen, Wasser zu absorbieren, ergibt sich aus hydrophilen funktionellen Gruppen, die an das Polymergerüst gebunden sind, während ihre Beständigkeit gegen Auflösung aus Vernetzungen zwischen den Netzwerkketten resultiert. Das Polymermaterial kann also zu einem beträchtlichen Volumen quellen, ohne dass sich dabei der stoffliche Zusammenhalt des Polymers löst. Abhängig von den Eigenschaften des verwendeten Polymers sowie von der Art und Dichte der Netzwerkverbindungen können Hydrogele unterschiedliche Mengen an Wasser binden. Sie besitzen darüber hinaus einen hohen Grad an Flexibilität, der biologischen Geweben aufgrund ihres hohen Wassergehalts sehr ähnlich ist.
Zusammensetzung
Hydrogele enthalten neben dem Gelbildner und Wasser oft Feuchthaltemittel (z.B. Glycerol, Sorbitol, Propylenglycol). Sie schützen das Gel einerseits vor Austrocknung, zum anderen machen sie es streichfähiger. Da Hydrogele aufgrund des hohen Wasseranteils mikrobiell anfällig sind, enthalten sie oft Konservierungsmittel (z.B. Sorbinsäure, PHB-Ester).
Als Gelbildner von Hydrogelen werden verschiedene Substanzen verwendet. Man unterscheidet zwischen anorganischen und organischen Gelbildnern.
Anorganische Gelbildner
- Bentonit ("Quellton"): Besteht aus einem quellfähigen, kolloiden Aluminium-Schichtsilikat, das ein Laminarkolloidgerüst ausbildet. Es ist die Grundlage von Bentonitgelen.
- Hochdisperses Siliciumdioxid: Das Gelgerüst (Sphärokolloidgerüst) entsteht über Wasserstoffbrückenbindungen. Zur Gelbildung werden jedoch hohe Konzentrationen an SiO2 benötigt. Das gilt nicht beim Zusatz von nichtionogenen Tensiden, da sie das Gelbildungsvermögen von Siliziumdioxid deutlich erhöhen. Durch Zugabe von Glycerol entstehen klare, stark thixotrope Hydrogele, die häufig in der Zahnheilkunde Anwendung finden. Das Glycerol sorgt für eine Angleichung des Brechungsindex der wässrigen Phase auf den Brechungsindex des Siliziumdioxids.
Organische Gelbildner
- Natürliche Gelbildner umfassen Proteine und Polysaccharide:
- Gelatine: Ein aus tierischem Bindegewebe gewonnenes Protein
- Alginat: Ein Salz der aus Braunalgen gewonnenen Alginsäure, bestehend aus verknüpfter Glucuronsäure und Mannuronsäure
- Xanthangummi: Heteropolysaccharid, bestehend aus Glucose, Mannose und Glucuronsäure, das aus dem Mikroorganismus Xanthamonas campestris gewonnen wird
- Guargummi: Endosperm der Guarbohne, bestehend aus einem Galaktomanan mit Mannose und Galaktose
- Halbsynthetische Gelbildner:
- Celluloseether, die Cellulosegele bilden
- Vollsynthetische Gelbildner:
- Poloxamere: Blockpolymere aus Polyethylenglycol- und Polypropylenglycolblöcken bilden die sogenannten Tensidgele.
- Carbomere, die Polyacrylatgele bilden
Gelatine und Galaktomanane bilden ihre Gelgerüste durch Ausbildung helikaler Strukturen durch zwei Polymerstränge. Es bilden sich Hydrogele, die rheodestruktiv sind, d.h. ein durch Scherung irreversibel zerstörtes Gel kann ohne Temperatureinfluss nicht mehr in den Gelzustand zurückgeführt werden. Sie besitzen allerdings thermoreversible Sol-Gel-Übergänge.
Alginate verfügen über eine ionotrope Gelbildung. Es kommt zur Quervernetzung von ionischen Molekülen durch mehrwertige Kationen. Im Falle des Alginats führen Calciumionen zur sogenannten "Egg-Box"-Struktur.
Eigenschaften
Hydrogele sind aufgrund ihres hohen Wassergehalts sehr streichfähig und feuchtigkeitsspendend. Sie sind in der Regel fettfrei und somit abwaschbar. Beim Auftragen auf die Haut kommt es zur Verdunstung des Wassers. Die dabei entstehende Verdunstungskälte schafft einen kühlenden Effekt. Hydrogele liegen in Form von Kompressen oder Tubengel vor.
Einteilung
Die Klassifikation der Hydrogele kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen:
...nach Herkunft
Man unterscheidet einerseits zwischen natürlich vorkommenden und synthetisch hergestellten Hydrogelen. Die natürlichen Hydrogele wurden v.a. in den letzten zwei Jahrzehnten schrittweise durch synthetische Varianten ersetzt, die eine lange Lebensdauer, eine hohe Wasserabsorptionskapazität sowie eine hohe Gelstärke aufweisen, die auch unter extremen Temperaturschwankungen stabil ist. Sie werden traditionell unter Verwendung chemischer Polymerisationsverfahren hergestellt.
...nach Polymerzusammensetzung
Die verschiedenen Herstellungsmethoden führen zur Bildung unterschiedlicher Hydrogel-Klassen. Man unterscheidet in diesem Zusammenhang:
- Homopolymer: Das Polymernetzwerk ist von einer einzelnen Monomerspezies abgeleitet. Es handelt sich also um eine grundlegende Einheit in der Struktur, die eine beliebige vernetzte Gerüststruktur aufweist.
- Copolymerhydrogel: Besteht aus zwei oder mehr verschiedenen Monomerspezies mit mindestens einer hydrophilen Komponente, die in einer zufälligen Block- oder Wechselkonfiguration entlang der Kette des Polymernetzwerks angeordnet ist.
- Multipolymer-interpenetrierendes polymeres Hydrogel (IPN): Besteht aus zwei unabhängigen vernetzten, synthetischen und/oder natürlichen Polymerkomponenten. In einem semi-IPN-Hydrogel besteht eine Komponente aus einem vernetzten Polymer und die andere Komponente aus einem nicht-vernetzten Polymer.
...nach Konfiguration
Die molekularen Komponenten der Hydrogele können wie folgt klassifiziert werden:
- Amorph: ungeordnet, d.h. nicht kristallin
- Teilkristallin: komplexe Mischung aus amorphen und kristallinen Phasen
- Kristallin:
...nach Art der Vernetzung
Hydrogele können basierend auf den Vernetzungsübergängen in zwei Kategorien unterteilt werden:
- Chemisches Netzwerk: Netzwerke weisen permanente Übergänge auf.
- Physikalisches Netzwerk: Es bestehen transiente Übergänge, die entweder aus Verwicklungen der Polymerketten oder aus physikalischen Wechselwirkungen wie elektrostatischen Anziehungskräften, Wasserstoffbrückenbindungen oder hydrophoben Wechselwirkungen resultieren.
...nach elektrischer Ladung
Hydrogele können auf der Grundlage der Anwesenheit oder Abwesenheit elektrischer Ladung an den vernetzten Ketten in vier Gruppen eingeteilt werden:
- Nichtionisch: neutral
- Ionisch: anionisch oder kationisch
- Ampholytisch: enthält sowohl saure als auch basische Gruppen.
- Zwitterion (Polybetain): enthält sowohl anionische als auch kationische Gruppen in jeder strukturellen Wiederholungseinheit.
Medizinische Bedeutung
Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften werden Hydrogele in der Wundversorgung verwendet. Sie sind dabei insbesondere zum Feuchthalten oder zur Rehydrierung trockener Wunden (z.B. Nekrosen oder Wunden in der Granulations- oder Epithelisierungsphase) geeignet. Bei juckenden Hauterkrankungen spenden sie Linderung durch ihren kühlenden Effekt. Je nach Indikation kann ein Hydrogel bestimmte Wirkstoffe enthalten, um den Heilungsprozess zu beschleunigen.
Hydrogele finden zum Beispiel Anwendung bei:
- Insektenstichen
- Sonnenbrand
- Sportverletzungen
- rheumatischen Beschwerden
Literatur
- Enas M.Ahmed: Hydrogel: Preparation, characterization, and applications: A review letzter Zugriff am 22.01.2021
- Halbfeste Zubereitungen zur kutanen Anwendung letzter Zugriff am 22.01.2021