Kammerflimmern
Synonyme: Ventrikuläre Fibrillation, VF
Englisch: ventricular fibrillation, V-fib, VF
Definition
Kammerflimmern, kurz VF, ist eine akut lebensbedrohliche Tachyarrhythmie des Herzens, bei der die Kammerfrequenz stark erhöht (>320/min) ist und die mechanische Pumpfunktion des Herzens zum Erliegen kommt. Kammerflimmern ist ein lebensbedrohlicher Notfall und erfordert eine sofortige Reanimation.
Hintergrund
Während des Kammerflimmerns ist die Weiterleitung der elektrischen Signale im Herzen (Erregungsleitungssystem des Herzens) gestört. Die Muskelfasern des Herzens kontrahieren unkoordiniert, so dass die Blutversorgung des Körpers nicht mehr gewährleistet ist. Die Betroffenen werden bereits nach einer kurzen Zeit bewusstlos.
Das Kammerflimmern ist die am stärksten ausgeprägte Form der ventrikulären Tachykardie. Reagiert es nicht auf Therapiemaßnahmen, spricht man von einem therapierefraktären Kammerflimmern, kurz RVF.
Ursachen
Kardiovaskuläre Ursachen
- Myokardischämie bei Herzinfarkt oder Koronarer Herzkrankheit
- Herzinsuffizienz
- Myokarditis
- Kardiomyopathie
- Arterielle Hypertonie
- Angeborene Herzfehler
- Long-QT-Syndrome
Medikamente
- Antiarrhythmika (Klasse I und III)
- Antibiotika
- Antidepressiva
- Neuroleptika
Traumata
Andere Ursachen
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie des Kammerflimmerns ist komplex und bislang (2022) noch nicht vollständig geklärt. Als auslösende Faktoren kommen u.a. in Betracht:
- Automatizität: Hypoxische Kardiomyozyten sind durch das pathologische Umgebungsmilieu (Azidose, erhöhte extrazelluläre Kaliumkonzentration) verstärkt erregbar und können so im Herzventrikel zu irregulären Schrittmacherzellen werden.
- Reentry-Mechanismen: Kreisende Errregung in ischämischen Myokardarealen
- Getriggerte Aktivität: Irreguläre Impulsbildung in Myokardfasern durch Nachdepolarisationen
Diagnostik
Kammerflimmern wird mithilfe eines EKGs diagnostiziert. Der Kurvenverlauf zeigt unregelmäßige hochfrequente Flimmerwellen mit einer Frequenz von mehr als 320/min. Es sind keine einzelnen QRS-Komplexe mehr abgrenzbar. Zwischen Kammerflattern und Kammerflimmern besteht ein fließender Übergang.
Therapie
Akutphase
Bei Auftreten von Kammerflimmern erfolgt eine externe Defibrillation mit 360 J (monophasisch) oder 120 bis 200 J (biphasisch) sowie eine sofortige Reanimation gemäß geltenden Guidelines (Herzdruckmassage 30x, Beatmung 2x).
Die Defibrillation ist die wirksamste Therapie des Kammerflimmerns. Sie sollte so früh wie möglich durchgeführt werden. Jede Minute ohne Defibrillation verschlechtert die Chancen einer erfolgreichen Wiederbelebung um etwa 10 %.
Bei erfolgloser dreimaliger Defibrillation werden intravenös Katecholamine (Adrenalin) und ein Klasse-III-Antiarrhythmikum gegeben und erneut defibrilliert. Bei weiterhin instabilem Herzrhythmus folgt die Schnellaufsättigung mit Amiodaron (300 mg i.v.)
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Rezidivprophylaxe
Vor allem Patienten mit einem Kammerflimmern nach Myokardinfarkt haben innerhalb von 48 Stunden ein hohes Rezidivrisiko. Um einen plötzlichen Herztod und weitere tachykarde Rhythmusstörungen zu verhindern, wird ein ICD implantiert. Zusätzlich ist eine orale Therapie mit Amiodaron oder Sotalol angezeigt.