Koronarangiografie
Synonyme: Koronarangiographie, Konventionelle Koronarangiografie, Selektive Koronarangiografie
Englisch: coronary angiography
Definition
Die Koronarangiografie ist ein invasives bildgebendes Verfahren, das mit Hilfe von Kontrastmitteln den Innenraum (Lumen) der Herzkranzgefäße sichtbar macht. Sie ermöglicht damit die Darstellung von Koronarstenosen. Die Untersuchung wird mit Hilfe eines Linksherzkatheters durchgeführt.
Das Untersuchungsergebnis nennt man Koronarangiogramm.
Ablauf
Als Zugang für den Katheter dient meist die Arteria femoralis, alternativ ist aber auch ein Zugang über die Arteria radialis möglich. Nachdem der Linksherzkatheter vorgeschoben und in der Aorta ascendens in die richtige Position gebracht wurde, wird schubweise ein Kontrastmittel durch den Katheter injiziert, das sich in den Koronararterien verteilt. Den Injektionsvorgang und die Perfusion der Koronararterien dokumentiert man mittels Röntgendurchleuchtung. Die Bildfolge wird auf einem digitalen Speichermedium abgelegt und anschließend analysiert.
Projektionen
Bei der Koronarangiografie werden spezielle Projektionen verwendet, um die Koronargefäße ohne Verzerrung darzustellen und Überlagerungen zu vermeiden. Der Strahlengang wird dazu in verschiedenen Winkeln zur Medianebene sowie zur Horizontalebene eingestellt. Bei einer RAO-Projektion befindet sich der Bildverstärker rechts vom Patienten, bei einer LAO-Projektion links vom Patienten. Zusätzlich wird der Bildverstärker nach kranial oder kaudal anguliert. Zur Beurteilung der linken Koronararterie werden bei der Koronarangiografie zum Beispiel folgende 6 Standardprojektionen genutzt:
- RAO 5-15°
- RAO 30° kaudal 20°
- RAO 10-30° kranial 20°
- LAO 50-60° kranial 20°
- LAO 40-50° kaudal 20° ("Spider-View")
- Linkslaterale Projektion (90°)
Indikationen
Die Indikation zur diagnostischen Koronarangiographie wird von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens relevanter Koronarstenosen auf der Basis von Alter, Geschlecht und Symptomen abhängig gemacht. Wenn eine Wahrscheinlichkeit unter 15 % vorliegt, wird zunächst keine weitere Diagnostik empfohlen. Liegt die Wahrscheinlichkeit zwischen 15 und 85 %, ist eine nichtinvasive Diagnostik angezeigt. Eine Wahrscheinlichkeit über 85% macht eine Koronarangiografie notwendig. Darüber hinaus ist eine diagnostische Koronarangiografie in folgenden Situationen gerechtfertigt:
- akutes Koronarsyndrom
- anhaltende höhergradige Angina pectoris (CCS-Klasse III und IV) unter medikamentöser Therapie
- Angina pectoris mit erstmals diagnostizierter eingeschränkter linksventrikulärer Funktion (EF < 50 %)
- Nachweis pathologischer Veränderungen der Koronararterien in nichtinvasiven Untersuchungen - vor allem wenn die KHK-Symptome medikamentös nicht beherrschbar sind
Beurteilung
Bei der Befundung der Koronarangiografie werden der Stenosegrad, die Stenosemorphologie und die Koronardurchblutung (TIMI-Klassifikation) beurteilt.
Stenosegrad
Koronarstenosen werden in Prozent des ursprünglichen Lumens angegeben. Für diese Angabe wird der Längsdurchmesser, nicht der Querschnitt verwendet. Ab einer Einengung des Längsdurchmessers von 25% liegt nach den Kriterien der American Heart Association (AHA) eine geringgradige Koronarstenose vor.
AHA-Einteilung der Koronarstenosen | ||||
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Grad | Stenose | Beschreibung | ||
Längsdurchmesser | Querschnitt | |||
0 | < 25 % | < 44 % | diffuse Koronarsklerose, Konturunregelmäßigkeiten | |
I | 25 - 50 % | 45 - 75 % | geringradige Stenose | |
II | 50 - 75 % | 75 - 94 % | mittelgradige Stenose | |
III | 75 - 90 % und > 90 % | 94 - 99 % und > 99 % | hochgradige bzw. kritische Stenose | |
IV | 100 % | kompletter Gefäßverschluss |
Stenosemorphologie
Des Weiteren werden die Koronarstenosen nach ihrer Morphologie differenziert:
AHA-Einteilung der Stenosemorphologie | |
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Stenose-Typ | Morphologie |
A |
|
B |
B1 = 1 Kriterium erfüllt; B2 = 2 oder mehr Kriterien erfüllt |
C |
C1 = 1 Kriterium erfüllt; C2 = 2 oder mehr Kriterien erfüllt |
Aussagekraft
Die konventionelle Koronarangiografie ist derzeit (Stand 2019) noch die Methode mit der höchsten Aussagekraft bei atherosklerotischen Veränderungen der Koronararterien.
Risiken
Als invasive Methode ist die Koronarangiografie nicht ohne Risiken. Zu ihnen gehören unter anderem:
- Kontrastmittelunverträglichkeit
- Gefäßkomplikationen (Gefäßverschluß, Gefäßverletzung, Aneurysma falsum, Fistel)
- Nervenverletzungen (Sensibilitätsstörungen)
- Kardiale Komplikationen
- Zerebrale Embolien
- Lungenödem
Dazu kommen unspezifische Risiken wie Hämatom, Nachblutung, verzögerte Wundheilung oder Infektion.
Bei lege artis durchgeführter Technik ist die Häufigkeit schwerwiegender Komplikationen relativ gering und liegt in spezialisierten Zentren meist unter 1 %. Als Qualitätskennzahl wird die Anzahl der schweren kardialen und zerebrovaskulären Komplikationen (MACCE) verwendet.
Die Koronarangiografie erzeugt durch die Dauer der Untersuchung eine vergleichsweise hohe Strahlenbelastung.
Alternativen
Als Alternative zum konventionellen Vorgehen kommt die so genannte "virtuelle" Koronoarangiografie in Betracht. Hier werden 2 Verfahren eingesetzt:
- Koronare Magnetresonanz-Angiografie (Kardio-MRT)
- Nichtinvasive CT-Koronarangiografie
Der Vorteil dieser Methoden liegt darin, dass sie nicht-invasiv, d.h. deutlich risikoärmer sind. Beim Kardio-MRT kommt noch die geringere Strahlenbelastung hinzu. Die Aussagekraft der Untersuchungen wird unterschiedlich beurteilt, so dass sie zur Zeit (2022) in Deutschland vor allem als Filteruntersuchungen zum Einsatz kommen. Mit zunehmender Verbesserung der Bildauflösung, insbesondere des MRT, werden sie die konventionelle Technik jedoch zunehmend verdrängen.