Schilddrüsenhormone
Englisch: thyroid hormones
Definition
Schilddrüsenhormone sind Botenstoffe (Hormone), die von der Schilddrüse gebildet und ausgeschüttet werden oder durch Modifikation der primären Schilddrüsenhormone in anderen Körperzellen entstehen.
Einteilung
Man unterscheidet Schilddrüsenhormone aus zwei Substanzklassen und mehreren Unterklassen:
- Echte Schilddrüsenhormone, die auf dem Thyronamin-Grundkörper aufbauen
- Iodothyronine
- Thyroxin (T4)
- Triiodthyronin (T3)
- Reverse-T3
- 3 verschiedene Diiodthyronine
- 2 weitere Monoiodthyronine
- Iodothyroacetate
- Thyronamine
- Iodothyronine
- Peptidhormone
Noch wenig erforschte Derivate der Iodothyronine sind Iodothyroacetate und Thyronamine.
Biochemie
Synthese
Die Schilddrüsenhormonsynthese erfolgt an der Außenseite der Plasmamembran der Epithelzellen der Schilddrüsenfollikel. Die Schilddrüsenhormone sind zwar Tyrosinderivate, die Synthese erfolgt aber an Tyrosinresten des Thyreoglobulins. Dabei gibt es drei Schritte:
- Aufnahme von Iodid bzw. Iodination: Iodid wird unter dem Einfluss von TSH basolateral durch einen Na/I-Symporter aus dem Blutplasma aufgenommen und apikal durch einen Cl/I-Austauscher (Pendrin) ins Lumen der Follikel abgegeben. Dabei wird es etwa 20-50fach angereichert.
- Iodierung bzw. Iodisation: Das negativ geladene Iod muss zunächst radikalisiert werden. Dies geschieht mittels H2O2, welches durch die NADPH-Oxidase gebildet wird. Die letztendliche Substituierung wird durch die Thyreoperoxidase katalysiert. Sie überträgt die Iodionen-Radikale auf Tyrosinreste. Wenn ein Iod substituiert wird, entsteht Monoiodtyrosin (MIT), bei zwei Iod dementsprechend Diiodtyrosin (DIT). Im Rahmen der Iodisation wird vor allem DIT gebildet, etwas weniger MIT. Auch iodfreies Tyrosin ist noch vorhanden. Sowohl DIT als auch MIT und Tyrosin sind dabei mit ihren Alanylresten an Thyreoglobulin gebunden.
- Konjugation: Zum Teil können von der Alanyl-Peptidkette die Hydroxyphenylreste und deren Iod-haltige Derivate von DIT, MIT und Thyrosin als Semichinonradikale abgespalten und mit anderen, noch im Thyreoglobulinverband eingebundenen DIT-, MIT- und Tyrosin-Resten verethert werden. Vereinfacht gesprochen, entstehen dadurch aus 2 Molekülen DIT unter Ausbildung einer Etherbindung ein Molekül T4, bzw. aus einem Molekül DIT und einem Molekül MIT ein Molekül T3. Da es noch weitere Kombinationsmöglichkeiten gibt, können insgesamt 8 verschiedene Iodothyronine entstehen.
siehe Hauptartikel: Schilddrüsenhormonsynthese
Abbau
Die Halbwertszeit und Wirkungsdauer der Schilddrüsenhormone beträgt mehrere Stunden (T3) bis einige Tage (T4). Alle Iodothyronine werden in der Leber durch Glucuronidierung und Sulfatierung ihrer phenolischen 4'-OH-Gruppe metabolisiert. Dadurch werden sie wasserlöslich und teils renal eliminiert, teils mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden. Im Darm werden sie zum Teil hydrolysiert und als intakte Hormone oder in Form von Bruchstücken rückresorbiert.
Physiologie
Transport
Die Schilddrüsenhormone zählen zu den glandulären Hormonen. Die Sekretion geschieht per Diffusion, der Transport erfolgt im Blut zu über 99 % über Plasmaproteine und spezielle Transportproteine, u.a. Thyroxin-bindendes Globulin (TBG), Transthyretin (TTR), Thyroxin-bindendes Albumin (TBA) oder Präalbumin (TBPA). Diese gebundenen Schilddrüsenhormone können nicht in Körperzellen eindringen. Sie haben Speicherfunktion und werden erst durch Abspaltung von den Trägerproteinen aktiv. Nur ca. 0,3% der Schilddrüsenhormone liegen als freies T4 (fT4) und freies T3 (fT3) vor. Sie können in Körperzellen eindringen und sind damit wirksam für den Zellstoffwechsel. Die Aufnahme in die Zielzellen geschieht durch Transporter, hauptsächlich Monocarboxylat-Transporter (MCT).
Funktion
T4 und T3 steuern die Stoffwechselaktivität und die Differenzierung des Organismus, Calcitonin ist an der Regulation des Kalziumhaushalts beteiligt, spielt aber im Vergleich zu Parathormon und Vitamin D eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz dazu ist die Bedeutung von T3 und T4 für die Funktion und das Wachstum des Organimus sehr hoch.
Regulation
Hypothalamischer Regelkreis
Die Steuerung der Schilddrüsenhormonsekretion erfolgt über den Hypothalamus und die Hypophyse. Im Nucleus paraventricularis des Hypothalamus stimulieren aktivierte TRH-Neurone die Umwandlung von Pro-TRH zum Releasing-Hormon TRH (Thyreoliberin). Dies geschieht durch das Enzym Pro-TRH-Konvertase. TRH wird dann über das hypothalamisch-hypophysäre Pfortadersystem zum Hypophysenvorderlappen (HVL) transportiert. Im HVL dockt TRH an TRH-Rezeptoren an und stimuliert die Synthese und Auschüttung von TSH (Thyreotropin).
In der Schilddrüse bindet TSH an TSH-Rezeptoren der Follikelepithelzellen. Das stimuliert die Schilddrüse zu einer verstärkten Iodaufnahme und regt die Bildung der Schilddrüsenhormone T3 und T4 an, die in die Blutbahn sezerniert werden.
Der Hypothalamus verfügt über Rezeptoren, die kontinuierlich die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut registrieren. In Sinne einer negativen Rückkopplung unterdrückt ein hoher Hormonspiegel die weitere Bildung und Ausschüttung von TRH und damit von TSH. Für dieses hypothalamische Feedback hat T4 eine größere Bedeutung als T3, da T4 in einer höheren Konzentration vorliegt. Das Zusammenspiel von Hypothalamus, Hypophyse und Schilddrüse zur Aussteuerung des Hormonspiegels wird auch als thyreotroper Regelkreis bezeichnet.
Eine regelrechte Versorgung des Organismus mit Schilddrüsenhormonen nennt man Euthyreose. Die Euthyreose wird von einem durch TRH-Neuronen gesteuerten hypothalamischen Triggersystem ständig kontrolliert. Der Sollwert von T4 wird vorgegeben und kann bei verändertem Energiebedarf (Temperatur, Ernährung) angepasst werden.
Hypophysärer Regelkreis
Innerhalb des Hypophysenvorderlappens gibt es ein zusätzliches Ultrashort-Feedback, den Brokken-Wiersinga-Prummel-Regelkreis. Übermäßig sezerniertes TSH dockt an die TSH-Rezeptoren benachbarter TSH-produzierender Follikelzellen an und hemmt deren TSH-Produktion. So können Tagesschwankungen ausgeglichen werden.
Peripher-zellulärer Regelkreis
Nachdem fT4 von peripheren Körperzellen aufgenommen wurde, wird es Selen-abhängig durch Deiodasen zum 3- bis 5-fach wirksameren T3 umgewandelt, das an die nukleären T3-Rezeptoren andocken kann. Je nach Bedarf kann in der Zelle die Umwandlung von T4 entweder in das hochwirksame T3 durch 5'-Dejodierung oder in das unwirksame rT3 durch 5-Dejodierung erfolgen. Überschüssiges T3 und rT3 können wieder an das Blut abgegeben werden.
Labormedizin
Die laborchemische Bestimmung der Schilddrüsenhormone ist ein wichtiger Teil der Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen. Dabei wird routinemäßig der nicht an Transportproteine gebundende, aktive Hormonanteil gemessen, d.h. das "freie T3" bzw. "freie T4". Bei speziellen Fragestellungen wird das Gesamt-T3 bzw. Gesamt-T4 bestimmt, das auch den gebundenen Hormonanteil erfasst.
Klinik
Abweichend von der Euthyreose kann der Hormonspiegel bei pathologischen Vorgängen erhöht (Hyperthyreose) oder erniedrigt sein (Hypothyreose). Ein wichtige Schilddrüsenerkrankung, die mit einer Hyperthyreose einhergeht, ist der Morbus Basedow. TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK), die bei Morbus Basedow gebildet werden, stimulieren die TSH-Rezeptoren der Schilddrüse wie TSH selbst. Dadurch kommt es zu einer ungeregelten Produktion von Schilddrüsenhormonen.
Podcast
Quellen
- Manuskript "Schilddrüsenhormonsynthese" von Dr. med. Paul Wolters
- D. S. Cooper, P. W. Ladenson. The Thyroid Gland. In: D. G Gardner und D. Shoback. Greenspan's Basic & Clinical Endocrinology. McGraw-Hill, New York 2011. ISBN 9780071622431. S. 163-226
- P. Kopp. Thyroid Hormone Synthesis. In: L. E. Bravermann, D. S. Cooper. Werner & Ingbar's The Thyroid. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia 2013. ISBN 9781451120639. S. 48-74
- Mondal S, Raja K, Schweizer U, Mugesh G. Chemistry and Biology in the Biosynthesis and Action of Thyroid Hormones. Angew Chem Int Ed Engl. 2016 Jun 27;55(27):7606-30. doi: 10.1002/anie.201601116. PMID 27226395.
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Carly Mackler / Unsplash