Verbrennung
Synonyme: Verbrennungstrauma, Combustio
Englisch: burn
Definition
Die Verbrennung ist eine Schädigung von Gewebe, die durch die Einwirkung von Hitze, UV-Strahlung oder ionisierender Strahlung entsteht.
Hintergrund
Stromunfälle oder Chemieunfälle mit Verätzungen durch Säuren oder Laugen führen zu einem vergleichbaren Gewebeuntergang wie Verbrennungen, sodass teilweise analoge Behandlungsstrategien verfolgt werden. Das Gleiche gilt für Erfrierungen.
Epidemiologie
Die jährliche Inzidenz leichter Verbrennungen beträgt etwa 600 pro 100.000 Einwohner, während schwere Verbrennungen mit einer Inzidenz von rund 2 pro 100.000 Einwohner deutlich seltener auftreten. Hauptursache ist in etwa der Hälfte der Fälle eine direkte Flammeneinwirkung. In etwa 23 % ist eine Verbrühung ursächlich. Männer sind häufiger betroffen.[1]
Schädigungsmechanismus
Hitze kann auf mehreren Wegen zu einer Gewebeschädigung führen:
- Direkte Exposition gegenüber Feuer
- Kontakt mit heißen Flüssigkeiten (Verbrühung)
- Kontakt mit erhitzten Körpern (z.B. glühendes Metall)
- Reibung (z.B. Handflächenverbrennungen beim Abseilen aus Höhen)
- Kontakt oder Inhalation heißer Gase
UV-Strahlung führt primär zu einem Sonnenbrand. Ionisierende Strahlung kann ebenfalls zur Verbrennung führen, es kommt jedoch über die Verbrennung hinaus zu Strahlenschäden.
Pathophysiologie
Damit Hautzellen durch die direkte Hitzeeinwirkung geschädigt werden, ist eine Temperatur von mindestens 69 °C über 1 s notwendig. Diese Schädigung auf Zellebene führt zu einer Denaturierung der molekularen Gewebekomponenten mit Koagulationsnekrose. Sie bildet gemäß dem Zonenmodell nach Jackson den Kern der Verbrennungszone, die Nekrosezone. Darum herum sind schalenförmig zwei weitere Schädigungszonen angeordnet, die durch indirekte Mechanismen betroffen sind.
An die innere Nekrosezone schließt sich die Stasezone an. Hier liegen initial noch vitale Zellen vor. Durch vasokonstriktorische Entzündungsmediatoren oder direkte Schädigung der Kapillaren kommt es zur Hämostase und somit zur Ischämie des Areals. Im weiteren Verlauf kann das gesamte Gewebe der Stazezone durch die Minderperfusion untergehen und nekrotisch werden - dies bezeichnet man auch als "Nachbrennen".
Die äußerste Zone wird als Hyperämiezone bezeichnet. Hier kommt es im Rahmen der entzündlichen Begleitreaktion zur Vasodilatation und keinem Gewebeuntergang.[2] Von dieser Zone gehen später die Reparaturvorgänge (Wundheilung) aus.
Im Rahmen der Entzündung kommt es zu Kapillarlecks und damit einhergehender Ödembildung. In die Blutbahn können proinflammatorische Mediatoren freigesetzt werden, welche innere Organe schädigen. Durch die fehlende Haut verliert der Organismus Flüssigkeit, was bei größeren Verbrennungen zum Volumenmangelschock führen kann.
siehe auch: Verbrennungskrankheit
Einteilungen
Verbrennungsgrade
| Grad 1 | Grad 2 | Grad 3 |
|---|---|---|
| Epidermis | Dermis | Subkutis |
| Schmerzen | Schmerzen | Keine Schmerzen (Rezeptoren zerstört) |
| Erythem, Ödem, heilt mit Schuppung in Tagen bis Wochen | Erythem, Ödem, Bläschen, Bulla, heilt ohne Narbe in Wochen +/- Pigmentstörung | Weiss-Schwarz, Nekrose, Narbige Heilung (Hauttransplantation) +/- Keloid |
siehe Hauptartikel: Verbrennungsgrade
Häufig kann die Tiefenausdehnung der Verbrennungswunde nicht sofort bestimmt werden, da sich die Nekrosezone durch das "Nachbrennen" über 2-3 Tage weiter ausbreitet.
Klinisch ist insbesondere eine weitere Unterteilung der Verbrennungen 2. Grades notwendig. Oberflächlich-dermale Verbrennungen können meist konservativ versorgt werden und heilen i.d.R. innerhalb von 2-3 Wochen spontan. Tief-dermale Verbrennungen hingegen bedürfen meist einer chirurgischen Defektdeckung mit autologen Transplantaten.
Verbrannte Körperoberfläche
Um den Anteil der verbrannten Körperoberfläche abzuschätzen, kann man nach folgendem Schema vorgehen:
- Kopf + Hals: 9 %
- je Arm: 9 %
- je Rumpf vorne und hinten: 18 %
- je Bein: 18 %
- Genitalbereich: 1 %
siehe Hauptartikel: Neunerregel
Alternativ besteht die Möglichkeit, das Ausmaß der Verbrennung abzuschätzen, indem man die Größe der Handfläche (des Betroffenen!) zugrunde legt: Diese entspricht etwa 1 % der Körperoberfläche. Diese Methode bietet sich insbesondere bei Säuglingen und Kindern an.
Bei weniger als 5 % verbrannter Körperoberfläche besteht beim ansonsten Gesunden eine gute Prognose. Sind 5 - 20 % betroffen kommt es zu schwereren systemischen Auswirkungen, die Behandlung ist kompliziert. Sind mehr als 20 % betroffen, sollte die Behandlung intensivmedizinisch in einem speziell ausgerichteten Verbrennungszentrum erfolgen.
siehe auch: Verbrennung des Auges
Prognoseeinschätzung
Die Prognose von Patienten mit Verbrennungen kann mit Hilfe des Abbreviated Burn Severity Index (ABSI) nach Tobiasen oder anhand des Baux-Scores abgeschätzt werden.
Therapie
Notfallversorgung
Für die Erstmaßnahmen am Unfallort ist die Sicherung der Vitalfunktionen maßgeblich. Leicht zu merken sind die Erstmaßnahmen mit dem Merkbegriff "DR ABC":
- Danger – aus der Gefahr entfernen
- Response – ist der Patient bewusst und ansprechbar?
- Airways – Atemwege frei?
- Breathing – Spontanatmung?
- Circulation – Ist ein ausreichender Kreislauf vorhanden?
Bei Patienten mit schweren Verbrennungen sollten weitere potenzielle Verletzungen antizipiert werden.[1]
Atemwege
Bei Brandverletzten muss auf mögliche thermische Einwirkungen im Bereich der Atemwege geachtet werden. Typische Warnzeichen sind ein inspiratorischer Stridor sowie sichtbare enorale, laryngeale und zirkuläre Verbrennungen des Halses.[1] Aufgrund sich ausbildender Ödeme kann es im Rahmen der Erstversorgung bzw. des Transports rasch zu einer Gefährdung der Atemwege kommen. Daher sollte bei Anzeichen eines möglicherweise gefährdeten Atemwegs eine frühzeitige Atemwegssicherung erwogen werden. Goldstandard ist die endotracheale Intubation. Bei der Durchführung sollte ein schwieriger Atemweg antizipiert werden. Eine Oberkörperhochlagerung sowie der Verzicht auf eine ungezielte Flüssigkeitsgabe können die Schwellung vermindern. Die prophylaktische Gabe von Kortison ist nicht empfohlen.[1]
Beatmung
Die Beatmung bei Patienten mit Inhalationstrauma soll als lungenprotektive Beatmung erfolgen. Bei Verdacht auf eine Kohlenmonoxidvergiftung soll sofort mit einer 100%igen Sauerstoffinsufflation oder -beatmung begonnen werden.
Circulation
Präklinisch sollten bei Erwachsenen 1000 ml kristalloide Infusionslösungen innerhalb der ersten 2 Stunden verabreicht werden.[1] Die Infusionen sollten möglichst vorgewärmt sein, um eine Hypothermie zu vermeiden. Liegt trotz Volumengabe eine Hypotonie vor, soll (auch präklinisch) Noradrenalin zur Stabilisierung des Blutdrucks eingesetzt werden. Intravenöse Zugänge sollten möglichst nicht in verbrannten Hautarealen gelegt werden. Alternativ ist ein intraossärer Zugang zu nutzen.
Weitere Maßnahmen
Am Unfallort ist die Erstversorgung der Verbrennungswunde mit einem sterilen, nicht haftenden Schutzverband ausreichend. Verbrennungswunden sind aufgrund der Hitzeeinwirkung eine zeitlang als steril anzusehen, bis aus den umliegenden Hautbereichen eine Wiederbesiedlung durch das Hautmikrobiom erfolgt. Ein leichte Kühlung der Wunden kann hilfreich sein. Bei umfangreichen Verbrennungen (> 10 %) soll aufgrund der erhöhten Gefahr einer Unterkühlung keine aktive Kühlung durchgeführt werden, da die Nachteile der (häufig auftretenden) Hypothermie dann deutlich überwiegen. Ein ausreichender Wärmeerhalt ist sicherzustellen.[1]
Versorgung im Brandverletztenzentrum
Brandverletztenzentren (BVZs) bzw. "Burn Center" verfügen über spezielle Räumlichkeiten mit intensivmedizinischen Therapiemöglichkeiten sowie besondere Operationssäle. Generell wird die Versorgung in einem Zentrum jedem Patienten empfohlen, aktuell (2026) aber in vielen Fällen nicht durchgeführt. Bestimmte Brandverletzungen sollten in jedem Falle in einem BVZ versorgt werden.[1] Dazu zählen:
- Verbrennung Grad 3 mit ≥ 10 % der KOF
- Verbrennung Grad 2 mit ≥ 15 % der KOF
- Verbrennungen an den Händen, Axilla, großen Gelenken, im Gesicht oder im Genitalbereich
- zirkuläre thermische Verletzungen
- Stromunfälle bzw. Blitzschlag
- Verätzungen durch Chemikalien
- Vorliegen eines Inhalationstraumas
- Patienten mit schweren Begleiterkrankungen
- Alter < 8 Jahre oder > 60 Jahre
Bei Bedarf (z.B. langer Transportweg) kann der Patient auch nach Erstversorgung in einem regionalen Traumazentrum sekundär in ein BVZ verlegt werden.
Basismaßnahmen
Basismaßnahmen der klinischen Therapie sind:
- Wunde freilegen und evtl. vorhandene Blasen eröffnen (Dermabrasion)
- Nekrotisches Gewebe entfernen (Debridement)
- Wundabdeckung mit nicht haftendem Verbandmaterial
- Infektionsprophylaxe
- Volumensubstitution
- Schmerztherapie
- plastische Versorgung nach Abwenden der Lebensgefahr
- bei höhergradigen Verbrennungen: Thromboseprophylaxe
Volumensubstitution
Ab einer verbrannten Körperoberfläche von 15 % bei Erwachsenen und 8 % bei Kindern muss eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr in Form von Vollelektrolytlösungen angestrebt werden, um einem Volumenmangelschock und einer möglichen Sepsis oder SIRS entgegenzuwirken. Kolloidale Lösungen sollten besonders in der frühen Phase vermieden werden, da sie die Ödembildung fördern.[3] Die Gabe von HES-Lösungen ist kontraindiziert. Bei übermäßigem Flüssigeitsbedarf kann die Gabe von Humanalbumin erwogen werden.
Die benötigte Flüssigkeitsmenge kann orientierend anhand der Baxter-Parkland-Formel oder der Brooke-Formel berechnet werden.
siehe auch: Verbrennungskrankheit
Wundversorgung
Die operative Versorgung erfolgt in der Regel in speziellen Operationssälen, die zur Vermeidung einer Hypothermie auf > 28 °C geheizt werden. Das chirurgische Vorgehen orientiert sich am Einzelfall und erfordert bei schweren Verbrennungen häufig zahlreiche Eingriffe, die teils mit erheblichen Blutverlusten einhergehen können. Die anästhesiologische Betreuung ist anspruchsvoll, da die Medikamentenwirkung aufgrund einer möglichen begleitenden Leber- oder Niereninsuffizienz, der veränderten Plasmaeiweißbindung sowie Denervationsphänomenen verändert sein kann.
Escharotomie
Die Escharotomie ist bei zirkulären tiefgradigen Verbrennungen (≥ Grad IIb, > 2/3 der Zirkumferenz) an Extremitäten sowie am Rumpf indiziert. Durch die hitzebedingte Kontraktion der Haut und die im Verlauf entstehende Ödembildung kann es aufgrund der geringen Elastizität verbrannter Haut zu kritisch erhöhten Gewebe- und Kompartmentdrücken kommen. Daraus resultieren an den Extremitäten Perfusionsstörungen bis hin zum Kompartmentsyndrom, im Thoraxbereich restriktive Ventilationsstörungen und im Abdomen ein Anstieg des intraabdominellen Drucks bis zum abdominellen Kompartmentsyndrom.
Die Escharotomie stellt in diesen Fällen eine zeitkritische Notfallmaßnahme dar und dient der Druckentlastung zur Vermeidung von Ischämie und sekundärer Nekrose. Sie erfolgt durch longitudinale Inzisionen des Verbrennungsschorfs, ohne routinemäßige Durchtrennung der Subkutis bis zur Faszie. Eine zusätzliche Faszienspaltung ist nur in seltenen Ausnahmefällen erforderlich.[1]
Debridement
Unterschieden wird in ein mechanisches (nicht-chirurgisches) und chirurgisches Debridement. Bei ersterem wird oberflächliches nekrotisches Gewebe durch Bürsten oder Schwämme entfernt. Ein chirurgisches Debridement kann epifaszial oder tangential erfolgen. Ein epifasziales Debridement zeichnet sich durch einen geringeren Blutverlust und eine zeitsparende Arbeitsweise aus, hinterlässt jedoch nur ein ungenügendes Transplantatlager. Die tangentiale Nekrektomie hingegen erfolgt zeitintensiv durch die schichtweise Abtragung des verbrannten Gewebes bis zum Erscheinen eines gut durchbluteten Wundgrunds - hierbei kann Dermis erhalten werden, sodass ein geeignetes Transplantatlager entsteht.
Eine Sonderform des chirurgischen Debridement stellt das enzymatische Debridement mit Bromelain dar.
Defektdeckung
Tief-dermale Verbrennungen (≥ Grad IIb) benötigen i.d.R. eine chirurgische Defektdeckung. Zur Anwendung kommen autologe Hauttransplantate. Am häufigsten werden gemeshte Spalthauttransplantate verwendet, die den besten Kompromiss aus Sekretabfluss, Expansionsverhältnis und funktionell-ästhetischem Ergebnis aufweisen. Kleinere Verbrennungen an funktionell stark beanspruchten Stellen (über großen Gelenken, Halsbereich) können auch mit Vollhauttransplantaten oder Lappenplastiken gedeckt werden. Bei ausgedehntesten Verbrennungen (> 70 % der KOF) kommen auch autologe Keratinozytentransplantate zum Einsatz.
Verbrennungen sollten spätestens nach 3 Wochen gedeckt bzw. abgeheilt sein, da ansonsten die Gefahr von Kontrakturen oder hypertropher Narbenbildung erhöht ist.[1]
Infektionsprophylaxe
Der Großteil der Infektionsprophylaxe erfolgt durch das Entfernen des nekrotischen Gewebes, das einen Nährboden für Bakterien darstellt, sowie der Anlage temporärer Hautersatzmaterialien bzw. eines sterilen Wundverbandes. Durch die großen Wundflächen und die temporäre Immunsuppression sind Verbrennungspatienten bis zum definitiven Wundverschluss einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Wundspüllösungen können das Infektionsrisiko weiter verringern. Häufig angewendet werden:
- Polyhexanid
- Mafenid
- Octenidin
- Povidon-Iod
Der Einsatz von Silbersulfadiazin (SSD) wird aufgrund der Hemmung der Epithelisierung zunehmend kritisch betrachtet. Für den Nutzen einer längerfristigen systemischen Antibiotikaprophylaxe bei Verbrennungspatienten gibt es keine Evidenz.[4] Eine generelle Antibiotikaprophylaxe ist nicht empfohlen.[1]
Spätfolgen
Verbrennungsnarben können zu Kontrakturen und Bewegungseinschränkungen führen, die einer physiotherapeutischen Beübung oder sekundärer chirurgischer Rekonstruktion bedürfen.
Nach Verbrennungen ist eine erhöhte Inzidenz von Narbenkarzinomen beschrieben. Dabei handelt es sich am häufigsten um Plattenepithelkarzinome. Insgesamt erscheint die Inzidenz mit 1 bis 2 % jedoch nur kaum gegenüber der Normalbevölkerung erhöht.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin et al.: S2k-Leitlinie Behandlung von thermischen Verletzungen bei Erwachsenen, Version 8.0, 2025. Zuletzt abgerufen am 22.12.2025
- ↑ Lehnhardt et al. (2016): Verbrennungschirurgie
- ↑ Haberal et al. Fluid management in major burn injuries. Indian J Plast Surg; 2010
- ↑ Houschyar et al., Antibiotikatherapie von Infektionen bei Verbrennungspatienten – Eine systematische Übersichtsarbeit, 2019 (DOI: 10.1055/a-0802-8882)
Weblinks
- Hess JJ. Pavement Burns. New Engl J Med 2025 - Fallbericht: Verbrennung der Fußsohlen auf Asphalt - mit Abb., abgerufen am 22.04.2025