SAPHO-Syndrom
Synonym: Syndrom der Synovialitis, Akne, Pustulose, Hyperostose und Osteitis
Englisch: SAPHO syndrome
Definition
Unter dem Begriff SAPHO-Syndrom versteht man einen immunologisch bedingten Symptomkomplex, dessen Hauptcharakteristika eine chronische Entzündung der vorderen Brustwand und des Axialskeletts sowie akneiforme Hauterscheinungen sind.
Einordnung
Die Einordnung des SAPHO-Syndroms ist bislang (2024) nicht geklärt. Teilweise wird es als eigenständiges Krankheitsbild betrachtet, teils als Verlaufsvariante anderer rheumatischer Erkrankungen (z.B. der Psoriasisarthritis).[1][2][3] Einerseits bestehen Beziehungen zur Gruppe der Spondylarthropathien, in die das SAPHO-Syndrom teilweise auch eingeordnet wird,[1][2][4] andererseits bestehen auch Überlappungen mit gänzlich anderen Erkrankungen, z.B. der als autoinflammatorische Erkrankung betrachteten CNO.[4][5] In der Literatur werden außerdem zahlreiche weitere, unscharf definierte Krankheitsbegriffe als Synonym verwendet (z.B. "Pustulöse Arthro-Osteitis", "akquiriertes Hyperostose-Syndrom" u.v.m.), was die Einordnung weiter erschwert.
Epidemiologie
Das SAPHO-Syndrom ist selten, genauere Prävalenzdaten liegen nicht vor. Frauen sind im Verhältnis 3:1 häufiger betroffen. Der Altersgipfel liegt bei etwa 50 Jahren, jedoch wurden auch pädiatrische Fälle beschrieben.[1][4]
Ätiologie
Die Ätiologie ist derzeit (2024) weitgehend unklar. Es wurde eine Assoziation mit einigen HLA-I-Serotypen beschrieben, insbesondere mit HLA-B27 (4 bis 30 % d.F.), aber auch mit HLA-A26, -B39 und -B61.[1][2][4] In einer einzelnen Fallstudie wurde außerdem eine Assoziation mit Kopienzahlvarianten für NOD2, CSF2RA, ADAM5 und MEGF6 beschrieben.[6]
In einigen Studien wurde Cutibacterium acnes in Biopsaten betroffener Gewebe nachgewiesen, sodass latente Infektionen mit diesem Bakteriums als möglicher Auslöser der SAPHO-Immunreaktion vermutet werden. Dieser Zusammenhang ist jedoch umstritten.[1][2][4]
Ferner findet sich eine Assoziation mit anderen immunologischen Erkrankungen, z.B. mit Autoimmunthyreoiditiden oder CED.[1]
Pathogenese
Die Pathogenese ist bislang ebenfalls unverstanden. Am ehesten handelt es sich um eine fehlgeleitete Immunreaktion, wobei der auslösende Anteil des Immunsystems und das immunologische Ziel unklar sind. Festgestellt wurden erhöhte Serumspiegel von IL-1, -6, -8, -17, -23 sowie von TNF-α.[1][2][4] Auch findet sich eine erhöhte Anzahl von TH17-Zellen sowie ein erhöhtes IgG4 im peripheren Blut.[1][2] Während der Krankheitsphasen wurde außerdem eine Hochregulation von RANKL bei verringerten TGF-β1-Spiegeln beschrieben.[4] Spezifische Autoantikörper konnten bis dato nicht festgestellt werden.[4]
Klinik
Die Symptomatik ist sehr variabel. Häufig sind bestimmte Symptome bei verschiedenen Patienten unterschiedlich stark ausgeprägt. Allgemein führend sind skelettale Manifestationen und Hautmanifestationen.
Skelettmanifestationen
Skelettmanifestationen können Gelenke, Knochen und Sehnen betreffen. Sowohl akute, intermittierende oder chronische Verläufe sind möglich. Mögliche Skelettmanifestationen sind:[1][2][4]
- Arthritis bzw. Synovitis mit Gelenkschwellung, -schmerzen und Rötung, nur selten erosiv. Betroffene Gelenke sind:
- Gelenke der vorderen Brustwand (sehr häufig), insb. Sternoclaviculargelenke (oft beidseits), seltener Sternocostalgelenke, Costochondralgelenke, Manubriosternal-Symphyse
- Gelenke des Axialskeletts (häufig), insb. Iliosakralgelenke, thorakolumbale Wirbelsäule; letztere teils mit Syndesmophytenbildung
- periphere Gelenke (ca. 30% d.F.), insb. Knie-, Hüft-, Schultergelenk; meist oligoartikulär und asymmetrisch
- Osteitis mit Knochenschmerzen, Bewegungseinschränkung und Schwellung. Betroffene Skelettanteile sind:
- vordere Brustwand, insb. periartikulär an Sternocostal-/claviculargelenken, aber auch Manubrium, Corpus und Processus xiphoideus sterni, Clavicula und Rippen
- seltener Mandibula
- Hyperostosen durch end-/periostale Verdickung, teils auch gleichzeitig mit Osteolysen, sehr häufig am Sternoclaviculargelenk sichtbar
- Enthesiopathien
Generell müssen Arthritiden eines Gelenkes nicht zwingend von einer angrenzenden Osteitis begleitet werden und vice versa.
Hautmanifestationen
Auch die Hautmanifestationen sind äußerst variabel. Sie können den skelettalen Symptomen vorausgehen, gleichzeitig mit ihnen auftreten oder ihnen folgen. Auch ihre Schwere kann sehr unterschiedlich ausfallen. Häufig besteht eine Therapieresistenz und ein chronischer Verlauf.[1][4]
Mögliche Manifestationen sind:[1][2][4]
- Psoriasis pustulosa palmoplantaris (PPP; häufigste Manifestation, insb. bei Frauen)
- schwere Acne vulgaris oder Acne conglobata
- Acne fulminans
- Hidradenitis suppurativa
- seltener andere Psoriasisformen, Pyoderma gangraenosum, Sweet-Syndrom, Sneddon-Wilkinson-Syndrom
Gastrointestinale Symptome
Bei SAPHO-Patienten wurden gehäuft gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen, Diarrhoe, Analfissuren und -abszesse beschrieben, eventuell als Zeichen einer assoziierten CED.[7]
Diagnostik
Die Diagnosestellung geschieht primär klinisch und mithilfe der Knochenszintigrafie. Weitere Diagnostika sind stützend oder dienen der Ausschlussdiagnostik.
Labor
Spezifische Laborbefunde für das SAPHO-Syndrom existieren nicht. Eventuell kann eine Erhöhung von CRP oder BSG beobachtet werden. Bei einem Teil der Patienten lässt sich HLA-B27 nachweisen.[2]
Bildgebung
Wegweisend ist in den meisten Fällen eine Knochenszintigrafie. Hier zeigt sich in 85 bis 95 % der Fälle eine Mehrspeicherung in der vorderen Brustwand als Korrelat einer Osteitis.[2] Als charakteristisch gilt das sogenannte Stierkopfzeichen ("bull's head sign") mit Tracer-Anreicherung in Manubrium und angrenzender Clavicula.[4]
Zusätzlich kann eine MRT erfolgen. Hier zeigt sich eine Osteitis als Knochenödem in der STIR-Sequenz. Auch weitere Skelettmanifestationen sind hier darstellbar (z.B. eine Sakroiliitis oder Wirbelsäulenenthesitis als Shiny Corner Sign).[1]
Ein Röntgen betroffener Knochen, insbesondere von Sternum und Wirbelsäule, kann im Verlauf ebenfalls sinnvoll sein. Hier finden sich bei fortgeschrittener Erkrankung vor allem:[1]
- Hyperostosen mit verdicktem Peri-/Endost und vermehrten Trabekeln sowie verengtem Markkanal
- Osteolysen
- Periostreaktionen
- Syndesmophyten, Enthesiophyten
Diagnosekriterien
Zur Diagnosestellung wurden die folgenden, nicht validierten Diagnosekriterien vorgeschlagen:[8]
Positivkriterien (mindestens eines) | Ausschlusskriterien |
---|---|
|
|
Therapie
Angesichts der geringen Fallzahlen ist die Therapie kaum evidenzbasiert oder standardisiert. Eingesetzt werden u.a.:[1][2]
- nichtsteroidale Antirheumatika, meist als Erstlinie verwendet; effektiv nur hinsichtlich der Skelettmanifestationen, kein Effekt auf Hauterscheinungen
- Glukokortikoide
- Methotrexat
- Ciclosporin
- Sulfasalazin
- Colchicin
- Apremilast
- Doxycyclin, Azithromycin
- TNFα-Inhibitoren (z.B. Infliximab)
- IL12/23-Inhibitoren (z.B. Ustekinumab)
- Interkeukin-17A-Inhibitoren (z.B. Secukinumab)
- Bisphosphonate
Verlauf
Die Erkrankung verläuft zumeist chronisch mit Remissions- und Rückfallphasen, es kann allerdings auch zur Spontanremission kommen.[4][7]
Einzelnachweise
- ↑ 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 Kishimoto et al., SAPHO syndrome and pustulotic arthro-osteitis. Modern Rheumatology, 2021.
- ↑ 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 Przepiera-Będzak, SAPHO syndrome: pathogenesis, clinical presentation, imaging, comorbidities and treatment: a review. Advances in Dermatology & Allergology, 2021.
- ↑ Furer et al., The Diagnosis and Treatment of Adult Patients with SAPHO Syndrome: Controversies Revealed in a Multidisciplinary International Survey of Physicians. Rheumatology and Therapy, 2020.
- ↑ 4,00 4,01 4,02 4,03 4,04 4,05 4,06 4,07 4,08 4,09 4,10 4,11 4,12 Furer et al., Pro and contra: is synovitis, acne, pustulosis, hyperostosis, and osteitis (SAPHO) a spondyloarthritis variant? Current Opinion in Rheumatology, 2022.
- ↑ Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie, S1-Leitlinie „Chronisch nicht bakterielle Osteomyelitis im Kindesalter“ im AWMF-Register, 2023.
- ↑ Guo et al., Copy Number Variation of Multiple Genes in SAPHO Syndrome. The Journal of Rheumatology, 2020.
- ↑ 7,0 7,1 Girschick, SAPHO-Syndrom. Orphanet, 2019.
- ↑ Kahn et al., 67th Annual Scientific Meeting der ACR, 2003 (nicht publiziert).
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