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Arthritis

von altgriechisch: ἄρθρον ("arthron") - Gelenk
Synonym: Gelenkentzündung
Englisch: arthritis

1. Definition

Unter einer Arthritis versteht man eine Entzündung eines oder mehrerer Gelenke, die oft mit Gelenkschmerzen, Schwellung und Rötung einhergeht. Ist das umgebende Gewebe betroffen, spricht man von einer Periarthritis.

2. Nomenklatur

Von der Arthritis abgegrenzt wird die Arthrose, die eine degenerative Gelenkerkrankung darstellt. In der angloamerikanischen Literatur wird die Arthrose jedoch als Osteoarthritis bezeichnet.

3. Einteilung

3.1. ...nach Verlauf

3.2. ...nach Befallsmuster

3.3. ...nach Lokalisation

3.4. ...nach Genese

Hinweis: Die wiedergegebene Einteilung weist zum Teil Überschneidungen auf. So können bei der reaktiven Arthritis sowohl direkt entzündliche, sowie autoimmunologische oder auch allergische Phänomene an der Entwicklung einer Arthritis beteiligt sein.

4. Diagnostik

Die Diagnostik im Rahmen einer Arthritis umfasst zunächst eine ausführliche Anamnese und körperliche bzw. befundorientierte Untersuchung. Abhängig hiervon sind Zusatzuntersuchungen zur genauen ätiologischen Abklärung erforderlich.

4.1. Anamnese

Wichtige Punkte der Anamneseerhebung sind:

  • Schmerzcharakter: Ein Ruheschmerz oder Nachtschmerz spricht eher für eine Arthritis, während ein Anlaufschmerz oder Belastungschmerz für eine degenerative Arthrose spricht.
  • Steifigkeit: Eine längerdauernde Gelenksteifigkeit (z.B. Morgensteifigkeit >30 min) findet sich insbesondere bei rheumatischen Arthritiden. Die Steifigkeit bei Arthrosen löst sich dagegen meistens binnen 15 Minuten Aktivität.
  • Trauma: Ein vorangehendes Trauma sollte detailliert erfragt werden. Auch Punktionen eines Gelenkes gelten als Trauma. Die Erfassung eines Traumas kann für eine direkte Gelenkinfektion sprechen.
  • Immunschwäche: Der Patient sollte falladaptiert bezüglich Faktoren einer Immunsuppression befragt werden. Ist eine HIV-Infektion bekannt? Besteht ein Diabetes mellitus? Besteht ein diagnostizierter Immundefekt? Werden Glukokortikoide eingenommen? Besteht ein Alkoholismus? Eine Immunsuppression kann Gelenkinfektionen begünstigen.
  • Vorerkrankungen/Begleiterkrankungen: Gab es Tage bis Wochen zuvor eine Atemwegsinfektion, eine Urethritis oder sonstige Beschwerden (z.B. fieberhafte Zustände)? Besteht eine Psoriasis? Ist eine Hyperurikämie bekannt? Gibt es Beschwerden mit den Augen? Bestehen Ausschläge oder Exantheme? Handelt es sich um eine Gelenkendoprothese?

4.2. Klinik

Eine Arthritis führt klassisch zu Entzündungszeichen des Gelenkes mit Schwellung, Rötung, Überwärmung, Funktionseinschränkung und Schmerz.

Diese klassischen Entzündungszeichen finden sich in voller Ausprägung insbesondere bei der bakteriellen Arthritis. Steht der Schmerz im Vordergrund bei mäßigen oder fehlenden anderen Entzündungszeichen, ist als diagnostische Arbeitshypothese von einer Arthralgie auszugehen.

Weiterhin ist beim klinischen Blick zunächst das Ausmaß der Gelenkentzündungen und das Befallsmuster zu prüfen (Monoarthritis, Oligoarthritis, Polyarthritis).

4.3. Gelenkpunktion

Findet sich bei der Untersuchung der Gelenke ein größerer Gelenkerguss, sollte der Erguss punktiert werden (Gelenkpunktion), insbesondere unter der Annahme einer bakteriell bedingten Arthritis.

Aus Farbe, Viskosität (Fadentest) und der Leukozytenzahl können Rückschlüsse auf die Genese der Entzündung gezogen werden. Zudem kann als wichtiges diagnostisches Verfahren eine mikrobiologische Diagnostik (u.a. Bakterienkultur, Ziehl-Neelsen-Färbung) erfolgen. Können Bakterien oder Pilze nachgeweisen werden, ergeben sich hieraus direkte therapeutische Konsequenzen. Auch ein zeitnah angefertigtes Grampräparat aus einem Teil des Punktats kann bereits wichtige Hinweise auf eine bakterielle Genese liefern.

4.4. Bildgebende Verfahren

Der Einsatz bildgebender Verfahren ist bei unklaren Arthritiden essentiell. Grundsätzlich kommen Sonographie, konventionelles Röntgen und Schnittbildverfahren (CT, MRT) zum Einsatz. Die Auswahl der geeigneten Methode ist abhängig von der klinischen Symptomatik und der daraus resultierenden Verdachtsdiagnose. Bei speziellen Fragestellungen kann zusätzlich eine Skelettszintigraphie indiziert sein. Dabei kann man das Ausmaß und die Verteilung der Entzündungsaktivität beurteilen sowie eine Synovitis ausschließen.

Bei einer unklaren Arthritis sind Röntgenaufnahmen des führend betroffenen Gelenkes und Röntgenaufnahmen von Füßen und Händen angezeigt. Bei Verdacht auf Spondylarthropathien sind eine Beckenübersichtsaufnahme (Iliosakralgelenk) und eine Darstellung der LWS inklusive des thorakolumbalen Überganges (frühe Veränderungen bei Morbus Bechterew) sinnvoll.

Aus Aufnahmen des Handskeletts und deren Seitenvergleich lassen sich vom Befallsmuster ausgehend wichtige differentialdiagnostische Hinweise ableiten.

siehe auch: Arthritiszeichen

4.5. Labormedizin

Allgemeine Hinweise auf ein entzündliches Geschehen im Sinne einer Arhritis sind:

Kann eine Infektion als Arthritisursache ausgeschlossen werden, ist das Vorliegen einer Erkrankung des rheumatischen Formenkreises wahrscheinlich.

Ausgehend von weiteren Leitbefunden der einzelnen Krankheitsbilder sollte in diesen Fällen eine gezielte Autoantikörperdiagnostik erfolgen (z.B. ANCA bei Morbus Wegener, ANA bei systemischem Lupus erythematodes (SLE), Rheumafaktor, HLA-B27 etc.).

Die Bestimmung der Komplementfaktoren C3 und C4 kann Hinweise auf einen SLE geben. Dabei ist die BSG erhöht, das CRP normal, C3 und C4 sind erniedrigt.

Klinik Diagnostik
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises Rheumatisches Fieber Basisdiagnostik:
Rheumatoide Arthritis
Morbus Bechterew
Kollagenosen
Infektarthritis
postinfektiöse (reaktive) Arthritiden nach Enteritis
nach Urogenital-Infektion
nach Zeckenbiss
Viren
Gicht oder Pseudogicht
  • Harnsäure im Serum
  • Harnsäure im Gelenkpunktat
  • spezifische Gelenkpunktatdiagnostik

5. Differenzialdiagnostik

Insbesondere für die radiologische Differenzialdiagnostik sind folgende Aspekte hilfreich:

  • Lokalisation: Ist beispielsweise das distale Interphalangealgelenk (DIP) betroffen, kommt eine Psoriasisarthritis und eine (erosive) Arthrose in Frage. Eine rheumatoide Arhritis befällt lediglich sehr spät im Krankheitsverlauf das DIP.
  • Alter: Bei Kindern muss an eine juvenile idiopathische Arthritis (JIA), eine Hämophilie, eine IBD-Arthritis sowie eine septische Arthritis gedacht werden. Bei Jugendlichen kommen zusätzlich eine Early-onset rheumatoide Arthritis und eine ankylosierende Spondylitis in Frage.
  • Geschlecht: Einige Erkrankungen sind geschlechtsspezifisch (z.B. Hämophilie, Hämochromatose), andere treten häufiger bei Männern (Gicht, ankylosierende Spondylitis, reaktive Arthritis) bzw. Frauen (z.B. rheumatoide Arthritis) auf.
  • Charakter:
    • Erosiv: u.a. rheumatoide Arthritis
    • Produktiv: in Form von Enthesiopathie und ligamentären Ossifikationen (ankylosierende Spondylitis, DISH und OPLL), Osteophyten (Arthrose) oder Periostitis (Psoriasisarthritis, reaktive Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis)
    • Mischformen: Bei CPPD und Gicht bilden sich erst Erosionen, im Verlauf kommt es zur Osteophytenbildung. Bei PsA und reaktiver Arthritis kann es nach Periostitis im Verlauf zu Erosionen und Osteophytenbildung kommen.
  • Symmetrie: Die rheumatoide Arthritis weist typischerweise einen bilateral symmetrischen Gelenkbefall auf. Dabei muss beachtet werden, dass beispielsweise ein Befall des linken 3. proximalen Interphalangealgelenks (PIP) und des rechten 5. PIP bereits als Symmetrie gewertet wird. Selbst bei der RA ist anfangs häufig nur ein Gelenk betroffen.
  • Weichteilmassen: eher selten, können aber auf eine spezifische Diagnose hinweisen (z.B. Gichttophi)
  • Paravertebrale Ossifikationen:
    • Syndesmophyten: ankylosierende Spondylitis
    • paravertebrale Ossifikationen bei PsA und reaktiver Arthritis
    • ligamentöse Ossifikationen bei DISH/OPLL
    • Osteophyten bei Spondylosis deformans
  • Subchondrale Zysten: können bei allen Arthritiden vorkommen. Große Zysten bei einem Patienten mit rheumatoider Arthritis sprechen für eine sogenannte "robust rheumatoid arthritis", kommen aber auch bei CPPD, pigmentierter villonodulärer Synovialitis (PVNS), Arthrose und Gicht vor.
  • Knochendichte: Die Knochendichte ist bei einer RA vermindert, während sie beispielsweise bei einer Gicht unverändert ist. Dabei müssen jedoch Patientenalter und sonstige Erkrankungen berücksichtigt werden. Beispielsweise kann ein Patient mit verminderter Knochendichte trotzdem eine Arthrose oder eine Gicht aufweisen, wenn gleichzeitig eine diffuse Osteoporose vorliegt. Eine fokale Osteoporose weist auf eine aktive Entzündung hin.
  • Zeitpunkt der Gelenkknorpeldestruktion: Bei Gicht kommen Knorpeldestruktion erst im Spätverlauf vor. Bei der rheumatoiden Arthritis kommt es hingegen bereits früh zu Knorpeldestruktionen. Außerdem zeigt sich bei der RA ein uniformer Befall des Gelenkknorpels, während bei der Arthrose eher ein fokaler Befall in gewichttragenden Regionen vorliegt.
  • Begleitende verkalkte oder verknöcherte Verdichtungen:
  • Begleitende Synovitis, v.a. bei:
  • Ankylose:
    • periphere Gelenke: PsA, JIA
    • Wirbelsäule: ankylosierende Spondylitis, DISH, JIA
    • bei rheumatoider Arthritis sehr selten

Die Frühdiagnostik von arthritischen Erkrankungen mittels Sonographie und Magnetresonanztomographie basiert beispielsweise auf dem Vorliegen von Tenosynovitis, Enthesitis, Gelenkerguss, synovialer Hypertrophie, Knochenmarködem und/oder entzündlichen Veränderungen an den Wirbelkörperkanten. Aufgrund verbesserter Frühdiagnostik und medikamentösen Therapieoptionen finden sich nur selten ausgeprägte Spätformen. In diesen Fällen muss beachtet werden, dass auch ungewöhnliche Manifestationen möglich sind: Beispielsweise Arthritis mutilans bei rheumatoider Arthritis oder Erosionen in peripheren Gelenken bei ankylosierender Spondylitis. Die Gicht kann alle Gelenke betreffen und alle anderen Formen imitieren.

Des Weiteren können auch mehrere Erkrankungen gleichzeitig vorliegen (z.B. Arthrose und rheumatoide Arthritis oder Charcot-Arthropathie und septische Arthritis).

Erkrankung Geschlecht Zahl der Gelenke Symmetrie Knochendichte Charakter Knorpeldestruktion
RA M<W (1:3) Polyartikulär Ja (Spätstadium) Vermindert Erosiv Früh, diffus
Robust RA M>W Polyartikulär Ja (Spätstadium) Vermindert (Spätstadium) Erosiv Früh, diffus
JIA M<W (1:4-5) Oligo-/Polyartikulär i.d.R. Nein Vermindert (Spätstadium) Erosiv Früh, diffus
Hämophilie M Oligoartikulär Nein Normal Erosiv Früh, diffus
Adulter Morbus Still M=W Polyartikulär i.d.R. Nein Vermindert (Spätstadium) Erosiv Früh, diffus
MCRH M<W Polyartikulär Ja je nach Alter Erosiv Früh, diffus
Arthrose M<W Polyartikulär Häufig Normal Produktiv Früh, fokal
DISH/OPLL M>W (2:1) kein Gelenkbefall kein Gelenkbefall Normal Produktiv Keine
Ankylosierende Spondylitis M>W (2,5-5:1) Polyartikulär Ja (Spätstadium) Vermindert (Mittleres bis Spätstadium) Gemischt Mittleres Stadium, diffus
IBD-Arthritis M=W Polyartikulär Ja (Spätstadium) Vermindert (Mittleres bis Spätstadium) Gemischt Mittleres Stadium, diffus
PsA M=W Polyartikulär i.A. Nein Normal Gemischt Mittleres Stadium, diffus
reaktive Arthritis, HIV-Arthropathie M>W (5-6:1) Polyartikulär i.A. Nein Normal Gemischt Mittleres Stadium, diffus
Gicht M>W (9:1) Polyartikulär Nein Normal Gemischt Spätstadium
CPPD M<W (1:2-7) Polyartikulär i.A. Nein je nach Alter Gemischt Mittleres Stadium, diffus
Hämochromatose M Oligoartikulär i.A. Nein Normal Produktiv Spätstadium
Amyloidose M>W Oligoartikulär Nein Vermindert Erosiv Früh, fokal
PVNS M<W (1:2) Monoartikulär Nein Normal Erosiv Spät, fokal
PSC M>W Monoartikulär Nein Normal Erosiv Spät, fokal
Charcot M=W (je nach Ursache) Mono- oder oligoartikulär Nein Nein (außer Diabetes) Destruktiv Früh, diffus
Septische Arthriitis M=W Monoartikulär Nein Normal Erosiv Früh, diffus


Erkrankung subchondrale Zysten Enthesiopathie Periostitis Angrenzende Verdichtungen Ankylose Weichteilmassen
RA + - - - - Rheumaknoten
Robust RA + (groß) - - - - Rheumaknoten
JIA + - + (früh) - + -
Hämophilie + - - - - -
Adulter Morbus Still + - - - + -
MCRH + - - - - Noduli
Arthrose + + - Chondrokalzinose (selten) - Heberden-, Bouchard-Knoten
DISH/OPLL - + - - + -
Ankylosierende Spondylitis + + - - + -
IBD-Arthritis + + - - + -
PsA + + + - + -
reaktive Arthritis, HIV-Arthropathie + + + - + -
Gicht + - - Gichttophi - Gichttophi
CPPD + (groß) - - Chondrokalzinose - -
Hämochromatose + - - Chondrokalzinose - -
Amyloidose + (groß) - - - - Noduli
PVNS + (groß) - - - - -
PSC + - - kalzifizierte Körperchen - selten (extraartikulär)
Charcot + - gelegentlich ossärer Debris - großer Gelenkerguss
Septische Arthriitis + (wenn chronisch) - + - selten -


Erkrankung Häufigste Lokalisation Weniger häufig
RA
JIA
Arthrose
PSC
  • Kniegelenk
  • Ellenbogengelenk
  • Schultergelenk
  • Hüftgelenk
DISH/OPLL
  • Halswirbelsäule: v.a. OPLL
  • Brustwirbelsäule: v.a DISH
  • ISG (obere 1/2 bis 2/3) bei DISH
Ankylosierende Spondylitis, IBD-Arthritis
  • Wirbelsäule (incl. ISG)
  • Hüftgelenk
  • Schultergelenk
  • Kniegelenk
  • Handgelenke
  • Fußgelenke (z.B. MTP, Sprunggelenk)
PsA
  • Wirbelsäule (incl. ISG)
  • Hand: Handwurzel, PIP, DIP
  • Hüftgelenk
  • MCP
  • Kniegelenk
  • Fuß: u.a. Sprunggelenk
Reaktive Arthritis
  • Hand: alle Gelenke
  • Halswirbelsäule
Gicht
  • Großzehengrundgelenk
  • PIP, DIP
  • Ellenbogen
  • MCP, Handwurzel
  • Kniegelenk
  • Halswirbelsäule
  • ISG
  • Sprunggelenk
CPPD
  • MCP IV und V
Hämochromatose
  • Articulatio radiocarpalis
  • MCP II und III
  • MCP I, IV und V
Amyloidose
  • Schultergelenk
  • Hüftgelenk
  • Kniegelenk
  • Hand: PIP, DIP, Articulatio radiocarpalis
  • Fuß: Sprunggelenk, Interphalangealgelenke

6. Therapie

Die Therapie einer Arthritis ist anhängig von der auslösenden Ursache und zielt auf deren Beseitigung. Bakterielle Arthritiden werden beispielsweise durch Ruhigstellung, Gelenkpunktion und anschließende Antibiotikagabe therapiert. Bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises steht hingegen die pharmakologische Modulation des Autoimmunreaktion im Vordergrund. Bei therapieresistenten Gelenkbeschwerden mit Beteiligung der Synovia ist die Radiosynoviorthese eine weitere Therapieoption.

7. Literatur

  • Laborlexikon.de, abgerufen am 04.02.2021
  • Manaster. Diagnostic Imaging, Second Edition, 2016

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