Brustwirbelsäule
Synonyme: BWS, Pars thoracica columnae vertebralis, Thorakale Wirbelsäule
Englisch: thoracic vertebra, thoracic spine
Definition
Die Brustwirbelsäule, kurz BWS, ist ein Teil der Wirbelsäule des Menschen und besteht aus 12 einzelnen Knochen, den Brustwirbeln (Vertebrae thoracicae). Die Brustwirbelsäule steht in gelenkiger Verbindung mit den Rippen und bildet damit die zentrale Konstruktionseinheit des Thorax. Sie befindet sich zwischen der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule.
Übersicht
Die Brustwirbel werden von kranial nach kaudal durchnumeriert.
Name | Akronyme | Lateinisch |
---|---|---|
1. Brustwirbel | T1, Th1, BWK 1 | Vertebra thoracica I |
2. Brustwirbel | T2, Th2, BWK 2 | Vertebra thoracica II |
3. Brustwirbel | T3, Th3, BWK 3 | Vertebra thoracica III |
4. Brustwirbel | T4, Th4, BWK 4 | Vertebra thoracica IV |
5. Brustwirbel | T5, Th5, BWK 5 | Vertebra thoracica V |
6. Brustwirbel | T6, Th6, BWK 6 | Vertebra thoracica VI |
7. Brustwirbel | T7, Th7, BWK 7 | Vertebra thoracica VII |
8. Brustwirbel | T8, Th8, BWK 8 | Vertebra thoracica VIII |
9. Brustwirbel | T9, Th9, BWK 9 | Vertebra thoracica IX |
10. Brustwirbel | T10, Th10, BWK 10 | Vertebra thoracica X |
11. Brustwirbel | T11, Th11, BWK 11 | Vertebra thoracica XI |
12. Brustwirbel | T12, Th12, BWK 12 | Vertebra thoracica XII |
Anatomie
Die 12 Brustwirbel sind stabförmig übereinander geschichtet. Bei aufrechter Körperhaltung sind sie so angeordnet, dass sie einen nach dorsal konvexen Bogen bilden. Es besteht eine physiologische Kyphose, die sogenannte Brustkyphose.
Aus dem Rückenmark im Bereich der Brustwirbelsäule entspringen auf jeder Seite 12 Spinalnerven. Die Nerven des Segments Th1 strahlen rechts und links in den Plexus brachialis ein, gelegentlich auch einzelne Fasern von Th2. Die Spinalnerven des Segments Th12 tragen zum Plexus lumbalis bei.
Grundform
Alle Wirbel haben eine gemeinsame Grundform, wobei sich am Beispiel des Brustwirbelkörpers diese Form besonders deutlich zeigt. Man erkennt an ihm folgende Strukturelemente:
- Wirbelkörper (Corpus vertebrae)
- Wirbelbogen (Arcus vertebrae)
Von hier aus gliedern sich seitlich und dorsal die Fortsätze des Wirbels (Processus vertebrae) an:
- nach lateral: Querfortsätze (Processus transversi)
- nach dorsal: Dornfortsätze (Processus spinosi)
Die Dornfortsätze sind im Bereich der Brustwirbelsäule gut zu sehen und zu tasten.
Das Wirbelloch (Foramen vertebrale) wird sowohl vom Wirbelkörper als auch vom Wirbelbogen umgeben und bildet den Raum für das Rückenmark (Medulla spinalis) mit seinen Hüllen, Gefäßen und Nerven.
Die Aufeinanderreihung der einzelnen Wirbellöcher bildet als Gesamtheit den Wirbelkanal (Canalis vertebralis). Hierbei bleibt zwischen zwei Wirbeln das Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale) zum Durchtritt der jeweiligen Spinalnerven offen. Die knöcherne Begrenzung wird hierbei durch die Wirbelbogenfüßchen (Pediculi arcus vertebrae) gebildet, die nach kranial und kaudal etwas eingezogen sind, so dass sich die Incisurae vertebrales inferiores et superiores ausbilden.
Besondere Merkmale
Die Wirbel der einzelnen Regionen der Wirbelsäule unterscheiden sich sowohl durch ihre Größe als auch durch ihre Form. Dies wird besonders deutlich an der Form der Wirbellöcher. Im Bereich der Brustwirbel sind diese nahezu rund, und der mittlere Brustwirbelbereich, zwischen dem 5. und 6. Brustwirbelkörper, weist den geringsten Durchmesser auf. Im Vergleich dazu sind die Wirbellöcher der Hals- und Lendenwirbelsäule dreieckig geformt. Entsprechend ist auch das Rückenmark im Brustbereich der dünnste Teil des gesamten Marks.
Auch die Pediculi unterscheiden sich entsprechend ihrer Biegungsbeanspruchung innerhalb der Brustwirbelsäule - ihre Kortikalis ist massiv ausgebildet im Bereich des oberen, medialen und unteren Umfangs, während an der lateralen Seite die Spongiosa kaum gegen die Umgebung abgeschlossen ist. Diese Situation macht man sich bei stabilisierenden chirurgischen Eingriffen durch das Einbringen von langen Metallschrauben zu Nutze.
Im Bereich der Brustwirbelsäule ist das pathologische Bild der Skoliose besonders häufig ausgeprägt.
Gelenke
Wirbelbogengelenke
Die Brustwirbel besitzen Gelenkflächen (Facies articulares superiores et inferiores), welche die gelenkige Verbindung zum jeweils oberen bzw. unteren Nachbarwirbel herstellen. Die Grundlage bildet hierbei der abgeplattete Teil des Wirbelbogens (Lamina arcus vertebrae), von dem nach kranial und kaudal je zwei Gelenkfortsätze abgehen. Mithilfe dieser Gelenkfortsätze bilden die Brustwirbel mit ihrem kranialen und kaudalen Nachbarn jeweils 2 Wirbelbogengelenke (Articulationes zygapophysiales).
Rippenwirbelgelenke
Zum anderen bilden die Brustwirbel zusammen mit den Rippenköpfchen (Capita costae) die Rippenwirbelgelenke (Articulationes costovertebrales). Hier unterscheidet man zwei Anteile:
- Die gelenkigen Verbindungen zwischen dem Rippenkopf (Caput costae) und dem Wirbelkörper, auch Articulationes capitis costae genannt.
- Die gelenkigen Verbindungen zwischen dem Rippenhals (Collum costae) und den Querfortsätzen (Processus transversus), die Articulationes costotransversariae.
Die Gelenkfäche für den Rippenkopf wird durch die benachbarten Gelenkgruben (Foveae costales superior et inferior) zweier übereinander stehender Brustwirbel gebildet. Hiervon ausgenommen sind die 1., 11. und 12. Rippe, die nur je eine Gelenkverbindung mit dem Körper des entsprechenden Wirbels haben.
Die Gelenkfläche für den Rippenhals, die Fovea costalis processus transversi, befindet sich auf den nach lateral abgehenden Querfortsätzen des 1. bis 10. Brustwirbels. Sie sind mit den Rippenhöckerchen (Tubercula costae) gelenkig verbunden. Die Gelenkfläche ist vom 2. bis zum 5. Brustwirbel konkav, während die Gelenkfäche am 1., 6. und 10. Brustwirbel plan ist. Am 11. und 12. Brustwirbel ist diese Gelenkfläche nicht ausgeprägt. Der 12. Brustwirbel besitzt wie die Lumbalwirbelkörper einen Processus transversus mit Processus mamillaris und Processus accessorius.
Bänder
Sowohl die Wirbelbogengelenke als auch die Rippenwirbelgelenke werden durch zahlreiche Bänder stabilisiert. Spezifisch für die Brustwirbelsäule sind:
- Ligamentum capitis costae radiatum: Es reicht vom lateralen Wirbelkörper bis zum Caput costae (2.-10. Rippe)
- Ligamentum costotransversarium laterale et superius
- Lateraler Teil: vom Processus transversus bis zum Tuberculum costae der gleichen Rippe
- Superiorer Teil: vom Processus transversus bis zur Oberkante des Collum costae der darunter gelegenen Rippe
- Ligamentum capitis costae intraarticulare: Es verläuft als Band innerhalb des Gelenks
Bewegungsumfang
Flexion und Extension
Die Flexion und Extension des Rumpfes in der Sagittalebene erfolgt hauptsächlich durch die Brustwirbelsäule, wobei eine Ergänzung durch die übrigen Regionen den Bewegungsumfang erweitert. Bei Vorneigung wird die Krümmung der Brustregion verstärkt, während bei der Rückwärtsbeugung die Brustwirbelsäule abflacht. Der Bewegungsumfang liegt zwischen 45° vorwärts und 26° rückwärts.
Lateralflexion
Die Lateralflexion (Seitwärtsneigung) der gesamten Wirbelsäule ist abhängig von der Beteiligung der Brustwirbelregion. Sie kann gerade bleiben, so dass sich nur Hals- und Lendenwirbelsäule seitwärts neigen; sie kann aber diese Bewegung auch mitmachen, so dass ein vollständiger Bogen entsteht (zwischen 25-33° im Brustwirbelbereich).
Rotation
Die Rotation um die eigene Achse ist in der Halswirbelsäule am größten - die Drehung des Rumpfes ist durch die Brustwirbelsäule (33°) bedingt.
Klinik
Diagnostik
Besonders in der Beurteilung der Wirbelsäule ist die klinische Untersuchung entscheidend - neben Anamnese und Inspektion müssen Dornfortsätze und Muskulatur palpiert werden. Wie bei allen Skeletterkrankungen ist die Röntgendiagnostik wegweisend. Wirbelsäulenaufnahmen erfolgen stets in frontalem und seitlichem Strahlengang. Zur weiterführenden Diagnostik stehen CT und MRT zur Verfügung. Knochenmetastasen, die bevorzugt in den Brustwirbelkörpern vorhanden sind, können mittels Skelettszintigraphie demaskiert werden.
Einfache orthopädische Untersuchung
Die Untersuchung der Brustwirbelsäule beginnt zunächst mit der Inspektion - der Beobachtung von Form, Neigung und Lage der Dornfortsätze, etc. Dann folgt die Palpation der Dornfortsätze und der gesamten Wirbelsäule. Zur Abschätzung des Bewegungsumfangs existieren verschiedene Tests:
- Flexion und Extension: Ott-Zeichen, Schober-Zeichen, Finger-Boden-Abstand
- Lateralflexion: Finger-Knie-Abstand
Die Abschätzung des Rotationsumfangs erfolgt auf einem Drehstuhl. Hierbei bittet man den sitzenden Patienten, sich um die eigene Achse nach hinten zu drehen. Zunächst wird die Linksrotation, dann die Rechtsrotation beobachtet. Die dabei entstehenden Umfangswinkel können abgeschätzt werden.