Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
Synonyme: Alpha-1-PI-Mangel, Alpha-1-Proteinasen-Inhibitormangel, a1AT-Mangel, Laurell-Eriksson-Syndrom
Englisch: AAT deficiency
Definition
Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist eine autosomal-rezessive Erbkrankheit, bei der aufgrund eines Gendefekts zu wenig Alpha-1-Antitrypsin gebildet wird.
ICD10-Code
- E88.0 - Störungen des Plasmaprotein-Stoffwechsels, anderenorts nicht klassifiziert
Pathophysiologie
Alpha-1-Antitrypsin ist ein Proteaseinhibitor im Blutplasma. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Hemmung verschiedener Enzyme, die bei Entzündungsprozessen freigesetzt werden. Das Protein wird zu über 90% in der Leber synthetisiert und ist ein Akute-Phase-Protein.
Alpha-1-Antitrypsin hemmt unter anderem Elastase, Trypsin, Chymotrypsin, Plasmin und Thrombin. Es wird von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten aufgenommen und neutralisiert geringe Mengen lysosomaler Enzyme, die beim apoptotischen Spontanzerfall dieser Zellen im Gewebe freigesetzt werden. Ein Mangel an Alpha-1-Antitrypsin führt zu einer unkontrollierten Aktivität dieser Enzyme.[1]
Die größte klinische Relevanz hat dabei die mangelnde Hemmung der Elastase. Sie führt dazu, dass das Elastin der Lungenalveolen von neutrophilen Granulozyten enzymatisch zersetzt wird. Nach langjährigem Krankheitsverlauf resultiert daraus eine Zerstörung der Alveolarsepten, die sich klinisch als Lungenemphysem bemerkbar macht.
Genetik
Die Ursache für den Mangel an Alpha-1-Antitrypsin ist eine Mutation im SERPINA1-Gen. Die codierende Gensequenz für Alpha-1-Antitrypsin liegt auf dem langen Arm von Chromosom 14 in der Region 14q32.1. Diese Region bezeichnet man auch als "Proteinase Inhibitor Locus" (Pi). Es sind über 75 verschiedene genetische Varianten des Proteins bekannt.
Symptome
Die Folgen des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels machen sich vor allem in der Lunge bemerkbar. Daneben ist auch die Leber betroffen.
Pulmonale Symptome
- Husten
- Zunehmende Dyspnoe
- Atemwegsobstruktion
- Lungenemphysem
Hepatische Symptome
Ca. 10-20% der Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel weisen eine zusätzliche Beteiligung der Leber auf. Sie macht sich bemerkbar durch:
Erkrankte Erwachsene haben ein signifikant gesteigertes Risiko, eine Leberzirrhose oder einen Lebertumor zu entwickeln. Nur ein kleiner Teil der Patienten (1-2%) benötigt bereits in der Kindheit eine Transplantation aufgrund der Leberzirrhose.
Diagnose
- Labor:
- Serumelektrophorese mit stark verminderter Alpha-1-Globulinfraktion
- Bestimmung der Alpha-1-Antitrypsin-Konzentration; Referenzbereich: 0,9 - 1,8 g/l. Bei normalem CRP spricht ein Serumspiegel des Alpha-1-Antitrypsins über 1,1 g/l gegen einen Mangel.
- Alpha-1-Antitrypsin-Phäno- und Genotypisierung zur Detektion pathogener Varianten
- Lungenfunktionsprüfung
- Röntgen-Thorax: Symmetrischer Verlust der Lungengefäßzeichnung, Emphysembullae
Therapie
Enzymsubstitution
Die Therapie der Wahl ist die Substitution von Alpha-1-Antitrypsin, das gentechnisch oder aus gepooltem Blutplasma gewonnen wird. Die Gabe kann parenteral oder inhalativ erfolgen. Bei parenteraler Gabe werden einmal wöchentlich etwa 60 mg aktiver Substanz/kg KG intravenös verabreicht.
Ein Nutzen der seit 1987 zugelassenen Augmentation von Alpha-1-Antitrypsin ist nicht eindeutig belegt. In neueren Studien (2020) konnte keine signifikante Änderung der Lungenfunktion (FEV1), der Lebensqualität und der Exazerbationsrate festgestellt werden.[2] Grundlage der Zulassung war die Beurteilung der Lungendichte.
Weitere Maßnahmen
- Strikte Nikotinabstinenz
- Inhalative Kortikosteroide
- Inhalative Betasympathomimetika
- ultima ratio: Lungentransplantation
Zukünftige Therapieoptionen
- Genreparatur mit CRISPR
- Abschalten mutierter Gene (Gene Silencing)
- Substitution defektfreier Hepatozyten