Nokardiose
nach Edmond Nocard (1850-1903), französischer Tierarzt und Bakteriologe
Synonym: Nocardiose
Definition
Als Nokardiose bezeichnet man eine abszedierende und/oder granulomatöse Infektion, die duch Nokardien (z.B. Nocardia asteroides) ausgelöst wird.
Epidemiologie
Die Nokardiose kommt weltweit vor, jedoch treten die meisten Infektionen eher in subtropischen und tropischen Regionen auf. Genaue Inzidenzdaten sind nicht verfügbar, die Erkrankung gilt jedoch als eher selten. Die Altersspanne bei Infektionen ist sehr breit, der Häufigkeitsgipfel liegt bei Personen im mittleren Lebensalter. Männer erkranken häufiger als Frauen (Verhältnis: 3 zu 1).
Erreger
Die Nokardiose wird durch Nokardien, einer Gruppe grampositiver, verzweigt wachsender Stäbchenbakterien hervorgerufen. Diese finden sich ubiquitär in der Umwelt (z.B. in Erdböden, Stäuben oder Gewässern), gelegentlich aber auch im Respirationstrakt gesunder Menschen oder bei Tieren (z.B. als Erreger der Rinder-Mastitis). Ähnlich den verwandten Mykobakterien lagern auch Nokardien Mykolsäuren in ihrer Zellwand ein.
Nokardien gehören zur Ordnung der Actinomycetales. Es sind 13 humanpathogene Spezien beschrieben. Am häufigsten nachgewiesen werden Spezies aus dem Nocardia-asteroides-Komplex und Nocardia brasiliensis.[1]
Eine Übertragung von Nokardien erfolgt exogen durch Inhalation der Erreger aus der Umwelt, was zur Nokardienpneumonie führen kann, oder durch Inokulation in Wunden, was Haut- und Weichgewebsinfektionen auslöst. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen spielen eine untergeordnete Rolle.
Pathogenese
Nach Übertragung kommt es zunächst zu einer lokalen Infektion der Haut (besonders bei vorbestehender Hautverletzung) bzw. der Lungen. Insbesondere bei schlechter Abwehrlage ist anschließend eine hämatogene Streuung möglich, wobei die Erreger häufig das ZNS befallen.
Bei jeder zweiten Nokardiose findet sich eine Immunschwäche. Risikofaktoren sind dementsprechend:
Klinik
Eine Nokardiose kann sowohl lokal als auch systemisch verlaufen. Die Inkubationszeit ist spezies- und wirtsabhängig, sie kann zwischen Tagen und Wochen liegen, beim Myzetom (schmerzhaftes Granulationsgeschwulst) auch im Bereich von Monaten.[2]
Je nach Immunabwehr und Infektionsweg sind folgende Verlaufsformen möglich:
Nokardienpneumonie
Die meisten Patienten entwickeln eine Pneumonie durch Nokardien. Diese äußert sich durch Husten mit eitrigem Auswurf sowie inspirationsabhängige Schmerzen. Im Verlauf kann es zur Kavernenbildung und zur Nekrotisierung von Lungenparenchym kommen. Dazu kommen Allgemeinsymptome wie Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust.
Haut- und Weichgewebsnokardiose
Die kutane Nokardiose resultiert aus Erregerinokulation in einen Hautdefekt. Ein akuter und ein chronischer Verlauf sind möglich.
Die akute kutane Nokardiose verläuft als heftige, eitrige und oft abszedierende Hautinfektion. Verschiedene Formen einer Pyodermie (z.B. Paronychie, Phlegmone, Follikulitis, Zellulitis) sind möglich. Diese zeigen in aller Regel eine Selbstheilungstendenz.[3]
Im Falle einer zusätzlichen Lymphadenopathie spricht man von einer lympho-kutanen Nokardiose.
Bei der chronischen Haut- und Weichteilnokardiose bildet sich ein subkutanes Myzetom, das umgebende Strukturen inklusive Periost und Knochen arrodiert. Häufig kommt es dabei zur Fistelbildung. Meist sind die distalen Extremitäten betroffen (z.B. Mycetoma pedis oder "Madurafuß"). Myzetome können aber auch durch andere Erreger, z.B. Streptomyces spp. oder diverse Pilze, verursacht werden.
Systemische Nokardiose
Bei hämatogener Disseminierung einer Nokardieninfektion kommt es zur Bildung von Abszessen und/oder Granulomen in verschiedenen Geweben. Häufig sind Hirnabszesse oder eine Meningoenzephalitis. Selten ist auch eine Endokarditis möglich.[4] Von der systemischen Nokardiose sind besonders Menschen mit Immunschwäche betroffen.
Diagnostik
Bei der Nokardienpneumonie findet sich im Röntgen-Thorax entweder ein diffuses oder retikulonoduläres Infiltrat. Im Verlauf können sich auch Kavernen darstellen lassen.
Der Nachweis von Nokardien kann, je nach Verlaufsform, aus Gewebebiopsien, Abszessinhalt, Sputum oder Wundabstrichen erfolgen.
Der Erregeridentifizierung dienen:
- Gramfärbung und Mikroskopie: grampositive, verzweigt-myzelartig wachsende Stäbchen
- Kultivierung: je nach Spezies sind tage- bis wochenlange Bebrütungszeiten vonnöten
- PCR
Differentialdiagnosen
Zu den Differentialdiagnosen gehören andere Formen von Pneumonien mit oder ohne kutane Beteiligung. Beispiele sind:
- Tuberkulose
- Aspergillose
- Histoplasmose
- Sporotrichose
- andere Pneumonien
Therapie
Die Therapie ist von der Verlaufsform abhängig.
Bei der zumeist selbstlimitierenden akuten Hautnokardiose kann beim Immungesunden mittels Cotrimoxazol behandelt werden.[3] Allerdings gibt es zunehmend Resistenzen. Eine Resistenztestung wird daher empfohlen.
Actinomyzetome, Nokardienpneumonien oder systemische Infektionen werden über mehrere Monate mittels Imipenem und Amikacin behandelt.[3] Actinomyzetome können nach antibiotischer Anbehandlung auch chirurgisch reseziert werden.
Einzelnachweise
- ↑ orpha.net – Nokardiose, abgerufen am 04.07.2023
- ↑ Schöffel et al., Nokardiose – Die humane Infektion mit Nokardien. Eine Literaturübersicht. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie, 2017
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Suerbaum, Burchard, Kaufmann, Schulz (Hrsg.), Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer Verlag, 9. Auflage, 2020. S. 468
- ↑ Castelli et al., Infectious endocarditis caused by Nocardia sp.: histological morphology as a guide for the specific diagnosis, The Brazilian Journal of Infectious Diseases, 2011