Tubulointerstitielle Nephritis
von griechisch: nephros - Niere, lateinisch: interstitium - Zwischenraum
Synonyme: interstitielle Nephritis, tubulointerstitielle Nierenerkrankung (TIN), interstitielle Nierenentzündung
Englisch: interstitial nephritis
Definition
Als tubulointerstitielle Nephritis oder interstitielle Nephritis bezeichnet man eine entzündliche Erkrankung der Niere mit dominierender Beteiligung des Niereninterstitiums. Werden dabei die Tubuli zerstört, spricht man von einer destruierenden tubulointerstitiellen Nephritis. Die interstitielle Nephritis ist meist durch Medikamente, Infektionen oder Systemerkrankungen bedingt.
Einteilung
Die interstitielle Nephritis kann einen akuten oder chronischen Verlauf nehmen. Man unterscheidet dementsprechend:
- Akute (tubulo)interstitielle Nephritis
- Chronische (tubulo)interstitielle Nephritis
Ursachen
Akute interstitielle Nephritis
- allergisch-hypersensitiv durch Medikamente: u.a. durch Antibiotika (z.B. Ampicillin, Methicillin, Rifampicin, NSAIDs, Diuretika, Cimetidin, Protonenpumpenhemmer oder pflanzliche Toxine (z.B. bestimmte chinesische Heilkräuter)
- viral: z.B. Hantavirus
- parainfektiös (im Rahmen von bakteriellen Infektionen): z.B. Streptokokken, Staphylokokken, Legionellen, Yersinien, E. coli, etc.
- autoimmun: Goodpasture-Syndrom, Tubulointerstitielles Nephritis- und Uveitis-Syndrom (TINU), progressive Glomerulonephritis
Chronische interstitielle Nephritis
- allergisch-toxisch durch Medikamente: v.a. NSAIDs (Analgetikanephropathie), vgl. oben
- verschiedene Substanzen: z.B. Blei und Cadmium
- metabolisch: Hyperurikämie (Gicht), Hyperkalzämie, Hypokaliämie, Hyperoxalurie und Zystinose
- hereditär: z.B. bei ADPKD
- autoimmun: SLE, Sjögren-Syndrom, Sarkoidose
- infektiös oder obstruktiv: chronisch bakterielle Phyelonephritis oder Verlegung von Harnleiter etc.
- physikalische Einwirkung: Strahlennephritis
- sonstige: Paraproteinämie (Multiples Myelom), Amyloidose
Pathologie
Akute interstitielle Nephritis
Bei der akuten interstitiellen Nephritis findet man im ödematös veränderten Interstitium mononukleäre Infiltrate, die aus Lymphozyten, Plasmazellen und eosinophilen Granulozyten bestehen. Die Glomerula sind unverändert.
Chronische interstitielle Nephritis
Bei der chronische Form beobachtet man neben mononukleären Infiltraten auch tubuläre Atrophie und glomeruläre Veränderungen (Glomerulopathie). Bei allergischer Reaktion sind vermehrt eosinophile Granulozyten zu finden, bei der medikamentenassoziierten Form liegen z.T. Granulome vor (ebenso wie bei Sarkoidose).
Klinik
Die Klinik der tubulointerstitiellen Nephritis ist sehr vielseitig. Die Veränderung des Nierenparenchyms kann asymptomatisch bleiben, zum partiellen Ausfall tubulärer Funktionen führen oder ein akutes bzw. chronisches Nierenversagen auslösen.
Bei der akuten tubulointerstitiellen Nephritis können die renalen Symptome fakultativ von Hypersensitivitätsreaktionen wie Fieber, Exanthemen und Arthralgien begleitet sein. Es kann ein Flankenschmerz bestehen.
Diagnostik
Labor
Die Laboruntersuchungen umfassen u.a.:
Häufig bestehen tubuläre Funktionsstörungen, die zu Hämaturie und Proteinurie, Hyperphosphaturie, Aminoazidurie oder Glukosurie führen. Bei Tubulsschäden treten vor allem kleinmolekulare Eiweiße wie α1-Mikroglobulin vermehrt im Urin auf, da die tubuläre Rückresorption gestört ist (Tubuläre Proteinurie). Ferner können ein hoher Urin-pH, eine metabolische Azidose und ein Salzverlust vorliegen.
Bei der akuten tubulointerstitiellen Nephritis sieht man ggf. eine Eosinophilie und eine IgE-Erhöhung.
Bildgebung
In der Sonografie sieht man bei der akuten Form ein echoreiches, verbreitertes Nierenparenchym. Verkalkungen der Papillenregion sind typisch für eine Analgetikanephropathie.
Therapie
Die Therapie der tubulointerstitiellen Nephritis zielt zuerst auf die Beseitigung der auslösenden Ursache bzw. der zugrunde liegenden Erkrankung.
Bei der akuten Form genügt in der Mehrzahl der Fälle das Absetzen der auslösenden Noxe. Ein ggf. auftretendes akutes Nierenversagen wird durch Hämodialyse therapiert. Als medikamentöse Therapie kann zur Immunsuppression Prednison in einer Dosis von 1 mg/kg/Tag über 14 Tage verabreicht werden. Die Prognose ist günstig.
Bei der chronischen Form hingegen, bei der meist auch die Glomeruli mitbetroffen sind, sind oft zusätzlich unterstützende medizinische Maßnahmen erforderlich (supportive Therapie der chronischen Niereninsuffizienz). Die Therapie zielt darauf ab, eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion (bis hin zur end-stage renal disease) zu verhindern.