Hyperkoagulabilität
Englisch: hypercoagulability, thrombophilia
Definition
Als Hyperkoagulabilität bezeichnet man eine pathologisch erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes mit erhöhter Neigung intravasaler Thrombenbildungen (Thrombophilie). Sie gilt als einer der Hauptrisikofaktoren der Phlebothrombosen (Virchow-Trias).
Ätiologie
Hyperkoagulopathien können kongenital oder erworben sein. Ihre Ursache besteht in einem Mangel oder einem Funktionsverlust gerinnungshemmender Faktoren.
Kongenitale Hyperkoagulabilität
Die kongenital bedingte Hyperkoagulabilität kann verschiedene Ursachen haben.
Kongenitale Hyperkoagulabilität vom Typ I
Die selteneren Typ-I-Defekte werden durch einen Mangel an antikoagulativ wirkenden Faktoren verursacht. Sie verlaufen klinisch schwerer. Zu ihnen zählen u.a. autosomal-dominant vererbte Erkrankungen wie
- kongenitaler Protein-C-Mangel
- kongenitaler Protein-S-Mangel
- kongenitale Antithrombin-III-Mangel
Kongenitale Hyperkoagulabilität vom Typ II
Die häufigere, aber milder verlaufende Hyperkoagulabilität vom Typ II wird durch eine Überaktivität der Gerinnungsfaktoren verursacht. Dazu zählen:
- Faktor-V-Mutation im Sinne einer APC-Resistenz (autosomal-kodominanter Erbgang)
- Prothrombinmutation G20210A
Weitere seltene genetische Ursachen für eine Hyperkoagulabilität sind die Homocysteinämie und die Dysfibrinogenämie.
Erworbene Hyperkoagulabilität
Die erworbene Hyperkoagulabilität beruht meist auf einer verminderten hepatischen Synthese von
Auch Immunkoagulopathien wie das Antiphospholipid-Syndrom des systemischen Lupus erythematodes (SLE) können eine Hyperkoagulabilität verursachen.
Symptomatische Hyperkoagulabilität
Im Krankheitsverlauf der Verbrauchskoagulopathie (disseminierte intravasale Gerinnung, DIC) bildet die initiale Hyperkoagulopathie als Aktivierungsphase (1. Phase) die Ursache des sich anschließenden Gerinnungsfaktorverbrauchs (2. Phase).
Komplikationsbedingte Hyperkoagulabilität
Im Rahmen einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT Typen I und II) kann eine Hyperkoagulabilität durch Thrombozytenagglutination auftreten.
Klinik
Symptomatisch äußert sich eine Hyperkoagulopathie durch spontan auftretende, meist rezidivierende Thrombosen.
Bei intrakardialer Thrombenbildung kann es in Folge eines embolischen Verschlusses hirnversorgender Gefäße zu einem ischämisch bedingten Apoplex kommen.
Diagnostik
Die Diagnose der Hyperkoagulabilität wird labordiagnostisch durch Bestimmung von Protein C, Protein S, Antithrombin III bzw. molekulargenetisch bei Verdacht auf eine Faktor-V-Leiden-Mutation gestellt.
Therapie
Die Therapie der Hyperkoagulabilität erfolgt ursachenabhängig.
Kongenitale Hyperkoagulabilität
Bei multipel auftretenden Spontanthrombosen ist bei gesicherter Diagnose einer kongenitalen Ursache eine lebenslange antikoagulative Therapie mit Antikoagulantien, meist mit Cumarinderivaten (z.B. Phenprocoumon, Warfarin) notwendig. Niedermolekulare Heparine sind nicht indiziert, da durch den AT-III-Mangel die Wirksamkeit stark reduziert ist.
Erworbene Hyperkoagulabilität
Bei hepatisch bedingter Hyperkoagulabilität steht die Therapie der auslösenden Lebererkrankung im Vordergrund. Ein hepatisch bedingter AT-III-Mangel kann kurzfristig durch AT-III-Substitution (z.B. Thrombhibin®) ausgeglichen werden. Zur Thromboseprophylaxe werden Antikoagulantien gegeben.
siehe auch: Thrombophilie, Virchow-Trias, Phlebothrombose