Gerinnungsfaktor
Englisch: coagulation factor
Definition
Gerinnungsfaktoren sind üblicherweise Proteine, die unter bestimmten Bedingungen proteolytisch gespalten und damit aktiviert werden können. Dies führt über die Gerinnungskaskade zur Fibrin- und Gerinnselbildung. Sie sind die Grundlage der plasmatischen Blutgerinnung (sekundäre Hämostase).
Hintergrund
Dieser Artikel behandelt nur die prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren, die auch meistens gemeint sind, wenn man von "Gerinnungsfaktor" spricht. In einer erweiterten Definition umfasst der Begriff auch die antikoagulatorischen Gerinnungsfaktoren, also unter anderem Antithrombin, Protein C und Protein S.
Nomenklatur
Für die Gerinnungsfaktoren existiert eine weitgehend anerkannte, einheitliche Nomenklatur, von der Ausnahmen allerdings die Regel sind:
- Die Faktoren heißen "Faktor" mit römischer Ziffer, also "Faktor VIII". Ausnahmen: Faktor I heißt Fibrinogen und Faktor II heißt Prothrombin.
- Für den aktivierten Faktor wird ein a angefügt, also "Faktor VIIIa". Ausnahmen: Faktor Ia heißt Fibrin und Faktor IIa heißt Thrombin.
- Abgekürzt ist die Schreibweise "FVIII" oder "FVIIIa"
- Abweichende Namen (Antihämophiles Globulin A) oder Eigennamen (Christmas-Faktor) sind nicht mehr üblich. Ausnahme: von Willebrand-Faktor.
- Mutationen von Gerinnungsfaktoren werden mit dem Ort der Entdeckung benannt, z.B. Faktor V Leiden oder FVII Padua, sofern nicht die biochemische Nomenklatur verwendet wird.
Einteilung
Die Gerinnungsfaktoren I bis XIII sind im Folgenden aufgeführt:
- Faktor I: Fibrinogen
- Faktor Ia: Fibrin
- Faktor II: Prothrombin
- Faktor IIa: Thrombin
- Faktor III: Gewebefaktor ("tissue factor", TF, Gewebethromboplastin, CD142)
- Faktor IV: Kalzium-Ionen
- Faktor V: Proakzelerin (Plasma-Akzelerator-Globulin, labiler Faktor)
- Faktor Va (Faktor VI): Akzelerin
- Faktor VII: Proconvertin (stabiler Faktor, Prothrombinogen, serum prothrombin conversion accelerator (SPCA))
- Faktor VIII: Antihämophiles Globulin A (AHG, antihämophiler Faktor (AHF))
- Faktor IX: Christmas-Faktor (Antihämophiles Globulin B, Plasma thromboplastin component (PTC))
- Faktor X: Stuart-Prower-Faktor
- Faktor XI: Rosenthal-Faktor, plasma thromboplastin antecedent (PTA)
- Faktor XII: Hageman-Faktor
- Faktor XIII: Fibrinstabilisierender Faktor (FSF), Laki-Lorand-Faktor, Fibrinoligase
- PF3: Plättchenfaktor 3
- vWF: von-Willebrand-Faktor (Thrombozytenaktivierung, Schutzprotein für Faktor VIII)
Die Faktoren II, VII, IX und X sind Vitamin K-abhängig (Merkhilfe: "1972"), ihre Synthese ist somit durch Cumarin-Derivate hemmbar. Dies ist die Basis der jahrzehntelang als Standardtherapie durchgeführten "Marcumarisierung".
Die Vitamin-K-abhängigen Faktoren einerseits und die Faktoren V und VIII andererseits sind untereinander weitgehend strukturhomolog. Es gibt eine Theorie, dass sie durch Genverdopplungen in der Entwicklungsgeschichte entstanden sind.
Die meisten der prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren sind Serinproteasen, einige antikoagulatorische Gerinnungsfaktoren sind dementsprechend Serinprotease-Inhibitoren (Serpine).
Labordiagnostik
Gerinnungsfaktoren werden üblicherweise mit zwei Messmethoden bestimmt, einerseits als Proteinkonzentration durch Immunoassays, andererseits funktionell. Um dies in Laborbefunden zu verdeutlichen, wird ein Zusatz angefügt, z.B. "Faktor VIII:Ag" für die immunologische Messung als Antigen und "Faktor VIII:C" für die funktionelle Messung als "Clotting-Test".
Aktivierte Faktoren können praktisch nicht gemessen werden, da sie Plasmahalbwertszeiten im Sekunden- oder Minutenbereich haben, daher gibt es keinen "Faktor VIIIa:C".
Fibrin kommt in zwei Formen vor, als noch lösliches Aggregat und unlöslich quervernetzt durch die Wirkung von Faktor XIII. Wenn dies unterschieden werden soll, kommen die Bezeichnungen Fibrins (soluble) und Fibrini (insoluble) zum Einsatz.
Anmerkung
In der medizinischen Umgangssprache kursieren zwei bekannte Fehlbenennungen:
- die Messung der Anti-Faktor Xa-Aktivität wird häufig als "Faktor-X-Test" bezeichnet,
- die beim Thrombophilie-Screening übliche Untersuchung des Faktor V Leiden und der Prothrombinmutation G20210A als "Faktor II- und Faktor V-Messung".
Beides ist irreführend und fehlerträchtig. Ein hämostaseologisches Labor bestimmt bei der Anforderung "Faktor V" die Aktivität des Faktor V und nicht die wahrscheinlich gemeinte APC-Resistenz.
Klinik
Bei einem, z.B. genetisch bedingten, Mangel an Gerinnungsfaktoren kommt es zu Gerinnungsstörungen. Am häufigsten ist das von Willebrand-Syndrom, am bekanntesten die Hämophilie A. Diese Faktorenmängel können durch die Gabe von Gerinnungsfaktorenkonzentraten behandelt werden. Hierfür stehen sowohl aus humanem Plasma gewonnene als auch gentechnologisch hergestellte, rekombinante Gerinnungsfaktoren zur Verfügung.