Antiphospholipid-Syndrom
nach dem britischen Rheumatologen Graham Robert Vivian Hughes
Synonyme: Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, Hughes-Syndrom, APS, Cardiolipin-Antikörper-Syndrom
Englisch: antiphospholipid syndrome, Hughes' disease
Definition
Das Antiphospholipid-Syndrom, kurz APS oder APAS, ist eine durch zirkulierende Antiphospholipid-Antikörper verursachte Thrombophilie. Als Auslöser kommen z.B. Lupus-Antikoagulans, Anticardiolipin-Antikörper oder Antikörper gegen beta-2-Glykoprotein I (β2GPI) infrage. Das APS zählt zu den Autoimmunerkrankungen.
- ICD-10-Code: D68.6 Sonstige Thrombophilien
Ätiologie
Im Blut zirkulierende Antikörper gegen Phospholipid-Protein-Komplexe (z.B. Gerinnungsfaktoren, Rezeptorproteine auf Thrombozyten) bedingen eine erhöhte Bereitschaft zur Blutgerinnung (Hyperkoagulabilität). Als Trigger werden auch die Aktivierung von Komplementsystem und Endothelzellen durch die oxidative Formänderung des β2GPI mit Freilegung immunogener Epitope angesehen.[1]
Unterschieden werden ein primäres Antiphospholipid-Syndrom ohne Grunderkrankung und ein sekundäres Antiphospholipid-Syndrom bei vorbestehender Grunderkrankung.
Häufige auslösende Grunderkrankungen bzw. Vorerkrankungen für ein Antiphospholipid-Syndrom sind rheumatologische Erkrankungen (z.B. SLE, Rheumatoide Arthritis), verschiedene maligne Neoplasien, Infektionen (z.B. HIV-Infektion, Hepatitis B, Sepsis, Malaria), Medikamenteneinnahme (z.B. Estrogene, Chlorpromazin, Propranolol) und Nikotinabusus.
Symptomatik
Die Symptomatik eines Antiphospholipid-Syndroms ist vielgestaltig. Sie ist vor allem durch rezidivierende mikrovaskuläre, venöse und arterielle Thromben in verschiedensten Organen und Geweben ("thrombotic APS") sowie Schwangerschaftskomplikationen ("obstetric APS") charakterisiert.[1] Es können Myokardinfarkte, Schlaganfälle, Embolien mit Visus- und Hörverlust, Nierenvenenthrombosen, Krampfanfälle, Migräne, Morbus Raynaud und habituelle Aborte auftreten.
Als warnende klinische Zeichen können unter anderem eine Thrombozytopenie, Hämolyse, Livedo racemosa oder Livedo reticularis und eine Vielzahl anderer Symptome auftreten. Komplizierend kann es in einem kleinen Teil der Fälle zu paradoxen Blutungen kommen.
Das Antiphospholipid-Syndrom sollte als Differentialdiagnose einer ungewöhnlichen Thrombophilie (junge Patienten, Thrombose an untypischen Orten, z.B. am Arm) in Betracht gezogen werden.
Diagnostik
Wegweisend sind eine Thrombozytopenie und die verlängerte PTT. Die verlängerte PTT kommt durch eine Interaktion der Antikörper mit den Gerinnungsfaktoren in vitro zustande. In diesem Fall bedeutet eine verlängerte PTT also nicht, dass eine erhöhte Blutungsneigung besteht.
Zusätzlich kann beim Antiphospholipid-Syndrom eine Erniedrigung des Quick-Werts vorliegen.
Beweisend für ein Antiphospholipid-Syndrom ist der zweimalige unabhängige Nachweis der Antiphospholipid-Antikörper durch zwei verschiedene Testsysteme im zeitlichen Abstand von zwölf Wochen. Dabei werden eingesetzt:
- ELISA zum Nachweis von Anticardiolipin-Antikörpern
- PTT (Kaolin-Clotting-Time)
- Plasmamischversuch
- Plättchenneutralisationstest
Überarbeitete Sapporo-Klassifikationskriterien
Bei der Stellung der Diagnose sollten folgende Kriterien beachtet werden: [2][3]
Klinische Kriterien
- Vaskuläre Thrombosen: Eine oder mehrere Episoden von arteriellen, venösen oder mikrovaskulären Thrombosen in beliebigen Organen und Geweben. Bestätigung durch bildgebende oder histopathologische Verfahren. Kein Nachweis einer Vaskulitis in der Histopathologie.
- Schwangerschaftsmorbidität
- Eine oder mehrere Totgeburten in oder nach der 10. Schwangerschaftswoche (SSW) eines morphologisch normalen Fetus.
- Eine oder mehrere Frühgeburten eines morphologisch normalen Neugeborenen vor der 34. SSW, aufgrund von Eklampsie, schwerer Präeklampsie oder Plazentainsuffizienz.
- Drei oder mehr Spontanaborte vor der 10. SSW bei Ausschluss anatomischer, hormoneller und chromosomaler Ursache.
Laborkriterien
Nachweis an ≥ 2 Zeitpunkten im Abstand von mind. 12 Wochen
- Lupus-Antikoagulans und/oder
- erhöhte Anti-Cardiolipin-Antikörper und/oder
- erhöhte Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper
Therapie
Die Therapie des Antiphospholipid-Syndroms adressiert die thrombotisch-embolisch hervorgerufenen Ereignisse, z.B. die Behandlung eines Myokardinfarktes oder eines Schlaganfalls.
Um weitere arterielle oder venöse Thrombosen zu verhindern, wird für insgesamt drei Wochen niedermolekulares Heparin (z.B. Enoxaparin 100 IE bzw. 1 mg/kg Körpergewicht, zweimal täglich subkutan) gegeben. Anschließend wird überlappend auf Acetylsalicylsäure (100 mg peroral einmal täglich) umgestellt.[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
DOAKs werden nicht empfohlen, da sie mit einem erhöhten Risiko für rezidivierende thrombotische Ereignisse assoziiert sind. Zur oralen Antikoagulation kommen jedoch Vitamin-K-Antagonisten infrage.[4]
Eine Thrombozytopenie wird durch immunsuppressive Maßnahmen (Glukokortikoide, Azathioprin) behandelt.
Liegt ein sogenanntes katastrophales APS mit Beteiligung von mehr als drei Organsystemen vor, erfolgt eine Therapie mit Plasmapherese und Cyclophosphamid.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Röthlin A, Buser C. Livedo racemosa als Manifestation eines Antiphospholipid-Syndroms. Swiss Med Forum. 2023, abgerufen am 09.03.2023
- ↑ Miyakis S et al. International consensus statement on an update of the classification criteria for definite antiphospholipid-syndrome (APS). J Thromb Haemost. 2006
- ↑ Devreese KMJ et al. Laboratory criteria for antiphospholipid syndrome: communication from the SSC of the ISTH. J Thromb Haemost. 2018
- ↑ BfArM Rote-Hand-Brief zu Eliquis®, Pradaxa®, Lixiana®/Roteas® und Xarelto®: Die Anwendung bei Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom wird nicht empfohlen; 23.05.2019, abgerufen am 08.11.2019
Literatur
- Madlener. Das Antiphospholipid-Syndrom – Eine interdisziplinäre Herausforderung Aktuelle Rheumatologie, 2018, abgerufen am 06.09.2021
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