Myokardiale Strain-Analyse
Englisch: myocardial strain analysis, cardiac strain imaging
Definition
Die myokardiale Strain-Analyse dient der Beurteilung der globalen und regionalen Kontraktilität des Herzmuskels (Myokard).
Hintergrund
Der myokardiale Strain beschreibt die Deformation (Verkürzung oder Verdickung) des Herzmuskels als prozentuale Veränderung des Ausgangszustandes im Verlauf des Herzzyklus. Für den linken Ventrikel (LV) entspricht der Ausgangszustand dem maximalen Füllungszustand zum Zeitpunkt der Enddiastole, der in der Regel mit der Deformation nach maximalem Auswurf endsystolisch verglichen wird:
mit:
- ɛ = Strain
- L0 = Ausgangslänge (z.B. enddiastolisch)
- L = Endlänge (z.B. endsystolisch)
Dabei handelt es sich um eine dimensionslose Größe, die in Prozent angegeben wird. Ein negatives Vorzeichen meint eine Kontraktion bzw. Verdünnung, ein positives Vorzeichen eine Dilatation bzw. Verdickung.
Die Kontraktionsbewegung des linken Ventrikels kann mit der Auswringbewegung eines Handtuchs verglichen werden. Diese mehrdimensionalen Bewegungen können mittels bildgebender Verfahren analysiert werden. Man unterscheidet dabei folgende Parameter der Strain-Analyse:
- longitudinale Kontraktion in der Ventrikellängsachse (longitudinaler Strain): Normalerweise negativer systolischer Wert durch Verkürzung der Ventrikellänge.
- zirkumferentielle Kontraktion (zirkumferentieller Strain): tangentiale Verkürzung im Querschnitt, d.h. Verkleinerung des Ventrikeldurchmessers in der kurzen Achse. Normalerweise negativer systolischer Wert durch Verkürzung des Ventrikelquerschnitts.
- radiale Kontraktion (radialer Strain): Verdickung des Myokards während der Kontraktion in der kurzen Achse. Normalerweise positiver systolischer Wert durch Verdickung der Ventrikelwand.
- Ventricular Twist und Torsion: Basale Myokardsegmente rotieren im Uhrzeigersinn, die apikalen Segmente gegen den Uhrzeigersinn. Die Differenz zwischen der systolischen Rotation apikal und basal wird entlang der Zirkumferenz gemessen und in Grad ausgedrückt.
- Strain-Rate: Ausmaß des Strains innerhalb einer bestimmten Zeit. Wird in 1/s ausgedrückt.
Strain-Echokardiographie
Ergänzend zur konventionellen Bestimmung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) spielt die Strain-Analyse eine zunehmende Rolle bei der echokardiographischen Beurteilung der systolischen LV-Funktion. Die Strain-Analysen in der Echokardiographie beruhen auf der digitalen Nachverfolgung von kardialen Reflexionsmustern, den sogenannten Speckles. Daher spricht man auch von Speckle-Tracking-Echokardiographie. Eine Software speichert die Speckles und generiert Bewegungsvektoren. Die automatisch detektierten regionalen Deformationsmuster dienen dann der Analyse der globalen und regionalen linksventrikulären Kontraktion.
Mithilfe des globalen longitudinalen Strains (GLS) des linken Ventrikels kann die globale longitudinale LV-Funktion quantifiziert werden. Der Normwert unterscheidet sich zwischen den Software-Anbietern, meist liegt er bei ca. -18 %. Eine GLS von -12 bis -15 % weist auf eine schwere systolische Dysfunktion hin. Der GLS ist der bisher am besten evaluierte Strain-Parameter und gilt als sensitiver für die Beurteilung der systolischen Funktion als die LVEF. Der zirkumferentielle Strain sollte bei ca. > -20,9 % liegen und der globale radiale Strain zwischen 35 und 59 % betragen. Der LV-Twist liegt meist > 2,2° (Männer) bzw. 1,9° (Frauen).
Neben der globalen Analyse der LV-Deformation können auch territoriale Einschränkungen der Kontraktilität erfasst werden. Entsprechende Anwendungsgebiete sind u.a.:
- KHK: ischämiebedingte regionale Kinetikstörungen in Ruhe und unter Stress
- Früherkennung linksventrikulärer Kontraktionsstörungen bei Chemotherapie-assoziierter Kardiotoxizität
- Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM): Reduktion des longitudinalen Strains und der Strain-Rate. Erhöhter radialer und zirkumferentieller Strain.
- Dilatative Kardiomyopathie (DCM): Reduktion von globalem zirkumferentiellem und radialem Strain sowie des longitudinalen Peak-Strains und des Peak-Twists.
- Kardiale Speicherkrankungen (z.B. Amyloidose): spezifische Muster der Wandverdickung (z.B. Apical Sparing)
- Tako-Tsubo-Kardiomyopathie: apikale linksventrikuläre Kinetikstörungen (Apical Ballooning)
- Remodelling im Rahmen von Klappenerkrankungen
Eine Strain-Analyse kann auch für den rechten Ventrikel vorgenommen werden. Dabei stehen sowohl eine Messung des longitudinalen Strains der freien Lateralwand (FWS) als auch des globalen RV-Strains zur Verfügung. Die Strainanalyse des linken Vorhofs kann erhöhte Füllungsdrücke des Herzens und chronische diastolische Dysfunktionen aufzeigen.
Kardio-MRT
Eine Strain-Analyse ist auch in der Kardio-MRT (CMR) möglich. Dabei unterscheidet man zwischen:
- MR-Tagging (myokardiales Tagging): Die Deformation des Myokards wird direkt durch bestimmte Eigenschaften des Myokardgewebes gemessen. Nachteile sind eine geringe zeitliche Auflösung und der zusätzliche Zeitaufwand durch die Bildakquisition und Postprocessing-Verfahren.
- MR-Feature-Tracking (CMR-FT): Postprocessing-Technik, die auf normale Cine-SFFP-Sequenzen angewendet werden kann. Daher sind keine zusätzlichen Sequenzen notwendig. Nachteilig sind die geringe räumliche und zeitliche Auflösung und dass die Auswertung nur auf Konturen basiert.
- Displacement encoding with stimulated echoes (DENSE) and strain-encoded (SENC): Einsatz in der Forschung
Wie bei der Echokardiographie variieren die Referenzbereiche zwischen verschiedenen Softwareversionen. Näherungswerte für den globalen longitudinalen und zirkumferentiellen Strain liegen bei -20 ± 4 % und für den radialen Strain bei 40 ± 8 %.
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