Eisenmangel
Synonym: Sideropenie
Englisch: iron deficiency
Definition
Eisenmangel ist eine Störung des Eisenstoffwechsels. Sie beschreibt einen Mangelzustand des Körpers an dem Spurenelement Eisen. Oft verursacht ein Eisenmangel zunächst keine Symptome (latenter Eisenmangel). In der Folge kann jedoch eine Eisenmangelanämie auftreten.
- ICD10-Code: E61.1
Epidemiologie
Eisenmangel ist in entwickelten Ländern die häufigste Mangelerkrankung. In Europa sollen Schätzungen zufolge etwa 5 - 10% der Bevölkerung an Eisenmangel leiden, unter jungen Frauen ca. 20%.
Eisenhaushalt
Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) benötigen Männer ca. 10 mg Eisen pro Tag, Frauen ca. 15 mg. In der Schwangerschaft und Stillzeit ist der Eisenbedarf der Frau auf 30 bzw. 20 mg erhöht.
Ein wichtige Rolle bei der Regulation des Eisenhaushalts spielt Hepcidin, ein in der Leber gebildetes Peptid. Es hemmt den Eisentransporter Ferroportin, sodass sowohl die Eisenresorption im Darm als auch die Eisenfreisetzung aus dem retikulohistiozytären System (RHS) vermindert wird.
Eisenaufnahme, aber auch Niereninsuffizienz und Entzündungen, erhöhen die Hepcidin-Produktion, während eine Steigerung der Erythropoese die Hepcidin-Synthese senkt.
siehe auch: Eisenstoffwechsel, Ganzoni-Formel
Ursachen
Ein absoluter Eisenmangel ist auf einen erhöhten Eisenbedarf, einen vermehrten Eisenverlust oder auf eine verminderte Eisenaufnahme zurückzuführen. Weiterhin kann ein funktioneller Eisenmangel vorliegen.
Erhöhter Eisenbedarf
- Wachstumsschübe im Säuglingsalter oder in der Jugend
- Schwangerschaft (doppelt so hoher Bedarf)
- Stillperiode
- Sportler
- Therapie mit Erythropoetin
- Therapie mit Vitamin B12 bei einer Vitamin-B12-Mangelanämie
Vermehrter Eisenverlust
Ein vermehrter Eisenverlust ist durch manifeste oder okkulte Blutungen bedingt, bei welchen dem Körper das Eisen gemeinsam mit den Erythrozyten entzogen wird.
- Menstruationsblutung (insbesondere bei Menorrhagie)
- Chronische Blutverluste (z.B. gastroduodenale Ulkuskrankheit, erosive Gastritis)
- Akute Blutverluste
- Blutverluste im Rahmen einer hämorrhagischen Diathese (auch durch ASS, Antikoagulanzien)
- Blutverluste durch Hämodialyse (ungefähr 2,5 Liter pro Jahr)
- Häufige Blutspende
- Aderlasstherapie bei Polycythaemia vera
Verminderte Eisenaufnahme
Mangelernährung
Säuglinge, die mit eisenarmen und resorptionshemmenden Milchersatzprodukten (auf Basis von Kuhmilch) ernährt werden, laufen Gefahr an Eisenmangel zu erkranken. Beim Stillen hingegen werden die Säuglinge optimal versorgt.
Vegetarier erkranken in der Regel nicht häufiger an einer Anämie als Menschen, die auch Fleisch essen. Veganer haben sogar einen Vorteil gegenüber den Ovo-Lakto Vegetariern, da diese wegen der oben genannten Hemmung der Eisenresorption durch Eier und Milchprodukte zusätzlich gefährdet sind.
Malabsorption
Neben der Mangelernährung ist die Malabsorption die zweitwichtigste Ursache einer verminderten Eisenaufname. Sie tritt z.B. bei Morbus Crohn, Zöliakie oder nach einer Gastrektomie auf.
Funktioneller Eisenmangel
Ein funktioneller Eisenmangel bedeutet, dass Speichereisen zwar vorhanden, aber nicht bioverfügbar ist. Ursachen sind insbesondere:
- Entzündungen, Infektionen, Tumorerkrankungen (Anämie bei chronischer Erkrankung, ACD): Dazu zählen auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen, rheumatoide Arthritis, Herzinsuffizienz
- hereditäres eisenrefraktäres Eisenmangelsyndrom (IRIDA)
Symptome
Ein Eisenmangel macht sich anfangs nur durch uncharakteristische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit und Leistungsabfall bemerkbar. Richtungsweisende Symptome wie blasse Schleimhäute, Belastungsdyspnoe oder Tachykardie treten in der Regel erst bei einer manifesten Eisenmangelanämie auf. Weitere mögliche Symptome sind:
- Haut und Schleimhaut
- brüchige Nägel und Rillenbildung
- defekte Schleimhäute (z.B. Rhagaden der Mundwinkel)
- Pruritus, besonders anogenital
- Schluckbeschwerden
- Zungenbrennen
- Haarausfall
- Nervensystem
- Kopfschmerzen
- Konzentrationsschwäche
- Psychische Instabilität, z.T. depressionsähnliche Symptome
- Restless-Legs-Syndrom
siehe auch: Plummer-Vinson-Syndrom
Im Blutbild zeigt sich eine mikrozytäre hypochrome Anämie sowie ggf. eine Thrombozytose. Die Blutviskosität ist verringert.
Stadien
Die Entstehung eines Eisenmangels kann in drei Stadien unterteilt werden.
Negative Eisenbilanz
Im ersten Stadium der negativen Eisenbilanz kann der Eisenbedarf nicht mehr durch Absorption aus der Nahrung gedeckt werden. Das Eisendefizit wird durch Eisenmobilisation aus den Speichern des retikulohistiozytären Systems mobilisiert. Das Serumferritin beginnt zu sinken.
Eisendefiziente Erythropoese
Sobald die Eisenspeicher entleert sind, beginnt das Serumeisen abzusinken. Fällt die Transferrinsättigung bis auf 15 bis 20 % ab, ist die Hämoglobinsynthese beeinträchtigt. Definitionsgemäß sind bei einem Serumferritin unter 15 µg/l die Eisenreserven des Knochenmarks erschöpft. Weitere labordiagnostische Auffälligkeiten sind:
- Anstieg des löslichen Transferrinrezeptors
- mikrozytäre Erythrozyten im Blutausstrich
- Mittels Durchflusszytometrie bestimmter Anteil hypochromer Erythrozyten (%HYPO) über 10 %
- Retikulozytenhämoglobin unter 28 pg
- Anstieg des Zinkprotoporphyrins auf über 100 µg/dl: Da Zink statt Eisen in Hämoglobin eingebaut wird, entsteht ein Zinkprotoporphyrin. Ein Anstieg zeigt sich aber auch bei Eisenverwertungsstörungen, myelodysplastischem Syndrom oder Bleivergiftungen
- Anstieg der totalen Eisenbindungskapazität (TEBK) auf über 380 µg/dl
- Anteil der Sideroblasten im Knochenmark fällt auf unter 10 bis 15 %
Eisenmangelanämie
Im weiteren Verlauf fällt der Hämoglobin- und Hämatokritwert ab, sodass eine Eisenmangelanämie entsteht. Die Transferrinsättigung beträgt nun nur noch 10 bis 15 %. Das Knochenmark wird zunehmend hypoproliferativ. Bei einer starken Anämie nehmen hypochrome, mikrozytäre Erythrozyten zu. Weiterhin kann man eine Poikilozytose und Anisozytose mit Anstieg der Anstieg des RDW beobachten. Bei länger bestehender Anämie kommt es oft zur reaktiven Thrombozytose.
Therapie
Diät
Ein erhöhter Eisenbedarf kann im Normalfall durch vermehrte Zufuhr eisenhaltiger Lebensmittel kompensiert werden. Dazu zählen:
- Leber
- Fleisch und Wurst (v.a. Blutwurst)
- Thymian
- Petersilie
- Minze
- Zimt
- Brennesseln
- Zuckerrübensirup
- Kohlgemüse
- Hülsenfrüchte wie Bohnen und Sojabohnen
- Vollkorngetreide
- Sesam
- Mohn
- Nüsse
- Vollkornbrot (Hefe- u. Sauerteig)
- Koriander
- schwarzer Pfeffer
- Himbeeren
- Aprikosen
Spinat enthält entgegen der weitverbreiteten Überzeugung keine besonders hohe Eisenmenge, hierbei handelt es sich um einen historischen Tippfehler.
Eisensupplementation
Kann die Versorgung mit Eisen durch eine ausgewogene Ernährung nicht gewährleistet werden, kann zu einer Nahrungsergänzung mit Eisenpräparaten geraten werden (Eisensupplementation). Bei der Einnahme von Eisen kann es jedoch zu einer Überdosierung kommen. Deshalb sollten die Nahrungsergänzungsmittel vor Kindern sicher aufbewahrt werden - es besteht Vergiftungsgefahr.
Bei manifester Eisenmangelanämie erfolgt eine in der Regel mindestens dreimonatige perorale Gabe eines Eisenpräparates, das zweiwertiges, im Dünndarm resorbierbares Eisen enthält. Bei größerem Eisenbedarf kann Eisen auch parenteral supplementiert werden.
Eisenresorption
Die Eisenresorption im Dünndarm unterliegt einer komplexen Kontrolle durch diverse Transportmechanismen. Eisen wird durch eine Kombination mit Lebensmitteln, die Vitamin C enthalten, besser resorbiert. Die Aufnahme von Eisen und Vitamin C sollte jedoch möglichst zeitnah geschehen. Ebenfalls förderlich für die Resorption von Eisen sind Milchsäure, Essigsäure, Weinsäure und andere organische Säuren sowie Fruktose.
siehe auch: Eisenresorptionstest
Die intestinale Eisenresorption kann umgekehrt durch diverse Stoffe gehemmt werden, z.B.: