Anämiediagnostik
Synonym: Diagnostik der Anämie
Definition
Als Anämiediagnostik bezeichnet man die Untersuchungen, die im Rahmen einer Blutarmut (Anämie) zur Abklärung der möglichen Ursachen durchgeführt werden.
Hintergrund
Wenn die Diagnose Anämie gestellt ist, beginnt die Suche nach der Ursache der Anämie. Da eine Anämie vielfältige Ursachen haben kann, soll hier ein kleiner schematischer Ablauf dargestellt werden, der sich in der Ursachenfindung der Anämie als hilfreich erwiesen hat.
Die Grundlage jeder Anämiediagnostik bildet das Differentialblutbild; dieses enthält auch die Erythrozytenindizes und die Erythrozytenverteilungsbreite. Des Weiteren sollten die Eisenstoffwechsel-Parameter (Ferritin, evtl. auch Transferrin und Transferrinsättigung), die Retikulozytenzahl (möglichst mit Retikulozytenhämoglobin), Vitamin B12 und Folsäure bestimmt werden.
Liegen die Retikulozytenwerte vor, kann man die Anämie in eine hyporegenerative oder hyperregenerative Anämie einteilen. Bei der hyporegenerativen Anämie liegt die Retikulozytenzahl unter 30.000 /µl. Bei einer hyperregenerativen Anämie liegt die Retikulozytenzahl über 70.000 /µl. Besser geeignet zur Beurteilung der Regenerationsleistung des Knochenmarks ist der Retikulozytenproduktionsindex.
Schema bei hyporegenerativer Anämie
Nachdem die Retikulozytenwerte bestimmt sind, schaut man nun auf das MCV, das mittlere korpuskuläre Volumen der Erythrozyten.
Ist das MCV erhöht (> 100 fl), handelt es sich also um eine makrozytäre hyperchrome Anämie, dann werden als nächstes Vitamin B12- und Folsäurespiegel angeschaut. Sind diese Werte normal, wird eine Knochenmarksbiopsie mit Zytologie zur weiteren Diagnostik durchgeführt. Sind Vitamin B12 und Folsäure erniedrigt, spricht dies für eine Vitamin-B12- und/oder Folsäuremangelanämie.
Ist das MCV erniedrigt (< 80 fl), (mikrozytäre hypochrome Anämie) schaut man sich die Eisenstoffwechsel-Parameter an. Sind Ferritin und Retikuloyztenhämoglobin erniedrigt, spricht dies für eine Eisenmangelanämie. In komplizierten Fällen, z.B. bei gleichzeitigem Infekt, können zusätzlich Transferrin, Eisen und die Transferrinsättigung bestimmt werden, bei einfachem Eisenmangel ist Ferritin ausreichend. Eisenmangel ist bei weitem die häufigste Anämie-Ursache. Zusätzlich sollte eine Diagnostik hinsichtlich okkultem Blutverlust erwogen werden.
Sind Serumeisen und die Transferrinsättigung erniedrigt und das Ferritin normal oder erhöht, spricht das eher für eine Anämie bei chronischer Erkrankung, z.B. eine Tumoranämie oder Infektanämie. Dann schließt sich die Suche nach einer Infektion bzw. nach einem Tumor an. Es liegt oft ein zusätzlicher Eisenmangel vor, der durch die Bestimmung des löslichen Transferrinrezeptors oder des Hepcidinspiegels im Serum festgestellt werden kann.
Sind Eisen und Ferritin normal oder erhöht und Transferrin normal, können verschiedene Ursachen wie eine sideroblastische Anämie, eine Thalassämie oder eine andere Hämoglobinopathie vorliegen.
Ist das MCV normalwertig (80-100 fl), schaut man auf die Leukozytenzahl. Ist diese normal, müssen wieder die Eisenparameter zurate gezogen werden. Ein normales oder erniedrigtes Eisen mit einem erhöhten Ferritin kann eine Infektion, einen Tumor oder eine Endokrinopathie zur Ursache haben.
Ist die Leukozytenzahl normal und gleichzeitig die Kreatinin-Clearance als Nierenparameter erniedrigt, handelt es sich um eine renale Anämie mit einem Erythropoietinmangel. Eine erniedrigte Leukozytenzahl führt zur Indikation einer Knochenmarksbiopsie mit Zytologie zur weiteren Ursachenforschung. Hier hinter können sich eine Leukämie, die Infektion mit dem Parvovirus B19, ein myelodysplastisches Syndrom (MDS), eine Medikamentennebenwirkung, eine aplastische Anämie oder ein Tumor verbergen.
Schema bei hyperregenerativer Anämie
Liegt eine hyperregenerative Anämie vor, ist es zunächst erforderlich, sich die Hämolysezeichen anzuschauen. Dazu gehören das Bilirubin, LDH, Haptoglobin, Urobilinogen und das freie Hämoglobin.
Sind die Hämolysezeichen negativ, muss eine Blutung ausgeschlossen werden.
Sind die Hämolysezeichen positiv, folgt die Bestimmung des Coombs-Tests. Ist dieser positiv, so liegt eine autoimmunhämolytische Anämie durch Kälteantikörper oder Wärmeantikörper vor. Ist der Coombs-Test negativ, müssen Fragmentozyten und Thrombozyten bestimmt werden.
- Negative Fragmentozyten sprechen für eine Hämoglobinopathie (z.B. Thalassämie), eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH), Malaria oder eine Enzymopathie.
- Positive Fragmentozyten und normale Thrombozyten sprechen für ein Hämangiom oder Probleme durch eine künstliche Herzklappe, an welcher die Erythrozyten zerstört werden.
Positive Fragementozyten und erniedrigte Thrombozyten sprechen wiederum unter anderem für einen Hypersplenismus, ein HUS, eine Mikroangiopathie oder eine TTP.