Retikulozytenproduktionsindex
Englisch: reticulocyte production index, corrected reticulocyte count
Definition
Der Retikulozytenproduktionsindex, kurz RPI, ist ein Laborparameter zur Beurteilung der Blutbildung im Knochenmark, genauer gesagt der Erythropoese. Eine einfachere Variante des RPI ist der Retikulozytenindex.
Hintergrund
Die Angabe eines Normbereiches für die Retikulozytenzahl birgt das Problem, dass bei einer niedrigen Hämoglobin-Konzentration bzw. einem niedrigen Hämatokrit (HK) die Regenerationsleistung des Knochenmarkes physiologisch gesteigert ist. Eine normale Retikulozytenzahl ist in diesem Fall tatsächlich zu niedrig. Außerdem wird bei gesteigerter Erythropoese die Reifungszeit der Retikulozyten im Knochenmark kürzer, dafür im peripheren Blut länger (sog. "shift"). Die Retikulozytenzahl muss also überproportional steigen.
Die Reifungszeit der Retikulozyten im peripheren Blut bzw. der shift verhält sich daher umgekehrt proportional zum Hämatokrit: Fällt dieser, steigt der shift. Um in diesem Setting eine Aussage über die Effektivität des Knochenmarkes machen zu können, wird der RPI berechnet.
Berechnung
Der Retikulozytenproduktionsindex kann mit folgender Formel näherungsweise berechnet werden:
Der Wert 0,45 steht für den "idealen" Hämatokrit. Als Wert für shift ist dabei einzusetzen:
| Hämatokrit (l/l) | Reifungszeit bzw. shift (d) |
|---|---|
| 0,45 | 1 |
| 0,35 | 1,5 |
| 0,25 | 2 |
| 0,15 | 2,5 |
Interpretation
Im "steady state", bei normaler Regeneration ohne Anämie, liegt der RPI bei etwa 1.
Bei einer Anämie dient der RPI der funktionellen Einteilung:
- RPI ≥ 2 (hyperregeneratorische Anämie): Anämie mit adäquater Regeneration (bzw. normaler Erythropoese)
- RPI < 2 (hyporegeneratorische Anämie): Anämie mit inadäquater Regeneration (bzw. erythropoetischer Insuffizienz).
Falls die Anämie durch eine akute Blutung verursacht wird, muss eine "Hochlaufzeit" des Knochenmarkes von ca. 5 Tagen beachtet werden. Unmittelbar nach einem Blutverlust kann die Erythropoese noch nicht gesteigert sein.
Da die Annahme eines normalen Hämatokrit von 0,45 l/l für Kinder nicht zutrifft – bei Neugeborenen ist der Hämatokrit deutlich höher, bei älteren Kindern niedriger – wurde ein altersadjustierter Retikulozytenproduktionsindex RPI/A entwickelt, bei dem angepasste Hämatokritwerte für die Berechnung verwendet werden.[1]
Quelle
- ↑ Bracho FJ, Osorio, IA: Evaluation of the Reticulocyte Production Index in the Pediatric Population. American Journal of Clinical Pathology 2020; 154:70-77.