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SGLT-2-Inhibitor

Synonyme: SGLT-2-Hemmer, SGLT2-Inhibitor, SGLT2-Hemmer, Gliflozin
Englisch: SGLT2-inhibitor, sodium-glucose cotransporter-2 inhibitor

1. Definition

Die SGLT-2-Inhibitoren, kurz SGLT2i, sind Arzneistoffe die zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2, der chronischen Herzinsuffizienz und der chronischen Niereninsuffizienz eingesetzt werden.

2. Geschichte

SGLT-2-Inhibitoren wurden ursprünglich als Antidiabetika entwickelt. Nach der Beobachtung (unerwarteter) positiver Effekte auf die Herz- und Nierenfunktion wurde die Indikation jedoch auf die chronische Herzinsuffizienz und die chronische Niereninsuffizienz erweitert.

3. Wirkstoffe

Bisher in Deutschland zugelassene SGLT-2-Inhibitoren sind:

Außerdem existieren weitere, bisher (2023) in Deutschland nicht zugelassene Wirkstoffe:

4. Wirkmechanismus

SGLT-2-Inhibitoren hemmen spezifisch den renalen, natriumabhängigen Glukosetransporter SGLT-2 (sodium-dependent glucose co-transporter 2). Dieses Transportprotein befindet sich im proximalen Tubulus der Niere und ist für ca. 90 % der Glukoserückresorption verantwortlich. Als Folge kommt es zur vermehrten Glukoseausscheidung über den Harn (Glukosurie) mit osmotischer Diurese. Die SGLT-2-Inhibitoren wirken also unabhängig vom Insulinstoffwechsel. Der SGLT-1-Transporter, der u.a. im Darm für die Absorption der Glukose zuständig ist, wird i.d.R. nicht gehemmt. Eine Ausnahme stellt z.B. Sotagliflozin dar, das beide Transporter hemmt.

Der genaue Wirkmechanismus, der die kardio- und nephroprotektiven Effekte vermittelt, ist bislang (2023) nicht abschließend geklärt. Es handelt sich wahrscheinlich um einen multifaktoriellen Vorgang.

5. Wirkung

5.1. Antidiabetische Wirkung

SGLT-2-Inhibitoren können innerhalb von drei Monaten die Blutglukosewerte um bis zu 30 mg/dl und den HbA1c-Wert um ca. 0,6 Prozentpunkte senken. Dabei besteht weder das Risiko einer Hypoglykämie noch einer Störung im Elektrolythaushalt.

Es gibt Hinweise, dass der Einsatz von SGLT-2-Inhibitoren vor dem Auftreten einer diabetischen Nephropathie schützen kann und einen Progress einer bestehenden Nephropathie verlangsamen kann.

5.2. Kardioprotektive Wirkung

Weiterhin haben SGLT-2-Hemmer einen positiven Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko. Sie bewirken eine leichte Gewichtsabnahme (ca. 1,3 bis 2,0 kg) und eine Blutdrucksenkung. Die erhöhte Glukose- und Wasserausscheidung führt zu einem reduzierten Plasmavolumen und somit zu einer Senkung der Vor- und Nachlast des Herzens. Dadurch wird das Risiko der Entwicklung bzw. einer Verschlechterung einer Herzinsuffizienz reduziert. Dieser Effekt wurde sowohl bei Patienten mit Diabetes mellitus als auch bei sonst gesunden Probanden festgestellt. Teils zeigte sich auch ein positiver Einfluss auf eine vorliegende koronare Arteriosklerose.

5.3. Nephroprotektive Wirkung

SGLT-2-Hemmer haben eine nephroprotektive Wirkung. Zu Beginn der Therapie kommt es zu einem transienten Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Dies ist mit einer Vasokonstriktion des Vas afferens aufgrund der veränderten Natriumkonzentration zu erklären. Dadurch reduziert sich der intraglomeruläre Druck und die Glomeruli werden geschützt.

Nach einigen Wochen der Anwendung verbessert sich die GFR wieder. Im Krankheitsverlauf der diabetischen Nephropathie zeigt sich anschließend ein insgesamt langsameres Absinken der GFR im Vergleich zu Patienten, die keine SGLT-2-Inhibitoren einnehmen.

6. Indikationen

7. Nebenwirkungen

SGLT-2-Inhibitoren haben eine Reihe von Nebenwirkungen, hierzu gehören zum Beispiel:

Anders als initial angenommen gibt es nach aktuellem Stand (2023) keinen Hinweis auf eine Kanzerogenität von SGLT-2-Inhibitoren.

8. Kontraindikationen

SGLT-2-Inhibitoren sind kontraindiziert bei:

Aktuell (2023) wird eine Anwendung bei stark eingeschränkter Nierenfunktion laut Fachinformation aufgrund fehlender Erfahrungswerte nicht empfohlen.

9. Labormedizin

In Urinproben, die vor der Analyse ungekühlt aufbewahrt werden, kann es aufgrund der Glukosurie zu Gärungsprozessen kommen. Im Ergebnis der Umwandlung von Glukose wird in diesen Proben trotz Alkoholabstinenz Ethanol falsch positiv bestimmt.[5]

10. Klinische Studien

Während des Zulassungsprozesses wurden verschiedene klinische Studien durchgeführt, dazu gehören z.B.:

10.1. Kardioprotektion

2015 wurde EMPA-REG-Studie Empagliflozin bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und hohem kardiovaskulärem Risiko getestet. Hierbei zeigte sich eine Reduktion von kardiovaskulären Endpunkten (Auftreten eines Schlaganfalls, Myokardinfarkts oder der kardiovaskulär bedingte Tod und Häufigkeit stationärer Aufnahmen aufgrund einer Herzinsuffizienz), unabhängig von der HbA1c-Senkung.[6] Die 2018 veröffentlichten Ergebnisse der EMPA-REG-Outcome-Studie konnten diesen kardiovaskulären Benefit auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion reproduzieren.[7][8]

Weiterhin konnte die CANVAS-Studie eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität für Canagliflozin zeigen.[9][10]

Eine weitere Phase-3-Studie (DECLARE-TIMI 58) untersuchte den kardiovaskulären Benefit von Dapagliflozin[11]: Hierbei zeigte sich eine Reduktion der stationären Aufnahmen wegen kardialer Dekompensation, wobei im Gegensatz zu den anderen zwei Studien keine Senkung atherosklerotischer Ereignisse (Myokardinfarkt, Apoplex) festgestellt werden konnte.

In der DAPA-HF-Studie wurde erstmals Dapagliflozin bei Patienten mit Herzinsuffizienz (ab Stadium NYHA II) getestet. Hierbei zeigte sich eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes (kardiovaskulärer Tod, Hospitalisierung aufgrund der Herzinsuffizienz), auch bei Patienten ohne Diabetes mellitus.[12]

Bei Betroffenen mit Herzinsuffizienz vom HFpEF-Typ wurde das relative Risiko eines Todes nach kardiovaskulärem Ereignis durch Einnahme von Empagliflozin um 21 % reduziert.[13]

10.2. Nephroprotektion

In den Studien CANVAS, EMPA-REG-Outcome und DECLARE-TIMI konnte bereits eine Nephroprotektion beobachtet werden, jedoch handelte es sich nur um einen sekundären Endpunkt.[14]

Die CREDENCE-Studie konnte 2019 einen nephroprotektiven Effekt von Canagliflozin bei chronisch nierenkranken Patienten mit Diabetes mellitus und Albuminurie aufzeigen.[15] Außerdem zeigte sich eine Reduktion der nieren- und herzspezifischen Endpunkte (terminales Nierenversagen, Verdopplung des Kreatininwertes oder renal-bedingter Tod sowie terminales Nierenversagen allein bzw. kardiovaskulär-bedingter Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall sowie Hospitalisierung aufgrund von Herzversagen).

Nach Ergebnissen der RED-Studie wird pathophysiologisch eine Dilatation des Vas efferens vermutet.[16]

Inzwischen wird der frühe Einsatz von SGLT-2-Inhibitoren bei Typ-2-Diabetikern mit hohem kardialen oder renalen Risiko von der American Diabetes Association (ADA), der European Association for the Study of Diabetes (EASD) und des American College of Cardiology (ACC) empfohlen. Dabei wird Empafliglozin präferiert. Die European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt in der aktuellen (2019) Leitlinie sogar erstmals den Einsatz von SGLT-2-Inhibitoren bei Diabetikern mit hohem kardiovaskulärem Risiko vor einer Metformin-Therapie.[17]

Eine Meta-Analyse zum Einsatz von SGLT-2-Inhibitoren bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung zeigte, dass das Risiko einer weiteren Verschlechterung der Erkrankung (z.B. Zunahme des Schweregrades bzw. Stadiums, Abnahme der GFR) reduziert wurde.[18] Die schützende Wirkung ist jedoch von der Grunderkrankung und weiteren Faktoren abhängig.

11. Literatur

12. Quellen

  1. Gemeinsamer Bundesausschuss – Beschluss über Änderung der Arzneimittel-Richtlinie, Stand 15.09.2022
  2. Deutsches Ärzteblatt – Zulassungserweiterung HFmrEF und HFpEF: Dapagliflozin bei HF, abgerufen am 24.08.2023
  3. BfArM - Rote-Hand-Brief zu SGLT2-Inhibitoren ("Sodium-Glucose-Co-Transporter 2 Inhibitors"): Risiko einer Fournier Gangrän (nekrotisierende Fasziitis des Perineums) bei der Anwendung, 21.01.2019
  4. BfArM – Informationsbrief zu SGLT2-Inhibitoren: Risiko einer diabetischen Ketoazidose. Veröffentlicht am 09.07.2015
  5. Schwartz AL. SGLT2 Inhibitors and False Positive Toxicology Tests. N Engl J Med. 2024
  6. Zinman B et al. Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes, N Engl J Med 2015; 373:2117-2128, abgerufen am 11.11.2019
  7. Inzucchi SE et al. Improvement in Cardiovascular Outcomes With Empagliflozin Is Independent of Glycemic Control, Circulation. 2018;138:1904–1907
  8. Wanner C et al. Empagliflozin and Clinical Outcomes in Patients With Type 2 Diabetes Mellitus, Established Cardiovascular Disease, and Chronic Kidney Disease, Circulation. 2018;137:119–129
  9. Radholm K et al. Canagliflozin and Heart Failure in Type 2 Diabetes Mellitus: Results From the CANVAS Program (Canagliflozin Cardiovascular Assessment Study), Circulation. 2018
  10. Neal B et al. Rationale, design, and baseline characteristics of the Canagliflozin Cardiovascular Assessment Study (CANVAS)—A randomized placebo-controlled trial, American Heart Journal. Band 166, Nummer 2, 2013
  11. Wiviott SD et al. Dapagliflozin and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes, N Engl J Med 2019
  12. McMurray JJV et al. The Dapagliflozin And Prevention of Adverse‐outcomes in Heart Failure (DAPA‐HF) trial: baseline characteristics, European Journal of Heart Failure. 2019
  13. Anker et al. Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction, The New England Journal of Medicine, 2021
  14. Herrington WG et al. The potential for improving cardio-renal outcomes by sodium-glucose co-transporter-2 inhibition in people with chronic kidney disease: a rationale for the EMPA-KIDNEY study, Clinical Kidney Journal, Volume 11, Issue 6, December 2018, Pages 749–761
  15. Perkovic V et al. Canagliflozin and Renal Outcomes in Type 2 Diabetes and Nephropathy, N Engl J Med 2019; 380:2295-2306
  16. van Bommel EJM et al. The renal hemodynamic effects of the SGLT2 inhibitor dapagliflozin are caused by post-glomerular vasodilatation rather than pre-glomerular vasoconstriction in metformin-treated patients with type 2 diabetes in the randomized, double-blind RED trial, Kidney International, 2019
  17. Cosentino F et al. 2019 ESC Guidelines on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases developed in collaboration with the EASD: The Task Force for diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD), European Heart Journal. 2019, abgerufen am 11.11.2019
  18. Li et al. Effects of SGLT2 Inhibitors on Renal Outcomes in Patients With Chronic Kidney Disease: A Meta-Analysis, Frontiers in Medicine, 2021

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