Trizyklische Antidepressiva
Englisch: tricyclic antidepressant, TCA
Definition
Trizyklische Antidepressiva, kurz TZAs, sind eine Wirkstoffgruppe aus der Reihe der Antidepressiva.
Eigenschaften
Trizyklische Antidepressiva weisen gemeinsame chemische Merkmale auf. Sie bestehen aus einem dreigliedrigen ("trizyklisch") Ringsystem mit einem mittelständigen Ring aus sieben Kohlenstoff-Atomen. Am mittleren Ring befindet sich eine Kohlenwasserstoffkette mit einer endständigen Aminogruppe.
Ausgehend hiervon sind eine Vielzahl von Analogsubstanzen entwickelt worden, die ein ähnliches Wirkungsprofil aufweisen, jedoch teilweise auch im Detail ein eigenes Wirkungsprofil haben.
Wirkmechanismus
Trizyklische Antidepressiva haben vielfältige Wirkungsmechanismen.
- Sie hemmen den neuronalen Reuptake von Serotonin und Noradrenalin im ZNS.
- Sie blockieren im ZNS und peripher unter anderem die Rezeptoren der Transmitter Serotonin, Noradrenalin und Acetylcholin.
Aus diesen vielfältigen Wirkungen an Strukturen des Nervensystems resultieren eine Vielzahl von erwünschten und unerwünschten Wirkungen.
Substanzen
Aus der Vielzahl der Substanzen wirken einige bei Anwendung über mehrere Wochen eher antriebssteigernd, andere eher dämpfend. Zu den trizyklischen Antidepressiva zählen beispielsweise:
- Amitriptylin (stärker sedierende und dämpfende Wirkung)
- Clomipramin (stimmungsaufhellend)
- Desipramin (antriebssteigernd, stimulierend)
- Dosulepin (in D außer Handel)
- Doxepin (schlafauslösend)
- Imipramin (eher antriebssteigernd)
- Nortriptylin (antriebssteigernd)
- Opipramol (dämpfend)
- Protriptylin
- Trimipramin (schlafauslösend)
Leitsubstanzen sind Imipramin und Amitriptylin. Imipramin wirkt akut dämpfend, bei regelmäßiger Einnahme erfolgt jedoch ein Wandel der Wirkung – die Stimmung des Patienten wird besser, der Antrieb steigt.
Im Gegensatz dazu wirkt Amitryptilin auch nach einer Einnahme über mehrere Wochen noch dämpfend, hellt jedoch die Stimmungslage des Depressiven im Verlauf der Therapie auf.
Das Wirkprofil der einzelnen Substanzen sollte je nach Ausprägung der Depression beachtet werden. Agitiert unruhige Depressive profitieren beispielsweise von einer dämpfenden antidepressiven Therapie mit Amitryptilin. Bei bestehender Suizidgefahr sind antriebssteigernde Antidepressiva wie Imipramin und Desipramin kontraindiziert.
Anwendung
Trizyklische Antidepressiva müssen über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen werden. Der antidepressive Effekt tritt in der Regel erst nach 1 bis 2 Wochen ein. Auch nach Überwindung der depressiven Phase sollte die Medikation fortgeführt werden, um einem Rezidiv vorzubeugen.
Im besten Fall treten die vegetativen Nebenwirkungen bei Langzeitanwendung in den Hintergrund und die antidepressive Wirkung bleibt bestehen.
Nebenwirkungen
Bei den gruppenspezifischen Nebenwirkungen der trizyklischen Antidepressiva sind akute Nebenwirkungen bei Behandlungsbeginn und chronische Nebenwirkungen bei Dauertherapie zu unterscheiden. Die Mehrheit der unerwünschten Effekte entsteht durch die anticholinerge Wirkung der trizyklischen Antidepressiva.
Akute Nebenwirkungen, die bereits bei Beginn der Aufnahme auftreten:
- Tachykardie
- Mundtrockenheit
- Blasenentleerungsstörungen
- Orthostase-Syndrom
- Verschlechterung einer bestehenden Herzinsuffizienz
Auch das Erregungsleitungssystem des Herzen ist von den Nebenwirkungen betroffen. So können im EKG Veränderungen auftreten, meistens in Form einer Abflachung der T-Welle.
Nebenwirkungen einer Dauerbehandlung können sein:
- Tremor
- Sehstörungen
- Obstipation
- psychische Alterationen (z.B. delirante Zustände)
Selten treten allergische Reaktionen, Knochenmarkschädigung und eine Cholestase (Leberschädigung) auf. Ein abruptes Absetzen nach längerer Einnahme kann zu Entzugserscheinungen führen. Die akuten und chronischen Nebenwirkungen sind auf die vielfältigen Effekte an Rezeptoren des vegetativen Nervensystems zurückzuführen.
Auch nach Absetzen der Medikation kann es zu langfristiger oder sogar dauerhafter SSRI-bedingter sexueller Dysfunktion (PSSD) kommen.[1]
Wechselwirkungen
Bei Verwendung von Lokalanästhetika mit Epinephrinhydrochlorid wird die Wirkung des Lokalanästhetikums durch trizyklische Antidepressiva verstärkt.
Kontraindikationen
Eine wichtige Kontraindikation für die Einnahme von trizyklischen Antidepressiva sind akute Vergiftungen oder hochdosierte Einnahmen von Alkohol, Opioiden und Hypnotika (Wirkungsverstärkung). Vorsicht ist zudem bei Vorschädigungen des Herzens und der Nieren geboten.
Bei BPH und Engwinkelglaukom wirken sich die anticholinergen Nebenwirkungen der Trizyklika negativ auf die Pathophysiologie der Erkrankungen aus. Beide Erkrankungen sind daher relative Kontraindikationen.
Eine wichtige Kontraindikation ist die zuvor im Text erwähnte Suizidgefahr. Antriebssteigernde Trizyklika sind bei Suizidgefahr absolut kontraindiziert.
Akute Vergiftungen
Die Einnahme großer Mengen trizyklischer Antidepressiva, unter Umständen in suizidaler Absicht, führt zu akuten Vergiftungserscheinungen mit:
- Krampfanfall bzw. erhöhte Krampfbereitschaft
- Tachykardie, Herzrhythmusstörungen
- Bewusstseinsstörungen, bei Überwiegen der anticholinergen Wirkung jedoch auch Erregungszustände
Die Vergiftungserscheinungen sind Ausdruck einer funktionellen Überaktivität des Sympathikus. Die Therapie der Vergiftung besteht in einer intensivmedizinischen Überwachung und Antagonisierung der Vergiftungserscheinung durch wiederholte Gaben eines Cholinesterase-Hemmers, z.B. Physostigmin. Aufgrund der Gefahr einer lebensbedrohlichen Bradykardie unter Physostigmin besteht die Therapie inzwischen i.d.R. aus Natriumbicarbonat- und repetitiver Aktivkohlegabe und einer symptomatischen Behandlung.
Labormedizin
Material
Für die Untersuchung werden 2 ml Serum benötigt.
Referenzbereich
Präparat | Therapeutischer Bereich [ng/ml] |
Toxischer Bereich [ng/ml] |
---|---|---|
Amitryptilin (Saroten®) wirksamer Metabolit: Nortriptylin |
50 bis 250 50 bos 250 |
> 400 > 500 |
Clomipramin (Anafranil®) wirksamer Metabolit: Desmethylclomipramin |
20 bis 140 20 bis 100 |
> 300 k.A. |
Desipramin (Pertrofran®) | 30 bis 300 | > 1.000 |
Dibenzepin (Noveril®) | 50 bis 250 | > 3.000 |
Doxepin (Aponal®) | 10 bis 200 | > 500 |
Imipramin (Tofranil®) wirksamer Metabolit: Desipramin |
50 bis 150 30 bis 300 |
> 1.000 > 1.000 |
Maprotilin (Aneural®) | 50 bis 250 | > 1.000 |
Nortryptilin (Nortrilen®) | 50 bis 250 | > 500 |
Trimipramin | 20 bis 200 | > 500 |
Neben dem eigentlichen Präparat sollte gegebenenfalls auch die Konzentration der wirksamen Metabolite bestimmt werden.
Hinweis: Referenzwerte sind häufig vom Messverfahren abhängig und können von den o.a. Werten abweichen. Ausschlaggebend sind die Referenzwerte, die vom Labor angegeben werden, das die Untersuchung durchführt.
Falsch-positive Ergebnisse
Im Urin-Schnelltest kann es durch Kreuzreaktionen mit Carbamazepin, Diphenhydramin und Quetiapin zu falsch-positiven Ergebnissen kommen.[2][3]
Quellen
- ↑ Peleg et al. Post-SSRI Sexual Dysfunction (PSSD): Biological Plausibility, Symptoms, Diagnosis, and Presumed Risk Factors. Sex Med Rev. 10(1):91-98. 2022
- ↑ Pfäffli M et al. Urinschnelltests (Immunoassays) auf Drogen und Medikamente. Schweiz Med Forum 2013
- ↑ Dicheva-Radev S. Falsch-positiver Test auf Amphetamin unter Methyldopa. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 02/2024, abgerufen am 17.07.2024
Literatur
- Bellmann R, Joannidis M: Vergiftungen mit psychotropen Substanzen. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin. 6/2017. Springer Medizin Verlag
- Herdegen et al.: Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie. 2. Auflage, 2010. Thieme Verlag
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