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Antidepressivum

(Weitergeleitet von Antidepressiva)

Englisch: antidepressive drug

1. Definition

Antidepressiva sind Medikamente, die zur Therapie von Depressionen eingesetzt werden. Daneben besitzen Antidepressiva zahlreiche andere Anwendungsbereiche, z.B. in der Schmerztherapie, bei Angst-, Panik- und Zwangsstörungen.

2. Einteilung

In der Literatur wird die Einteilung der Antidepressiva sehr unterschiedlich gehandhabt. Die hier gewählte Unterteilung hat daher nicht den Anspruch der Allgemeingültigkeit. Nach strukturchemischen und biochemisch-pharmakologischen Eigenschaften unterscheidet man zwischen:

3. Trizyklische Antidepressiva

Trizyklische Antidepressiva haben ein sehr breites Spektrum an pharmakologischen Wirkungen. Bei einmaliger bzw. kurzfristiger Gabe zeigen sie eine hemmende Wirkung auf die Wiederaufnahme der Monoamine Noradrenalin und Serotonin aus dem synaptischen Spalt, während sie die Dopaminwiederaufnahme nur geringfügig beeinflussen. Bei langfristiger Gabe verändern sie die zentralnervösen Rezeptoren (z.B. Downregulation zentraler β-Rezeptoren, Aktivierung postsynaptischer α-Rezeptoren, Verstärkung GABAerger Aktivität im Frontalhirn). Ferner beeinflussen trizyklische Antidepressiva den Histamin-Spiegel in bestimmten Teilen des Gehirns.

Trizyklische Antidepressiva besitzen grundsätzlich eine stimmungsaufhellende (thymoleptische) Wirkung. Substanzspezifisch bestehen mehr antriebssteigernde (thymeretische) oder antriebshemmende bzw. sedierende Eigenschaften.

Die anfängliche Antriebssteigerung kann vermehrt zu suizidalen Handlungen führen. Erst nach 2 bis 3 Wochen tritt der thymoleptische Effekt ein. Aufgrund der ausgeprägten Nebenwirkungen ist die therapeutische Bedeutung der trizyklischen Antidepressiva inzwischen (2025) deutlich zurückgegangen.

Während sie zur Behandlung von Depressionen üblicherweise nicht mehr als First-Line-Therapie gelten, finden sie noch Off-Label Verwendung, z.B. zur Behandlung von Migräne und chronischen Schmerzen oder neuropathischen Schmerzen.

Man unterscheidet zwischen drei Substanzgruppen:

Substanzgruppe Nebenwirkungen Besonderheiten
Amitriptylin-Typ
  • Einsatz bei Depressionen mit Unruhezuständen (2. Wahl)
  • nicht bei Demenz und älteren Patienten indiziert
  • Einsatz auch als Co-Analgetikum
Desipramin-Typ
  • antriebssteigernd
  • QT-Verlängerung
  • sonst ähnliche, aber schwächere Nebenwirkungen im Vergleich zum Amitriptylin-Typ
Imipramin-Typ
  • antriebssteigernd
  • QT-Verlängerung
  • sonst ähnliche, aber schwächere Nebenwirkungen im Vergleich zum Amitriptylin-Typ
  • bei Clomipramin: Gefahr eines Serotonin-Syndroms
  • nicht bei Demenz und älteren Patienten indiziert
  • Einsatz auch als Co-Analgetikum

Die wichtigsten Vertreter sind:

Gruppe Freiname Charakteristika
Amitriptylin-Typ Amitriptylin Standardsubstanz, stimmungsaufhellend, sedierend
Doxepin stimmungsaufhellend, sedierend, Einsatz auch als Schlafmittel
Opipramol sedierend, nur schwach antidepressiv
Trimipramin stimmungsaufhellend, sedierend, Einsatz auch als Schlafmittel
Desipramin-Typ Desipramin stimmungsaufhellend, aktivierend
Nortriptylin stimmungsaufhellend, aktivierend, Metabolit von Amitriptylin
Imipramin-Typ Imipramin stimmungsaufhellend, historisch erstes Antidepressivum
Clomipramin stimmungsaufhellend

4. Tetrazyklische Antidepressiva

Tetrazyklische Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend und sedierend. Dazu zählen:

Freiname Charakteristika
Maprotilin
Mianserin
  • Blockade präsynaptischer zentraler α2-Rezeptoren (erhöhte Noradrenalinfreisetzung), Serotonin- und H1-Antagonist
  • geringere anticholinerge und kardiotoxische Nebenwirkungen als trizyklische Antidepressiva
  • Risiko einer Agranulozytose
  • Gewichtszunahme
Mirtazapin
  • Blockade präsynaptischer zentraler α2-Rezeptoren, H1-Antagonist, Blockade von 5-HT2 und 5-HT3-Rezeptoren
  • Praktisch keine anticholinerge und kardiotoxische Nebenwirkungen
  • Gewichtszunahme
  • wird auch zu den atypischen Antidepressiva gezählt
  • Mittel der Wahl bei nicht antriebsgeminderten, depressiven Episoden

Mianserin und Mirtazapin werden auch als NaSSA (Noradrenergic and Specific Serotonergic Antidepressant) zusammengefasst.

5. Selektive Serotonin-Reuptake-Hemmer (SSRI)

Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, kurz SSRI, verhindern selektiv die Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt. Sie weisen einen den trizyklischen Antidepressiva gleichwertigen antidepressiven Effekt bei besserer Verträglichkeit und nur geringer Toxizität auf. Daher sind sie Mittel der Wahl bei Depression und bei Angst- und Zwangsstörungen. Häufigste Nebenwirkungen sind Appetitlosigkeit (aber auch gesteigerter Appetit), Übelkeit, Erbrechen und sexuelle Funktionsstörungen. Sie wirken nicht sedierend, sondern häufig antriebssteigernd. Zu den SSRI zählen:

6. Atypische Antidepressiva

Atypische Antidepressiva sind eine heterogene Wirkstoffgruppe mit selektiver Wirkung auf die Wiederaufnahmemechanismen der biogenen Amine. Sie weisen in der Regel eine bessere Verträglichkeit als trizyklische Antidepressiva auf. Sie wirken nicht anticholinerg und besitzen kaum kardiale Nebenwirkungen.

6.1. Selektive Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Hemmer (SSNRI)

Zu den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Hemmern (SSNRI) zählen:

6.2. Selektive Noradrenalin-Dopamin-Reuptake-Hemmer (SNDRI)

Als selektiver Noradrenalin-Dopamin-Reuptake-Hemmer (SNDRI) wirkt:

6.3. Selektive Noradrenalin-Reuptake-Hemmer (NARI)

Zu den selektiven Noradrenalin-Reuptake-Hemmern (NARI) zählen:

6.4. Trazodon

Trazodon ist ein sedierender Serotonin-Reuptake-Hemmer und ein 5-HT2-Rezeptor-Antagonist. Außerdem wirkt er über eine α2-Blockade.

6.5. Weitere Wirkstoffe

Weitere Wirkstoffe, die jedoch nicht in Deutschland verfügbar sind:

7. MAO-Hemmer

MAO-Hemmer hemmen den Abbau von Noradrenalin und Serotonin. Dazu zählen:

8. Sonstige Antidepressiva

9. Neuroleptika mit antidepressiver Wirkung

Einige eigentlich als Neuroleptika klassifizierte Psychopharmaka weisen eine antidepressive Wirkung auf. Hierzu zählen:

10. Nebenwirkungen

10.1. Typische Nebenwirkungen

Typischerweise treten folgende Nebenwirkung auf:[2]

10.2. Seltene, aber ernsthafte Nebenwirkungen

11. Kontraindikationen

Aufgrund der Vielfältigkeit der Arzneistoffe ist die Liste nicht vollständig und nicht jede Kontraindikation betrifft zwingend jeden Arzneistoff. Die häufigsten Kontraindikationen sind:

11.1. Allgemein

11.2. Trizyklische Antidepressiva

12. Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Antidepressiva wird kontrovers diskutiert. Auf der Basis einer kritischen Sichtung von über 500 klinischen Studien lässt sich keine Wirksamkeit belegen, die über den Placebo-Effekt hinausgeht.[3] Allerdings liegen noch wenig Daten zu neueren Antidepressiva (z.B. Esketamin) vor.

13. Quellen

14. Literatur

Sophie Deckardt
Peer reviewed am 01.06.2022 von Sophie Deckardt
Fachgebiete: Pharmakologie

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