Angststörung
Definition
Als Angststörungen bezeichnet man eine Gruppe psychischer Störungen, die ihre Gemeinsamkeit in einem übersteigerten Angstempfinden haben. Betroffene Menschen erleben ausgeprägte Angst und körperliche Angstsymptome, die i.d.R. so stark sind, dass sie das alltägliche Leben beeinträchtigen.
Pathophysiologie
Angststörungen entstehen durch "Fehl-" bzw. "Überreaktionen" des Körpers, der im vegetativen Nervensystem auf Alarm schaltet, obwohl von außen gesehen kein Grund für eine solche Reaktion vorliegt.
Einteilung
Die Angststörungen lassen sich in folgende Gruppen unterteilen:
Allen diesen Störungen gemeinsam ist, dass
- ...immer eine als beunruhigend erlebte körperliche Erregung besteht
- ...die Betroffenen sich bemühen, den in der Umwelt oder im Körper liegenden Auslöser der Angst zu vermeiden, d.h. sich durch gezielte Handlungen oder Gedanken der Angst zu entziehen
Therapie
Bei der Behandlung der Angststörungen lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze unterscheiden, die Selbsthilfe und die Verhaltenstherapie oder Psychotherapie, manchmal in Kombination mit Anxiolytika.
Selbsthilfe
Bei der Selbsthilfe muss der Erkrankte selbst eine neue Einstellung zur Angst gewinnen und sich ihr stellen. Er kann sich alle möglichen Angstsituationen ins Gedächtnis rufen und muss diese nach und nach in gesteigerter Form meistern. Dabei wird die Erwartungsangst langsam herabgesetzt. Die Situationen müssen lange und bewusst erlebt werden, so dass die Erfahrung gewonnen werden kann, dass die "Katastrophe" nicht eintritt. Dadurch nimmt die Anstrengung automatisch ab. Zusätzlich dazu sind progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Medikamente, Selbsthilfegruppen, Selbsthilfebücher und körperliche Fitness nützlich.
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie wird beim Diplom-Psychologen, Psychiater, Nervenarzt oder Psychotherapeuten durchgeführt. Bei dieser Variante werden zunächst Gespräche über den Auslöser und den Aufrechterhalter der Angst geführt, um die geeignete Form der Psychotherapie auszuwählen. Die Führung eines Angsttagebuchs kann hilfreich sein. Die Gespräche sollen zu einem neuen Verständnis der Krankheit führen, um störende Einstellungen und Erwartungen auszuschalten. Es finden sich verschiedene Therapien, um den Teufelskreis zu durchbrechen, die Angst in kleinen Schritten zu bewältigen und sich selbst zu helfen.
Expositionsverfahren
Das Expositionsverfahren wird am häufigsten angewendet. Dem Erkrankten werden Übungschritte näher gebracht, mit denen er ängstliche Situationen durchführen kann. Der Therapeut setzt ihn nach einiger Zeit einer ausgewählten Situation aus. So kann der Erkrankte merken, dass seine Befürchtungen irreal waren und dass er seine Erwartungsängste bewältigen kann, so dass seine Angst sich schrittweise verringert.
Systematische Desensibilisierung
Bei der Systematischen Desensibilisierung muss sich der Patient Angstsituationen zunächst nur vorstellen, um Entspannung zu erlernen, die dann in den Angstsituationen eingesetzt werden kann. Dieses Verfahren wird angewandt, wenn praktische Übungen anfangs noch nicht möglich sind.
Kognitive Therapie
Die Kognitive Therapie beinhaltet, daß die Einschätzungen und Erwartungen auf ein normales Niveau gesenkt werden, um dann die wirkliche Situation zu erleben.
Weitere Verfahren
Progressive Muskelentspannung und das Autogene Training sind auf die körperliche Komponente der Angst ausgerichtet und vor allem bei generalisierter Angst und bei Phobien als zusätzliche Therapie nützlich, um das Erregungsniveau zu senken. Als weitere Verfahren kommen Selbstsicherheitstraining, Kommunikationstraining, therapeutische Tagesstrukturierung, oder tiefenpsychologische Einzel- oder Gruppentherapie für die Ursachenfindung in Frage. Diese sind abhängig von der Angsterkrankung und von den Wünschen des Erkrankten.
Arzneimittel
Medikamente können ebenfalls unterstützend eingesetzt werden, um die Erregung zu dämpfen. Benzodiazepine dämpfen die Angst im ZNS, indem sie sich an die Benzodiazepin-Rezeptoren binden, allerdings beeinträchtigen sie die Aufmerksamkeit und haben ein relativ hohes Suchtpotenzial. Die Verordnung von Benzodiazepinen (Lorazepam, Alprazolam) sollte immer für kurze Zeit und nur bei starker bis quälender Unruhe- und Angstsymptomatik erfolgen.
Trizyklische Antidepressiva verhindern Angstanfälle nach längerer Zeit der Anwendung, ohne süchtig zu machen. Sie haben jedoch ausgeprägte Nebenwirkungen (z.B. Kardiotoxizität).
Die neueren Antidepressiva (SSRIs, SNRIs) greifen ins serotonerge und noradrenerge System der Angst-Streß-Regulation ein. Sie sind heute (2013) das Mittel der Wahl in der Behandlung von Angststörungen und deren Wirksamkeit kann als gesichert angesehen werden (Evidenzgrad Ia). Die SSRIs und SNRIs haben im Vergleich zu den TZA weniger Nebenwirkungen.
MAO-Hemmer wie z.B. Moclobemid werden bei Depressionen oder sozialen Phobien eingesetzt und haben starke Nebenwirkungen und viele Wechselwirkungen.
Neuroleptika, die eigentlich bei Psychosen wie Schizophrenie verabreicht werden, werden selten bei Angsterkrankungen eingesetzt. Sie wirken angstlösend, sind aber in der Angsttherapie nicht zugelassen. Außerdem treten zahlreiche Nebenwirkungen sowie ggf. Spätschäden auf.
Das Antikonvulsivum Pregabalin hat eine Zulassung für die Therapie generalisierter Angststörungen.
Ebenfalls verschrieben wird Buspiron - ein Serotoninagonist.
Neben diesen Medikamenten werden auch noch Betablocker wie Propranolol (z.B. bei Prüfungsangst) und pflanzliche Arzneimittel (Baldrian, Melisse) eingesetzt.
Medikamentöse Therapie bei Angst und Panikattacken in der Palliativmedizin
Anwendung | Arzneimittel | Applikation | Halbwertszeit (h) | Einzeldosis (mg) | Tagesmaximaldosis (mg) |
---|---|---|---|---|---|
akut | Lorazepam | s.l. | 11 - 18 | 1,0 - 2,5 | 7,5 |
Oxazepam | p.o. | 5 - 15 | 10 - 40 | 150 | |
Midazolam (Off-Label-Use) | p.o., s.c., i.v. | 1,5 - 2,5 | 2,5 - 5 | 15 | |
rezidivierend | Citalopram | p.o. | 35 | 10 - 20 | 40 |
Escitalopram | p.o. | 30 | 5 - 10 | 20 | |
Sertralin | p.o. | 22 - 36 | 50 | 200 | |
Venlafaxin | p.o. | 5 (Met. 11 ) | 37,5 | 150 |
nach Schwartz et al. (2023)[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Quellen
- ↑ Schwartz J et al. Psychopharmakotherapie in der Palliativmedizin. Psychopharmakotherapie 2023; 30(2):40–6
Literatur
- Stefan Leidig / Ingrid Glomp: "Nur keine Panik! Ängste verstehen und überwinden", Kösel-Verlag, ISBN 3-466-30614-0