Midazolam
Handelsname: Dormicum®
Englisch: midazolam
Definition
Midazolam ist ein Hypnotikum bzw. Sedativum aus der Gruppe der kurzwirksamen Benzodiazepine.
Chemie
Midazolam ist ein Derivat aus der Reihe der Imidazobenzodiazepine mit dem chemischen Namen 8-Chloro-6-(2-fluorophenyl)-1-methyl-4H-imidazol(1,5-α)(1,4)benzodiazepin. Es hat die Summenformel C18H13CIFN3. Die molare Masse beträgt 325,77 g/mol.
Neben der freien Base werden Salze der Maleinsäure (Midazolammaleat) und der Salzsäure (Midazolamhydrochlorid) vermarktet. Diese beiden Salze unterscheiden sich in der biologischen Aktivität nicht von der freien Base.
Wirkmechanismus
Midazolam und andere Benzodiazepine binden an den GABA-A-Rezeptor und bewirken eine verlängerte Öffnung von Chlorid-Kanälen.
Wirkprofil
Midazolam wirkt dosisabhängig anxiolytisch, sedativ, antikonvulsiv und schlafinduzierend bzw. hypnotisch. Des Weiteren löst es eine anterograde und z.T. eine retrograde Amnesie aus, meist bereits unter sedierender Dosis.
Im Vergleich zu peripheren Muskelrelaxantien wirkt Midazolam gering zentral muskelrelaxierend. Es besitzt keine analgetische Wirkung.
Pharmakokinetik
Die Bioverfügbarkeit von Midazolam beträgt bei oraler Gabe ca. 36 %, bei intramuskulärer Injektion über 90 %.
Aufgrund seiner hohen Lipophilie besitzt Midazolam einen raschen Wirkeintritt:
- innerhalb von 5 Minuten bei intravenöser Applikation
- nach 15 Minuten bei intramuskulärer Injektion
- nach ungefähr 20 Minuten bei oraler Gabe
Die Plasmahalbwertszeit beträgt 1,5 bis 2,5 Stunden, die Wirkdauer 1 bis 6 Stunden. Midazolam wird in der Leber metabolisiert und überwiegend renal ausgeschieden.
Indikationen
Midazolam ist das Standardbenzodiazepin in der Anästhesie und Intensivmedizin. Entsprechende Indikationen sind:
- Prämedikation
- Sedierung bei chirurgischen oder diagnostischen Eingriffen
- Post-Arrest-Sedierung in der präklinischen Notfallversorgung[1]
- Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung
- Langzeitsedierung von künstlich beatmeten Patienten
- Unterbrechung eines Status epilepticus
Darreichungsformen
Midazolam ist Form von oraler Lösung, Injektionslösung (i.v., i.m., rektal), Filmtabletten sowie als Fertigspritze zur i.m.-Injektion verfügbar.
In einigen Ländern (z.B. USA) liegt der Wirkstoff auch als Nasenspray vor.
In der Notfallmedizin wird Midazolam auch mit einem MAD-Zerstäuber nasal appliziert, da diese Form der Darreichung schnell und einfach umsetzbar ist.
Dosierung
- Prämedikation: 3,5–7 p.o. 30 Minuten vor Narkosebeginn oder 0,1–0,2 mg/kgKG i.m. 10 Minuten vor Narkosebeginn
- Sedierung: 1–2,5 mg langsam i.v., Dosistitration 1 mg alle 2 Minute bis Maximaldosis 3,5–5 mg
- Narkose: Einleitung mit 10–15 mg (0,1–0,3 mg/kgKG) i.v. oder i.m.; Aufrechterhaltung mit titrierenden Gaben
- Status epilepticus: 10–15 mg (0,15–0,2 mg/kgKG) i.v. oder 0,2 mg/kg/Dosis i.n., mit einer maximalen Dosis von 10 mg/Bolusgabe bei einem Körpergewicht über 40 kg[2]
- Langzeitsedierung von Beatmungspatienten: initial 0,03–0,2 mg/kgKG, Erhaltungsdosis 0,03–0,2 mg/kgKG/h
Die Leitlinie für Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen empfiehlt den Off-Label-Use von Midazolam nasal unter Verwendung eines Nasalzerstäubers ("Midazolam MAD"). Die empfohlene Dosis bei Bedarf beträgt 0,2 - 0,5 mg/kg/Dosis zur Sedierung und Krampflösung im Status epilepticus bei Kindern im Alter von 1 Monat bis 17 Jahren.[3]
Bei Nieren- und Leberinsuffizienz sowie bei älteren Patienten muss eine Dosisreduktion erfolgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Zu den Nebenwirkungen von Midazolam zählen:
- Amnesie
- Atemdepression: vor allem bei rascher Injektion sowie in Kombination mit Opioiden
- meist nur geringe kardiovaskuläre Effekte, Herzstillstand in hohen Dosen möglich
- Suchtpotential: bereits nach 1 bis 2 Wochen
- gelegentlich paradoxe Reaktionen mit Erregung statt Sedierung, insbesondere bei Kindern sowie älteren Patienten
- Reboundinsomnie: vermehrte Schlaflosigkeit nach plötzlichem Absetzen
Bei versehentlicher intraarterieller Injektion sind schwere Nekrosen möglich.
Kontraindikationen
Die Kontraindikationen von Midazolam entsprechen denen anderer Benzodiazepine:
- Überempfindlichkeit gegen Benzodiazepine
- Myasthenia gravis
- Akutes Engwinkelglaukom
- akute respiratorische Insuffizienz, Asthma bronchiale, COPD, Schlaf-Apnoe-Syndrom
- Schwangerschaft (strenge Indikationsstellung), Stillzeit, Früh- und Neugeborene (bis zum 4. Lebensmonat)
- vermutete Häufung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten v.a. bei Gabe im ersten Trimenon
- Gefahr eines Floppy-infant-Syndrom beim Neugeborenen
- Akute Vergiftungen mit Alkohol, Schlafmitteln sowie Neuroleptika, Antidepressiva oder Lithium
Besondere Vorsicht ist geboten bei:
- Älteren Patienten
- Patienten mit:
- reduziertem Allgemeinzustand
- Schizophrenie oder Depression
- Leber- oder Nierenfunktionsstörungen
- Herzinsuffizienz
- Hypotonie
- Hypovolämie
Wechselwirkungen
- Andere sedierend oder atemdepressiv wirkende Substanzen (Alkohol, Antihistaminika der ersten Generation, Barbiturate, Hypnotika, Narkotika, Antidepressiva, Neuroleptika, Opioide, Muskelrelaxantien): Kombination meiden oder Dosisanpassung und Überwachung, da verstärkte zentral dämpfende und atemdepressive Effekte
- Antihypertensiva, Clozapin: verstärkte Blutdrucksenkung
- CYP3A4-Inhibitoren (z.B. Cimetidin, Diltiazem, Erythromycin, Clarithromycin, Ketoconazol): Abbauhemmung der Benzodiazepine mit verstärkter Wirkung
Antidot
Midazolam besitzt eine relativ große therapeutische Breite, sodass letale Verläufe durch Gabe von Benzodiazepinen selten sind. Bei Mischintoxikationen kann es jedoch zur vitalen Bedrohung mit Ateminsuffizienz und Koma kommen.
Bei Monointoxikation ist die Gabe von Aktivkohle und Laxantien meist ausreichend. Des Weiteren lässt sich die Wirkung von Midazolam durch die Gabe von Flumazenil aufheben.
Rechtlicher Status
Midazolam ist ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (Anlage III).[4] Ausgenommen sind Zubereitungen mit maximal 0,2 % Midazolam bzw. 15 mg Midazolam je abgeteilter Einheit.
Quellen
- ↑ Jansen G et al. Midazolam for post-arrest sedation in pre-hospital emergency care—a multicenter propensity score analysis. Dtsch Arztebl Int 2024
- ↑ AWMF online – Status epilepticus im Erwachsenenalter. S2k Leitlinie. 2020
- ↑ AWMF online – Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen. S2k-Leitlinie. Kurzversion. 2021
- ↑ BtMG Anlage III, abgerufen am 16.09.2019
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