Esketamin
Handelsname: Ketanest S®, Spravato®
Englisch: esketamine
Definition
Esketamin ist ein Arzneistoff aus der Klasse der Injektionsanästhetika, der auch analgetische Eigenschaften aufweist. Es handelt sich um das S-Enantiomer des Ketamins.
Chemie
Als S-Enantiomer ist Esketamin konstitutionell mit Ketamin identisch, unterscheidet sich jedoch in der Konfiguration. Die Summenformel lautet C13H16ClNO, das Molekulargewicht beträgt 237,74 g/mol.
Die racemische Synthese erfolgt ausgehend von 2-Chlorbenzaldehyd, welches mit Acetanhydrid in das Nitril überführt wird. Das Nitril geht eine Grignard-Reaktion mit Cyclopentanmagnesiumbromid zum Keton ein. Nach Bromierung, Umsetzung mit Methylamin und Ansäuern findet eine Umlagerungsreaktion zum Ketamin statt, welches dann in seine Enantiomere getrennt werden kann.
Wirkmechanismus
Esketamin bewirkt eine dissoziative Anästhesie, d.h. es wirkt narkotisch und analgetisch, erhält aber die Reflextätigkeit und den Muskeltonus des Patienten. Die Krampfschwelle wird nicht gesenkt.
Die Wirkung beruht auf einem nicht-kompetitiven Antagonismus an NMDA-Rezeptoren. Dadurch kommt es zu keiner Öffnung der Ionenkanäle und somit zu keiner Weiterleitung des Schmerzreizes.
Esketamin hat zudem eine sympathikotone Wirkung, wodurch es hyperton, positiv inotrop/chronotrop und bronchodilatativ wirkt.
Pharmakokinetik
Die Pharmakokinetik ähnelt der des Ketamins. Maximale Plasmakonzentrationen bei intravenöser Gabe werden nach einer Minute erreicht. Bei intramuskulärer Verabreichung beträgt die Bioverfügbarkeit 93 %. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 47 %. Der metabolische Abbau erfolgt hauptsächlich über CYP3A4. Die terminale Eliminationshalbwertszeit liegt zwischen 79 Minuten (kontinuierliche Infusion) und 186 Minuten (niedrig dosierte i.v.-Gabe). Die Elimination erfolgt überwiegend renal. Esketamin weist im Vergleich zu Ketamin eine schnellere Elimination auf, was für eine bessere Steuerbarkeit in der klinischen Anwendung spricht.[1]
Indikation
Indikationen für Esketamin sind:[1]
- Einleitung und Durchführung einer Allgemeinanästhesie (Vollnarkose), gegebenenfalls in Kombination mit Hypnotika
- Ergänzung der Regionalanästhesie
- Anästhesie bei Schmerzbekämpfung in der Notfallmedizin
- Intubation im Status asthmaticus in Kombination mit einem Muskelrelaxans, wenn andere spezifische Maßnahmen nicht erfolgreich waren
In der Kinderchirurgie wird Esketamin meist alleine verwendet. Bei den anderen Indikationen erfolgt eine Kombination mit anderen Hypnotika.
Darüber hinaus ist Esketamin in Form eines Nasensprays (Spravato®) seit März 2019 in den USA und seit Dezember 2019 in der EU zur Behandlung therapieresistenter Depressionen zugelassen.[2] Im Oktober 2019 hatte der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen.[3]
Darreichungsformen
Esketamin wird in Form einer Injektionslösung oder als Nasenspray verabreicht.
Dosierung
- Einleitung einer Allgemeinanästhesie: 0,5-1 mg/kgKG bzw. 2-4 mg/kgKG i.m.
- Dauerinfusion: 0,5-3 mg/kgKG pro Stunde
- Ergänzung einer Regionalanästhesie: 0,125-0,25 mg/kgKG pro Stunde
Die Angaben dienen als Orientierung - je nach Zustand des Patienten kann eine Dosisanpassung erforderlich sein.[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Folgende Nebenwirkungen sind bekannt:[1]
- Aufwachreaktionen wie lebhafte Träume, Schwindel
- tonisch-klonische Muskelkontraktionen, die Krämpfen gleichen können
- Nystagmus
- verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Zunahme des intraokulären Drucks
- Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz, temporäre Tachykardie, Arrhythmie
- Hypotonie
- erhöhter Sauerstoffverbrauch, Laryngospasmus, temporäre Atemdepression
- Übelkeit und Erbrechen
- Exanthem
- Lokalreaktionen: Schmerzen und Erythem an der Injektionsstelle
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind bekannt:[1]
- In Kombination mit Xanthinderivaten (z.B. Theophyllin, Aminophyllin) kann eine Absenkung der Krampfschwelle eintreten.
- Blutdrucksteigerung in Kombination mit Schilddrüsenhormonen, indirekt wirkenden Sympathomimetika und Vasopressin
- Abschwächung der Nebenwirkungen, aber auch Verlängerung der Wirkdauer in Kombination mit Schlafmitteln, insbesondere Benzodiazepinen und Neuroleptika
- verlängerte Aufwachphase in Kombination mit Barbituraten und Opiaten
- Die Wirkung bestimmter Muskelrelaxantien wie Suxamethonium oder Pancuronium kann verlängert sein.
- CYP3A4-Inhibitoren und -Induktoren führen zu einer erhöhten bzw. erniedrigten Esketamin-Dosis im Blut.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Patienten, für die ein erhöhter Blutdruck oder ein gesteigerter Hirndruck ein ernsthaftes Risiko darstellt
- schlecht eingestellte oder nicht behandelte Hypertonie
- Eklampsie und Präeklampsie
- nicht oder ungenügend behandelte Hyperthyreose
- Verwendung als alleiniges Anästhetikum bei Patienten mit manifesten ischämischen Herzerkrankungen
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Fachinformation von Ketanest S 5 mg/ml, Gelbe Liste, abgerufen am 11.1.2019
- ↑ Esketamin: Von der Partydroge zum Antidepressivum? DAZ 19.07.2018, abgerufen am 11.1.2019]
- ↑ Ein Nasenspray bei schweren Depressionen, DAZ 23.10.2019, abgerufen am 31.10.2019