Ketamin
Handelsnamen: Ketamin-hameln, Ketamin Inresa, Ketamin Generika
Synonyme: CI-581, Ketaminum
Englisch: ketamine
Definition
Ketamin ist ein Arzneimittel aus der Klasse der Allgemeinanästhetika. Es wird aufgrund seiner anästhetischen, analgetischen und psychotropen Wirkungen für die Einleitung und Aufrechterhaltung einer Narkose aber auch als Analgetikum in der Notfallmedizin eingesetzt.
Chemie
Ketamin ist ein chirales Cyclohexanon-Derivat, von dem zwei Enantiomere (S-Ketamin, R-Ketamin) existieren. Es ist strukturell verwandt mit Phencyclidin (PCP) und dem Opioid Pethidin. Die Summenformel lautet C13H16ClNO. Der chemische Name ist:
- 2-(2-chlorophenyl)-2-(methylamino)cyclohexan-1-on (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 237,72 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 2,69. Die CAS-Nummer lautet 6740-88-1. Als Arzneimittel wird das Racemat von Ketaminhydrochlorid eingesetzt, das bei Raumtemperatur als weißes, kristallines Pulver vorliegt und in Wasser leicht löslich ist.
Wirkungsmechanismus
Der analgetisch und narkotisch wirksame Bestandteil des Racemats ist das S-Enantiomer des Ketamins (Esketamin). Ketamin wirkt antagonistisch am ionotropen Glutamat-NMDA-Rezeptorkomplex, den es allosterisch blockiert. Es hemmt die NMDA-abhängige Freisetzung von Acetylcholin und blockiert den neuronalen Calcium-Influx. Durch Naloxon kann die analgetische Wirkung teilweise antagonisiert werden.
Pharmakokinetik
Der Wirkungseintritt erfolgt bei i.v.-Gabe nach ca. 30 bis 60 Sekunden, bei einer Wirkdauer von ca. 10 bis 20 Minuten. Eine intramuskuläre Gabe bedarf einer 2,5-fach höheren Dosierung und hat einen verzögerten Wirkungseintritt von ca. 2 bis 6 Minuten. Auch die intranasale Applikation über ein Mucosal Atomization Device (MAD) bedarf einer 2,5-fach höheren Dosierung.
Die Bioverfügbarkeit liegt bei i.v.-Gabe bei 100 %, bei oraler oder rektaler Gabe bei 20 % und bei i.m.-Gabe bei 93 %.
Die Halbwertzeit von Ketamin liegt zwischen 10 und 15 min, die Metabolisation erfolgt über die Leber. Bis zu 20 % des applizierten Ketamins können bis zu 80 Stunden nach der Gabe im Urin nachgewiesen werden.
Indikationen
Ketamin wird als Anästhetikum und Analgetikum verwendet. Es erzeugt eine dissoziative Anästhesie, d.h. es wirkt narkotisch und analgetisch, erhält aber die Reflextätigkeit des Patienten. Ketamin hält auch in höheren Dosierungen die Atemregulation und Schutzreflexe weitgehend aufrecht. Daher eignet es sich besonders bei schwer traumatisierten Patienten mit hohem Analgetikabedarf oder bei der Rettung von Patienten in Situationen, in denen eine Sicherung der Atemwege nicht zu gewährleisten ist.
Bei höherer Dosierung ist die Kombination mit einem Hypnotikum zu empfehlen, um den Patienten vor möglichen psychedelischen Nebenwirkungen abzuschirmen. Am gebräuchlichsten sind Kombinationen mit Midazolam oder Propofol im Verhältnis 1:1 zur Narkose bei Kurzeingriffen oder Intubationen, bei analgetischer Indikation in deutlich geringeren Verhältnissen.
Aufgrund seiner bronchodilatatorischen Wirkung ist Ketamin zur Narkose bei Asthmapatienten zu empfehlen. Als Ultima Ratio ist es auch zur Durchbrechung eines Asthmaanfalls geeignet.
Ketamin bewirkt eine Katecholaminfreisetzung mit konsekutiven Anstieg des Blutdrucks und der Herzfrequenz (Tachykardie). Diese Nebenwirkung kann bei kreislaufinstabilen, hypotonen, hypovolämischen Patienten oder im schweren Schock von Nutzen sein.
Dosierung
Die folgenden Angaben dienen nur der Orientierung:
- Analgesie
- i.v.: 0,2 bis 0,5 mg/kgKG
- i.m.: 1 bis 2 mg/kgKG
- Narkose
- i.v.: 1 bis 2 mg/kgKG
- i.m.: 5 bis 12 mg/kgKG
Es sind höhere Dosierungen bei Alkoholikern notwendig.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Typische häufige Nebenwirkungen von Ketamin sind Aufwachreaktionen (Schwindel, motorische Unruhe und (Alb-)Träume) sowie Anstieg des Blutdrucks und der Herzfrequenz.
Ketaminbedingter Blutdruckanstieg steigert den myokardialen Sauerstoffbedarf und ist daher bei ausgeprägter KHK, Hypertonie oder Myokardinfarkt nicht zu empfehlen, Ausnahme sind Patienten in Schocksituationen und während der Reanimation.
Bei einem Schädel-Hirn-Trauma muss beachtet werden, dass eine zerebrale Vasodilatation bei Hyperkapnie hervorgerufen werden kann und damit der ICP steigt. Es wird daher empfohlen, Ketamin nur bei Beatmungsmöglichkeiten zu benutzen.
Schwangerschaft
Ketamin ist plazentagängig, zeigt jedoch nach derzeitiger Kenntnis keine Nebenwirkungen auf den Fetus.
Missbrauch
Ketamin ist unter verschiedenen Szenenamen (K, Special K, Vitamin K, Kate, Keta, Ketamin C) in vielen Ländern auch als "Partydroge" bekannt. Dies beruht auf der dissoziativen Wirkung der Substanz. Allerdings schränken die möglichen und leicht auftretenden Nebenwirkungen wie Horrortrips oder das sogenannte K-Hole die Beliebtheit zum Teil ein.
Konsumenten berichten von Veränderungen des Raum- und Zeitgefühls, Auflösung der Grenzen des eigenen Körpers und Nahtod-Erlebnissen. Der Rausch wird als klinisch-kalter, gefühlloser Zustand beschrieben. Des Weiteren tritt Appetitlosigkeit auf. Der Missbrauch von Ketamin kann schädigend auf das Urothel der ableitenden Harnwege wirken.[1]
Toxizität
Die therapeutische Breite von Ketamin ist verhältnismäßig groß. Im Regelfall kann mehr als das Zehnfache der Normaldosis von Patienten ohne bleibende Schäden überlebt werden. Im Tierexperiment entsprach die mittlere Letaldosis (LD50) etwa dem 100-fachen der normalen i.v.-Dosis beim Menschen.
Veterinärmedizin
Die "Hellabrunner Mischung" ist ein zur Narkotisierung von Wildtieren mit Injektionspfeilen entwickeltes Betäubungsmittel. Die Betäubung mit Blasrohr oder Druckluftpistole minimiert Stress und Belastung für die Tiere. Es besteht aus 125 mg Xylazin und 100 mg Ketamin pro ml.
ATC-Code
- Humanmedizin: N01AX03 - Allgemeinanästhetika
- Veterinärmedizin: QN01AX03 - Allgemeinanästhetika
Geschichte
Ketamin wurde erstmals im Jahr 1962 in den USA von dem Chemiker Calvin Stevens synthetisiert und ist eine Weiterentwicklung des Phencyclidin. Dieser Vorgänger, in der Drogenszene heutzutage auch "Angel Dust" oder "Peace Pill" genannt, zeigte jedoch stärkste psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen, Delirien und Psychosen und konnte somit in klinischen Gebrauch nicht verwendet werden.
Das Derivat Ketamin präsentierte ein ähnliches Nebenwirkungsprofil, jedoch in wesentlich geringerem Ausmaß und konnte somit ab 1966 vertrieben werden. Im Jahr 1965 etablierte Professor Edward Domino nach Versuchen an freiwilligen Strafgefangenen und in einem Selbstversuch den Begriff "Dissoziatives Anästhetikum". Dieser Begriff beschreibt das für das Ketamin und PCP typische Wirkungsprofil einer Analgesie und Sedation unter limitierter Erhaltung der Reflextätigkeit, insbesondere der Schutzreflexe.
Quellen
- ↑ Baker et al. Ketamine-Induced Apoptosis in Normal Human Urothelial Cells, The American Journal of Pathology, 2016
Weblinks
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