Aripiprazol
Handelsnamen: Abilify®, Arpilif®, Arpoya®, Aryfrenix® u. Generika
Synonyme: OPC-14597, OPC-31
Englisch: aripiprazole
Definition
Aripiprazol ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der atypischen Neuroleptika, der zur Behandlung verschiedener psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt wird.
Chemie
Aripiprazol ist ein Piperazin- und Chinolinon-Derivat. Die Summenformel ist C23H27Cl2N3O2. Der IUPAC-Name ist
- 7-[4-[4-(2,3-dichlorophenyl)piperazin-1-yl]butoxy]-3,4-dihydro-1H-quinolin-2-on
Die molare Masse beträgt 448,4 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 5,21. Die CAS-Nummer lautet 129722-12-9. Die Substanz ist in Wasser praktisch unlöslich.
Wirkmechanismus
Die antipsychotische Wirkung von Aripiprazol wird auf den hochaffinen partiellen Agonismus an postsynaptischen Dopamin-D2-Rezeptoren und 5-HT1A-Rezeptoren sowie auf den Antagonismus an 5-HT2A-Rezeptoren zurückgeführt. Der Hauptmetabolit Dehydroaripiprazol ist ebenfalls an D2-Rezeptoren pharmakologisch wirksam.
An D3- und D4-Rezeptoren wirkt Aripiprazol als partieller Agonist, während die Affinität zu 5-HT2C- und 5-HT7-Rezeptoren, zu α1-Adrenozeptoren und H1-Rezeptoren geringer ausgeprägt ist. An Acetylcholinrezeptoren wird praktisch keine Wirkung ausgelöst.[1][2][3]
Pharmakokinetik
Aripiprazol wird nach oraler Aufnahme rasch resorbiert und hat eine Bioverfügbarkeit von 87 %. Maximale Plasmaspiegel werden nach 3 bis 5 Stunden erreicht (bei Depotpräparaten erst nach 5 Tagen). Therapeutisch wirksame Plasmaspiegel werden mit 0,1 bis 0,35 mg/l angegeben. Die Plasmaproteinbindung beträgt 99 %, das Verteilungsvolumen 4,9 l/kgKG.
Die hepatische Biotransformation erfolgt durch Dehydrierung und Hydroxylierung über die Cytochrom-P450-Isoenzyme CYP2D6 und CYP3A4 sowie durch N-Dealkylierung über CYP3A4. Pharmakologisch aktiv ist der Metabolit Dehydroaripiprazol (Plasmakonzentration von 40 % Aripiprazol). Aripiprazol und Dehydroaripiprazol passieren die Plazenta.
Die Elimination erfolgt zu 27 % mit dem Urin (davon < 1 % unverändert) und zu 60 % mit den Fäzes (davon ca. 18 % unverändert). Die Eliminationshalbwertszeit ist abhängig von der Geschwindigkeit der Metabolisierung über CYP2D6: 75 Stunden bei extensiven Metabolisierern (Dehydroaripiprazol 94 h); 146 Stunden bei langsamen Metabolisierern.[1][2]
Indikationen
Aripiprazol ist indiziert zur Behandlung
- der Schizophrenie bei Erwachsenen und bei Jugendlichen ab 15 Jahren,
- bei mäßigen bis schweren manischen Episoden der Bipolar-I-Störung bei Erwachsenen und bei Jugendlichen ab 13 Jahren und
- zur Prävention einer neuen manischen Episode bei Erwachsenen.[1]
- Alzheimer-Krankheit mit Psychose
- Add-on-Therapie bei unipolarer Depression
- bei Kindern und Jugendlichen bei Trichotillomanie, Tourette-Syndrom und Reizbarkeit in Verbindung mit Autismus-Spektrum-Störungen.[2][4]
Darreichungsformen
Aripiprazol ist erhältlich
- in Form von Lösungen, Tabletten bzw. Schmelztabletten zur oralen Anwendung,
- als Injektionslösung bzw. Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Depot-Injektionssuspension oder
- als Fertigspritze zur intramuskulären Anwendung.
Dosierung
Bei Erwachsenen werden folgende tägliche orale Dosierungen empfohlen:[1]
- Schizophrenie: initial 10 oder 15 mg; Erhaltungsdosis 15 mg; Tagesmaximaldosis 30 mg
- Manische Episoden und Prävention einer Bipolar-I-Störung: initial 15 mg; Tagesmaximaldosis 30 mg
Bei Off-Label-Augmentation bei unipolarer oder bipolarer Depression: 2,5 bis 5 mg pro Tag.[2] Bei akuter intramuskulärer Anwendung werden initial 9,75 mg appliziert. Eine zweite Dosis kann nach 2 h verabreicht werden, maximal können 3 Injektionen (insgesamt 30 mg pro Tag) erfolgen.[2]
Depotpräparate (400 mg) werden einmal monatlich (frühestens 26 Tage nach der letzten Injektion) intramuskulär appliziert.[2]
Für Kinder und Jugendliche werden folgende tägliche Dosierungen empfohlen:[1]
- Schizophrenie: initial 2 Tage 2 mg, dann weitere 2 Tage 5 mg; Erhaltungsdosis 10 mg; Tagesmaximaldosis 30 mg
- Manische Episoden bei Bipolar-I-Störung Dosierung wie bei Schizophrenie
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Aripiprazol sind:[1][2]
- Übelkeit, Erbrechen, Hypersalivation, Dyspepsie, Obstipation
- EPS (Akathisie, Tremor)
- Kopfschmerzen, Schwindel, Abgeschlagenheit, geringe Sedierung
- Ruhelosigkeit, Schlaflosigkeit, Angstgefühl
- Sehstörungen (verschwommenes Sehen)
Wechselwirkungen
Bei gleichzeitiger Anwendung von CYP2D6- und CYP3A4-Inhibitoren kommt es zur Wirkungsverstärkung, bei Induktoren der Cytochrom-P450-Isoenzyme zur Wirkungsverminderung. Die Dosierung muss entsprechend angepasst werden.
Bei gleichzeitiger parenteraler Applikation von Aripiprazol und Benzodiazepinen kann es zu sehr starker Sedierung und kardiorespiratorischer Depression (Atemdepression, Hypotonie) kommen.[2]
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Aripiprazol oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
- Demenz
- Krampfanfälle
- Spätdyskinesie
Schwangerschaft und Stillzeit
Bisher (2025) liegen keine Hinweise auf teratogene Wirkungen beim Menschen vor. Bei Neugeborenen sind Anpassungsstörungen möglich. Sehr selten sind Krampfanfälle aufgetreten.[5]
Aripiprazol tritt in die Muttermilch über (Milch/Plasma-Quotient 0,2). Über Schläfrigkeit bei gestillten Kindern wurde berichtet.[5]
Toxizität
Es wurde über Überdosierungen und Vergiftungen mit bis zu 1.260 mg (ca. 18 mg/kgKG; 42-fache Tagesmaximaldosis) berichtet, die nicht tödlich verliefen. Es ist mit Sedierung, Tachykardie, Hypertonie, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall zu rechnen. Bei Kindern kam es bei Ingestion bis zu 195 mg nicht zu vital bedrohlichen Symptomen. Am häufigsten traten Vigilanzstörungen bis zur Bewusstlosigkeit und EPS auf.[1]
Eine primäre Giftentfernung durch Verabreichung von Aktivkohle kann innerhalb einer Stunde nach der Ingestion erfolgen. Die weitere Behandlung erfolgt in jedem Fall symptomatisch. Ein spezifisches Antidot ist bisher (2025) nicht verfügbar. Aufgrund der pharmakokinetischen Eigenschaften (hohe Plasmaproteinbindung) ist eine sekundäre Giftentfernung durch Hämodialyse nicht effektiv.
ATC-Code
- N05AX12 - Nervensystem - Psycholeptika - Antipsychotika - andere Antipsychotika
Zulassung
Aripiprazol ist in der EU seit 2004 zugelassen.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Aripiprazol neuraxpharm®.Fachinformation Stand November 2022, abgerufen am 13.01.2025
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Benkert O, Hippius H (Hrsg.) Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie. 14. Aufl., Berlin : Springer 2023
- ↑ Freissmuth M et al. Pharmakologie und Toxikologie. 3. Aufl., Berlin : Springer 2020
- ↑ Riegger J et al. Therapeutic drug monitoring in children and adolescents with schizophrenia-spectrum, affective, behavioural, tic and other psychiatric disorders treated with aripiprazole: results of the TDM-VIGIL pharmacovigilance study. J Neural Transm (Vienna). 2024
- ↑ 5,0 5,1 Aripiprazol. embryotox.de, abgerufen am 13.01.2025
Weblinks
- Drugbank - Aripiprazole, abgerufen am 13.01.2025
- Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe - Aripiprazol, abgerufen am 13.01.2025
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Aripiprazol, abgerufen am 13.01.2025
- PharmaWiki - Aripiprazol , abgerufen am 13.01.2025
- PubChem 60795
- MeSH 2009797