Pruritus
von lateinisch: prurire - jucken
Synonym: Juckreiz, Hautjucken, Jucken
Englisch: pruritus, itching
Definition
Pruritus oder Juckreiz ist eine Missempfindung im Bereich der Haut oder Schleimhaut. Sie löst bei den Betroffenen das intensive Bedürfnis aus, die betroffene Stelle zu reiben oder zu kratzen.
ICD10-Codes
- L29.-: Pruritus
- F45.8: Sonstige somatoforme Störungen
Einteilung
Juckreiz lässt sich nach verschiedenen Aspekten einteilen, zum Beispiel:
...nach Dauer
- akuter Puritus
- chronischer Pruritus (CP)
...nach Hautbefund
- IFSI I: Chronischer Pruritus auf primär läsionaler Haut (CPL) – bei Vorliegen einer Hauterkrankung
- IFSI II: Chronischer Pruritus auf primär nicht-läsionaler Haut (CPNL) – ohne initiales Vorliegen von Hautveränderungen bzw. auf unveränderter Haut
- IFSI III: Chronischer Pruritus mit schweren Kratzläsionen - bei Vorliegen von sekundären Exkoriationen (z.B. Lichen simplex), Einteilung in die beiden oberen Gruppen nicht möglich
Diese Einteilung geht auf das International Forum for the Study of Itch (IFSI) zurück.
Ältere Bezeichnungen sind Pruritus cum materia (Juckreiz mit sichtbaren Hautveränderungen) und Pruritus sine materia (Juckreiz ohne Hautveränderungen).
...nach Lokalisation
- lokalisierter Pruritus: Juckreiz an einer Körperstelle
- generalisierter Pruritus: Juckreiz am ganzen Körper
...nach Organsystem
- dermatologischer Pruritus
- systemischer Pruritus
- neuropathischer Pruritus
- psychosomatischer bzw. psychiatrischer Pruritus
Pathophysiologie
Die genauen Mechanismen, die zur Entstehung von Juckreiz führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Die heutige (2023) Modellvorstellung ist, dass Juckreiz nicht über die Schmerzrezeptoren vermittelt wird, sondern durch die freien Nervenendigungen spezialisierter C-Fasern. Die Aktivierung dieser Fasern erfolgt wahrscheinlich durch Gewebshormone (z.B. Histamin, Serotonin, Substanz P) oder aktivierte Mastzellen in der Nähe der Nervenenden, die den Mediator Tryptase ausschütten.
Die Empfindung des Juckreizes wird durch andere Hautempfindungen offensichtlich moduliert bzw. überlagert. So kann Kälte oder Hitze den Juckreiz abschwächen oder in eine besser erträgliche Schmerzempfindung überführen.
Ursachen
Die Ursachen von Juckreiz können sehr vielseitig sein und umfassen ein breites Spektrum dermatologischer, internistischer und neurologischer Erkrankungen.
- Hauterkrankungen
- Allergien
- Ekzeme
- Neurodermitis
- Urtikaria
- Psoriasis
- Hautinfektionen (z.B. Candidose)
- Xerodermie
- Parasiten (z.B. Skabies)
- Insektenstiche
- Stoffwechselerkrankungen
- Infektionskrankheiten
- AIDS
- Varizellen
- Masern (inkonstant)
- Herpes zoster
- Proktologische Erkrankungen
- Nierenerkrankungen
- Lebererkrankungen
- Neoplasien
- Mycosis fungoides
- Lymphome (z.B. Morbus Hodgkin)
- Leukämien (v.a. CLL)
- Neurologische Ursachen
- Hormonelle Ursachen
- Alter
- Medikamente
- Schwangerschaft
Komplikationen
Tiefe Kratzwunden, die durch einen Pruritus entstehen, können sich sekundär infizieren, und zum Ausgangspunkt ausgedehnter Haut- und Weichteilinfektionen (SSTI) werden. Weitere Komplikationen sind:
Krankheitswert
Der Leidensdruck, der bei Patienten mit chronischem Pruritus besteht, wird von Ärzten oft unterschätzt. Obwohl es sich "nur" um ein Symptom handelt, kann ein chronischer Pruritus bei schwerer Ausprägung eigenständigen Krankheitswert haben. Typische Sekundärfolgen sind Schlafstörungen, Leistungsabfall und Depressionen, die bis hin zu Suizidgedanken reichen können.
Therapie
Die Therapie des Pruritus richtet sich nach der auslösenden Ursache. Im Gegensatz zu akutem Pruritus ist chronischer Pruritus meist nur schwer zu behandeln, sodass die Therapie aufwändig und unbefriedigend sein. Sie erfordert häufig ein interdisziplinäres Vorgehen.
Im Vordergrund steht die Behandlung der Grunderkrankung. Formen, bei denen die Austrocknung der Haut ein maßgeblicher Faktor ist, können mit rückfettenden Cremes gebessert werden. Symptomatisch kommt weiterhin der Einsatz juckreizstillender Medikamente (Antipruriginosa) in Frage.
Abgesehen von Medikamenten oder Hautpflegeprodukten spielt die Aufklärung der Patienten eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Therapie.