Englisch: delusion
Unter Wahn subsumiert man die unkorrigierbare Falschbeurteilung der Wirklichkeit, die unbeeinflussbar von persönlichen Erfahrungen auftritt und an der mit absoluter subjektiver Gewissheit festgehalten wird. Die wahnhafte Überzeugung wird von Mitmenschen nicht geteilt und kann nicht nachvollzogen werden, da sie der Wirklichkeit widerspricht.
Die Wahnidee oder der Wahngedanke wird den inhaltlichen Denkstörungen zugeordnet. Differentialdiagnostisch muss der Wahn gegenüber einer überwertigen Idee, das heißt einem stark affektbeladenem Erlebnisinhalt der das Denken beeinflusst oder gar behindert, aber nicht unkorrigierbar ist, abgegrenzt werden.
Im Gegensatz zur Halluzination, die eine freie Einbildung ohne Reizgrundlage darstellt, liegt beim Wahn ein realer Reiz vor (z.B. Objekte, andere Personen oder deren Verhalten), der fehlinterpretiert wird.
Spricht man von einem pathologischem, "echten" Wahn, muss dieser folgende Merkmale erfüllen:
Karl Jaspers formulierte folgende Wahnkriterien, an denen sich heutige Wahnmerkmale orientieren:
Die verschiedenen Formen des Wahns lassen sich inhaltlich in folgende Themenbereiche, mit jeweils zwei Extremen, unterteilen:
Der Wahneinfall ist eine wahnhafte Überzeugung, die plötzlich, ohne Stimulus aufkommt. Somit ist der Wahneinfall mit keinem Sinneskorrelat verbunden.
Die Wahnwarnehmung ist stets mit einem Sinneskorrelat verbunden. Eine Sinneswahrnehmung dient dabei als auslösender Reiz der Wahnwarnehmung. Dieser Sinneswahrnehmung wird in der Folge eine unangemessene, unrealistische Bedeutung zugeordnet.
Psychotische Symptome, beispielsweise das Hören von Stimmen, werden durch eine wahnhafte Überzeugung erklärt.
Die Wahnstimmung ist ein unspezifisches Gefühl des Kranken, dass "etwas in der Luft liegt", dass etwas mit ihm passieren wird. Der Patient ist vermehrt sensibel gegenüber äußeren Reizen, die im Sinne einer Wahnwahrnehmung verkannt werden. Die Wahnstimmung führt zu Ängstlichkeit, Fassungslosigkeit und Verzweiflung.
Die Wahndynamik bezeichnet die affektive Beteiligung des Kranken an seinem Wahnerleben, die beeinflussend auf Antrieb und Stimmung wirkt.
Durch logische oder paralogische Erklärungen werden verschiedenste Wahnideen zu sogenannten Wahngebäuden verknüpft, womit die Verzerrung der Realität für den Kranken nachvollziehbar scheint.
Je nach Inhalt des Wahns kann unterschieden werden zwischen:
Beim Beziehungswahn setzt sich der Kranke wahnhaft in Beziehung zu Menschen und Objekten der Umwelt.
Ein zufälliges Ereignis wird durch den Kranken als besonders bedeutungsvoll missinterpretiert.
Kennzeichen des Beeinträchtigungswahns ist, dass der Patient sich durch andere beeinträchtigt bzw. eingeschränkt oder geschädigt fühlt. Eine Form des Beeinträchtigungswahns ist der Verfolgungswahn.
Beim Eifersuchtswahn ist der Patient überzeugt, vom Partner betrogen zu werden.
Der Liebeswahn ist die wahnhafte Überzeugung, von anderen geliebt zu werden.
Der Patient ist überzeugt, gegen religiöse oder moralische Gebote Schuld auf sich geladen bzw. sich versündigt zu haben (Versündigungswahn). Er erwartet für sein Verschulden bzw. seine Sünde die seiner Ansicht nach dafür berechtigte Strafe.
Der Verarmungswahn hat die unumstößliche Überzeugung zum Inhalt, die finanzielle Basis des eigenen Überlebens sei bedroht oder verloren.
Der Patient ist überzeugt, schwer erkrankt zu sein, bzw. erlebt die Gesundheit als bedroht.
Außerdem hat er die Wahnvorstellung, der eigene Körper sei irgendwie fremd oder würde nicht richtig funktionieren. Das kann z.B. der Glaube sein, man würde seltsam riechen oder bestimmte Körperteile (Nase, Brüste, Füße) seien besonders merkwürdig oder missgestaltet. Häufig glauben Menschen mit solchen Wahnideen, in ihrem Körper existiere ein Parasit oder Insekt, das ein Körperteil zerstören will. Eine Spielart ist der Dermatozoenwahn.
Der Nichtigkeitswahn ist die wahnhafte Überzeugung, die eigene Person sei außerordentlich minderwertig und unwichtig. Im Extremfall besteht sogar die Vorstellung der eigenen Nicht-Existenz (Nihilistischer Wahn).
Hauptmerkmal des Größenwahns ist die wahnhafte Selbstüberschätzung, wobei sich der Patient oftmals mit berühmten Persönlichkeiten der Vergangenheit oder Gegenwart identifiziert.
Erinnerungen werden wahnhaft verfälscht.
Der Patient ist überzeugt, es existiere ein Doppelgänger.
Tags: Schuldwahn, Versündigungswahn, Wahn, Wirklichkeit
Fachgebiete: Psychiatrie
Diese Seite wurde zuletzt am 8. Juli 2020 um 15:29 Uhr bearbeitet.
Um diesen Artikel zu kommentieren, melde Dich bitte an.