Dermatozoenwahn
Synonyme: wahnhafte Parasitose, chronische taktile Halluzinose, Ekbom-Syndrom, Insektenwahn, Befallswahn, Epizoonose-Wahn, Acarophobie, Entomophobie, Parasitophobie
Englisch: delusional parasitosis
Definition
Dermatozoenwahn ist eine wahnhafte Störung, bei der die Betroffenen fälschlicherweise davon überzeugt sind, dass Insekten oder andere Tiere in ihrer Haut leben. Die Störung kann mit haptischen Halluzinationen einhergehen, z.B. dem Gefühl des "Ameisenlaufens".
Hintergrund
Der Dermatozoenwahn ist ein Krankheitsbild der Psychodermatologie. Die Patienten laufen aufgrund ihrer Vorstellungen häufig zuerst beim Dermatologen auf, bevor sie einem Psychiater oder Psychotherapeuten zugeführt werden.
Einteilung
- Primärer Dermatozoenwahn: Die Wahnvorstellungen treten eigenständig, d.h. ohne Vorliegen einer anderen psychischen Störung auf.
- Sekundärer funktioneller Dermatozoenwahn: Bei dieser Form tritt der Dermatozoenwahn als Symptom einer anderen psychiatrischen Erkrankung auf, z.B. bei Schizophrenie, Zwangsstörungen oder Depression
- Sekundärer organischer Dermatozoenwahn: Hierbei verursacht eine somatische Krankheit oder ein Substanzmissbrauch die Symptome des Patienten, z.B. bei:
- Hypothyreose
- Tuberkulose
- Vitamin-B12-Mangel
- neurologischen Störungen
- Kokain-, Amphetaminmissbrauch
- Alkoholentzugssyndrom
Sonderformen
Als Morgellons-Krankheit wird eine Variante des Dermatozoenwahns bezeichnet, bei der Betroffenen schmerzhafte Hautempfindungen haben, von denen sie glauben, dass sie Fasern verschiedener Art enthalten.
Die Kleptoparasitose ist eine Variante des Dermatozoenwahns, bei der die Patienten glauben, die Wohnung sei von Parasiten befallen.
Symptome
Patienten mit Dermatozoenwahn sind unkorrigierbar überzeugt von Insekten, Milben oder anderen Parasiten befallen zu sein. Sie beschreiben typischerweise ein Gefühl des Krabbelns oder von Nadelstichen. Diese Form der Parästhesie wird auch als Formikation bezeichnet.
Außerdem werden Partikel auf der Person bzw. Kleidung als Anzeichen eines parasitären Befalls fehlgedeutet. Diese vermeintlichen Erreger werden in Schachteln gesammelt und mit zum Arzt gebracht ("matchbox sign"). Dabei handelt es sich in der Regel um Hautschuppen, Fasern oder andere Fremdkörper. Versuche der Selbstbehandlung führen zu artifiziellen Hautverletzungen.
Der Dermatozoenwahn führt in der Regel zu einem hohen Leidensdruck und zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität. In 5 bis 15 % der Fälle besteht bei nahestehenden Personen ein assoziierter Wahn (Folie à deux).
Diagnostik
Typischerweise findet man bei Patienten mit Dermatozoenwahn artifizielle Schädigungen der Haut in variablem Ausmaß:
- Exkoriationen durch Kratzen
- Stich- und Pinzettenartefakte
- Exsikkationsekzem durch aggressive Reinigungsprozeduren oder durch Desinfektionsmittel
Nach Ausschluss von anderen Hauterkrankungen und eines echten Parasitenbefalls kann ein Dermatozoenwahn diagnostiziert werden.
Differenzialdiagnostik
Differenzialdiagnostisch sollten andere somatische und psychiatrische Erkrankungen erwogen werden. Dazu zählen unter anderem:
- Schizophrenie
- reine Angststörung
- reine Zwangsstörung
- somatoforme Störungen
- Formikationen im Rahmen der Menopause oder einer Polyneuropathie
Therapie
Bei sekundären Formen des Dermatozoenwahns muss der grundlegende Auslöser behandelt werden. Bei der primären Form werden Antipsychotika eingesetzt, z.B. Olanzapin, Pimozid oder Risperidon. Weiterhin ist eine Psychotherapie sowie eine dermatologische Behandlung zur Wundheilung sinnvoll. Da die Patienten jedoch nicht davon überzeugt sind, an einer psychiatrische Erkrankung zu leiden, gestaltet sich die Therapie sehr schwierig. Eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung kann die Compliance verbessern.