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Neurodermitis

Synonyme: atopische Dermatitis, atopisches Ekzem, endogenes Ekzem
Englisch: neurodermatitis

1. Definition

Die Neurodermitis ist eine chronisch-rezidivierende Hauterkrankung, die zum atopischen Formenkreis gehört.

2. Epidemiologie

Die atopische Dermatitis gehört mit einer Prävalenz von 10 - 15 % im Kindesalter und 2 - 5 % im Erwachsenenalter zu den häufigsten Hauterkrankungen. Typischerweise tritt sie ab dem 3. Lebensmonat auf. Bei ca. 70 % der Betroffenen kommt es bis zum 20. Lebensjahr zu einer spontanen Besserung bis hin zur vollständigen Abheilung.

3. Pathogenese

Die Pathogenese der Neurodermitis ist nicht vollständig geklärt und daher Gegenstand intensiver Forschung. Bislang geht man von einem multifaktoriellen Prozess aus. Als mögliche Auslöser werden u.a. diskutiert:

Neuere Ergebnisse (2023) zeigen, dass bei der Neurodermitis die natürliche Barrierefunktion der Haut gestört sein könnte. Es konnten Gendefekte identifiziert werden, die dazu führen, dass wichtige Strukturproteine der Haut fehlen. Beispiele sind Mutationen im Filaggrin-Gen, die zu einem Filaggrin-Defizit in den äußeren Hautschichten führen. Filaggrin fördert die Keratinisierung und Strukturbildung der Haut und ist daher ein Schlüsselprotein der Hautbarriere.

Darüber hinaus schreibt man den Neuropeptiden eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Neurodermitis zu. Psychische Belastungen oder Stress können die Intensität der Erkrankung steigern.

Ein erblicher Einfluss ist vorhanden. Die Neurodermitis wird wahrscheinlich polygen vererbt. Besonders auffällig sind Erbgutveränderungen auf Chromosom 11. Bei Neurodermitikern ist hier das Gen C11orf30 verändert, welches das Protein EMSY kodiert.

4. Triggerfaktoren

Substanzen oder Situationen, die einen "Schub" der Erkrankung auslösen können, sind:

  • Textilien aus Wolle oder bestimmten synthetischen Fasern
  • längerer und wiederholter Kontakt zu Wasser
  • hohe Lufttemperatur und geringe Luftfeuchtigkeit
  • Kontakt zu Umweltallergenen (Tierhaare, Pollen etc.)
  • bestimmte Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln (z.B. in Milch oder Zitrusfrüchten etc.)
  • Stress
  • Schweiß

5. Klinisches Bild

Die Neurodermitis verläuft schubförmig. Es wechseln sich Phasen fast völliger Beschwerdefreiheit mit symptomatischen Phasen ab, die zu einer Verschlechterung des Hautbefunds führen. Die Prädilektionsstellen der Hauterscheinungen sind abhängig vom Lebensalter.

5.1. Säuglinge und Kleinkinder

Im Säuglingsalter und bei Kleinkindern bietet der sogenannte Milchschorf auf der behaarten Kopfhaut einen ersten Anhalt für das Vorliegen einer Neurodermitis. Typischerweise sind das Gesicht, der Körperstamm und die Streckseiten der Extremitäten befallen. Die Haut ist trocken (Xerosis cutis), gerötet und fein-schuppend, teilsweise aufgekratzt und nässend. Die Windelregion ist meist ausgespart.

5.2. Ältere Kinder und Erwachsene

Bei Schulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen lässt sich ein bevorzugter Befall der Beugeseiten der Extremitäten sowie von Hals und Gesicht (z.B. Lidekzem) nachweisen. Es besteht quälender Juckreiz, was die Kinder zum "Aufkratzen" der betroffenen Hautstellen bewegt und zu Komplikationen führen kann. Die häufigsten Hauteffloreszenzen sind fein schuppende, unscharf begrenzte erythematöse Plaques. Chronische Ekzeme sind verdickt und zeigen eine vergröberte Hautlinienzeichung (Lichenifikation).

Als Nebenbefunde kann man bei einigen Patienten das Hertoghe-Zeichen und Dennie-Morgan-Falten an den Unterlidern finden. Außerdem typisch sind sog. Kratzartefakte (Exkoriationen) mit punkt- oder strichförmigen Krusten oder Erosionen im Bereich der Ekzeme, Pigmentverschiebungen nach Abheilung (Hyper- oder Hypopigmentierungen) und Narben.

Folgende weitere Varianten der Neurodermitis können alleine oder in Kombination mit der atopischen Dermatitis auftreten:

6. Schweregrad

Die Ausdehnung und der Schwergrad des atopischen Ekzems können durch verschiedene Score-Systeme quantifiziert werden. Dadurch lässt sich der Krankheitsverlauf besser dokumentieren. Hauptsächlich wird der SCORAD (Scoring Atopic Dermatitis) oder der EASI (Eczema Area and Severity Index) verwendet.

7. Komplikationen

Die defekte Hautbarriere der Patienten führt in der Regel zu einer veränderten Hautflora. Vor allem die lipophile Hefe Malassezia furfur und Staphylococcus aureus lassen sich vermehrt in der Haut der betroffenen Patienten nachweisen.

Besonders an den aufgekratzten Hautläsionen besteht durch den Barrieredefekt die Gefahr einer Superinfektion. Risse in der Epithelschicht erleichtern Pilzen wie Dermatophyten und Hefen sowie Bakterien und Viren das Eindringen in die Haut. Herpesviren können das Krankheitsbild des Ekzema herpeticatum hervorrufen.

8. Diagnostik

Für die Neurodermitis gibt es keine spezifischen Labortests. Die Diagnose ergibt sich aus der typischen klinischen Symptomkonstellation.

Major-Kriterien für eine Neurodermitis sind:

Minor-Kriterien sind:

Laborchemisch können ein erhöhtes Gesamt-IgE und/oder der Nachweis von Typ-I-Sensibilisierungen (mittels Prick-Test, RAST) das Vorliegen einer Atopie untermauern. Bei ca. 20 % der Neurodermitis Patienten ist der Gesamt-IgE-Spiegel jedoch normwertig.

9. Therapie

Die Therapie der Neurodermitis basiert auf drei Säulen:

  • Basistherapie (Wiederherstellung der Hautschutzbarriere durch Harnstoff- oder Glycerinhaltige Cremes)
  • Vermeidung von Provokationsfaktoren (keine Wolle, Handschuhe beim Umgang mit Reinigungsmitteln und Wasser, kein Kratzen u.a.)
  • Antientzündliche topische und systemische Therapie

Zur lokalen antientzündlichen Therapie eignen sich topische Glukokortikoide oder Calcineurininhibitoren. An Arealen dünner Haut (Gesicht, Genital) werden Calcineurininhibitoren bevorzugt eingesetzt, da sie kein Hautatrophierisiko aufweisen. In schubfreien Intervallen kann eine proaktive Anwendung lokaler Glukokortikoide oder Calcineurininhibitoren (z.B. 1x/Woche) sinnvoll sein, um den Befund zu stabilisieren und erneuten Schüben vorzubeugen.

Ein weiterer Behandlungsansatz ist die Eradikation von Staphylococcus aureus durch Balneotherapie mit Chlorbleiche (Natriumhypochlorit-Lösung) und Mupirocin. Durch die desinfizierende Wirkung der Chlorbleiche werden Staphylokokken, welche die Neurodermitis-Läsionen besiedeln, abgetötet und die Symptome vermindert.[1]

Moderate bis schwere Formen der atopischen Dermatits bei Erwachsenen werden mit systemischen Immunsuppressiva behandelt. Unter den konventionellen Immunsuppresiva sind in Deutschland aktuell (2023) systemische Glukokortikoide und Ciclosporin zugelassen. Systemische Glukokortikoide sollten jedoch nur für eine Kurzzeittherapie bei akuten Schüben bis maximal 3 Wochen eingesetzt werden. Ciclosporin kann als Intervalltherapie zur Krankheitskontrolle erwogen werden. Ebenso kommen Biologika (Dupilumab, Tralokinumab) oder JAK-Inhibitoren (z.B. Abrocitinib, Baricitinib, Upadacitinib) als Intervall - oder Langzeittherapie zur Anwendung.

Zusätzlich zur antientzündlichen Therapie kann man eine Juckreizbehandlung mit Polidocanol oder UV-Therapie (Schmalband-UVB und UVA1) in Betracht ziehen.

Zudem kann unterstützend eine Photosoletherapie angewendet werden. Hierbei wird ein salzhaltiges Wannenbad mit einer synchronen oder asynchronen Lichttherapie kombiniert.[2]

10. Quellen

  1. Huang, JT; Abrams M., Tlougan B., Rademaker, A., Paller AS(2009)."Treatment of Staphylococcus aureus Colonization in Atopic Dermatitis Decreases Disease Severity.". Pediatrics123(5): 808-14. 
  2. Kassenärztliche Bundesvereinigung - Balneophototherapie künftig auch bei Neurodermitis möglich, abgerufen am 04.01.2022

11. Weblinks

Pia Nordmann
Peer reviewed am 07.11.2022 von Pia Nordmann
Fachgebiete: Dermatologie

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