Ciprofloxacin
Handelsname: u.a. Ciprobay®, Keciflox®, Gyracip®
Englisch: ciprofloxacin
Definition
Ciprofloxacin ist ein Breitspektrumantibiotikum aus der Gruppe 2 der Fluorchinolone.
Chemie
Ciprofloxacin hat die Summenformel C17H18FN3O3 und eine molare Masse von 331,34 g/mol.[1]
Wirkungsmechanismus
Ciprofloxacin hemmt die Topoisomerasen II und IV. Dadurch werden die Replikation, die Transkription, die Rekombination und auch DNA-Reparaturprozesse in den Bakterien gestört. Die Wirkung auf proliferierende Erreger ist stärker als auf ruhende - man spricht daher von einer sekundären Bakterizidie. Je schneller sich der Erreger vermehrt, desto wirksamer ist das Antibiotikum.
Eine gleichzeitige Blockierung der Proteinbiosynthese oder der RNA-Synthese durch Makrolide, Chloramphenicol oder Rifampicin beeinträchtigt die Wirksamkeit von Ciprofloxacin.
Pharmakokinetik
Bei oraler Aufnahme wird Ciprofloxacin rasch im Dünndarm resorbiert. Nach etwa 1 bis 2 Stunden wird die maximale Plasmakonzentration erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit liegt bei 70 bis 80 %. Die Indikation für eine intravenöse Gabe ist aufgrund der guten oralen Bioverfügbarkeit streng zu stellen.
Mit ca. 20 bis 30 % weist Ciprofloxacin eine geringe Plasmaproteinbindung auf. Der Wirkstoff liegt im Blutplasma überwiegend in nicht ionisierter Form vor. Im Steady-State zeigt sich bei Ciprofloxacin ein großes Verteilungsvolumen (2 bis 3 l/kg KG). In verschiedenen Geweben (z.B. Lunge, Nasennebenhöhlen, entzündete Läsionen, Urogenitaltrakt) werden hohe Wirkstoffkonzentrationen erreicht, welche die Plasmakonzentrationen übersteigen können.
Die Ausscheidung von Ciprofloxacin erfolgt überwiegend unverändert über die Nieren, zu einem kleineren Anteil über den Stuhl. Die Konzentration von Metaboliten ist gering. Der Wirkstoff wird glomerulär filtriert und tubulär sezerniert. Bei normaler Nierenfunktion liegt die Eliminationshalbwertszeit bei etwa 4 bis 7 Stunden. Bei deutlich eingeschränkter Nierenfunktion kann es zu Halbwertszeiten von bis zu 12 Stunden kommen.
Indikationen
Die Indikationen für Ciprofloxacin sind u.a. aufgrund der potenziellen und möglicherweise schwer verlaufenden Nebenwirkungen eingeschränkt (s.u.). Oft wird der Wirkstoff nur noch empfohlen, wenn durch andere Maßnahmen/Medikamente keine ausreichende Wirkung erreicht werden konnte. Vor jeder Anwendung sind zwingend die aktuellen Empfehlungen zu beachten.
Ciprofloxacin deckt vor allem den gramnegativen Erregerbereich ab und weist insgesamt ein sehr breites Wirkspektrum auf, mit zusätzlicher Wirkung im grampositiven Bereich. Weiterhin ist für Ciprofloxacin eine gute Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa bekannt.
Die Indikationen für die Gabe von Ciprofloxacin sind bakterielle Infektionen bei Erwachsenen durch Erreger, die gegenüber Ciprofloxacin empfindlich sind, vor allem schwere Infektionen verschiedener Organsysteme (u.a. HNO, Respirationstrakt, Urogenitaltrakt, Haut/Weichteile, Bewegungsapparat, Magen-Darm-Trakt).
Dazu gehören z.B.:
- Otitiden (lokal)
- Pyelonephritis
- systemische Infektionen, Sepsis
- Divertikulitis
- akute Pankreatitis (kalkuliert)
- Typhus
Für Kinder gelten abweichende Indikationen.
Hinsichtlich der Anwendung zur Behandlung von Atemwegsinfekten ist Vorsicht geboten. Bei V.a. auf eine nosokomiale Pneumonie mit gramnegativen Erregern zeigt Ciprofloxacin eine gute Wirkung, inkl. Pseudomonas aeruginosa. Hingegen ist der Wirkstoff bei einer ambulant erworbenen Pneumonie eher ungeeignet, da er keine ausreichende Wirksamkeit gegen Pneumokokken aufweist.
Ciprofloxacin zählte früher zur Erstlinientherapie bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, wird heute aber nur noch in Ausnahmefällen bzw. als Therapie der 2. Wahl verwendet.
In bestimmten Situationen ist Ciprofloxacin zur Prophylaxe von Infektionen indiziert. Dazu zählen u.a. invasive Infekte durch Meningokokken, opportunistische Infektionen wie eine Septikämie mit Salmonellen oder auch zur Rezidivprophylaxe nach spontan-bakterieller Peritonitis (SBP).
Anwendungsbeschränkungen
Vor der Verwendung von Ciprofloxacin ist eine intensive Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig. Ciprofloxacin sollte nur im Rahmen von zugelassenen Indikationen angewandt werden. Die zu behandelnde Person muss über Nebenwirkungen sowie deren Symptome aufgeklärt und die Behandlung bei Verdacht auf schwerwiegende unerwünschte Effekte abgebrochen werden, um dauerhafte Schäden zu vermeiden. Weiterhin sind die Bedeutung von Ciprofloxacin für schwere Infektionen (z.B. bei Pyelonephritis) und die Zunahme von Resistenzen gegen den Wirkstoff Gründe für eine zurückhaltende Verwendung bei unkomplizierten Infektionen.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sprachen in der Vergangenheit bereits Warnungen hinsichtlich der Verordnung von Fluorchinolonen aus. Eine von der EMA finanzierte Studie legte jedoch nahe, dass die Wirkstoffe weiterhin außerhalb zugelassener Indikationen angewendet werden. Daher liegt aktuell (2023) erneut ein Rote-Hand-Brief zur Anwendung der Wirkstoffe aus.
Laut diesem Schreiben sollen Fluorchinolone, neben anderen Situationen, insbesondere nicht verwendet werden bei:
- Personen die zuvor schwerwiegende unerwünschte Wirkungen unter Chinolon/Fluorchinolon-Therapie hatten
- nicht schwerwiegenden/selbstlimitierenden Infektionen (z.B. Pharyngitis, Tonsillitis, akute Bronchitis)
- nicht bakteriellen Infektionen (z.B. nicht-bakterielle chronische Prostatitis)
- Prävention von Reisediarrhoe oder rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege
- milden bis moderaten bakteriellen Infekten (z.B. unkomplizierte Zystitis) – es sei denn, andere empfohlene Wirkstoffe können nicht verwendet werden
siehe auch:
- BfArM - Rote-Hand-Brief zu systemisch und inhalativ angewendeten fluorchinolonhaltigen Antibiotika: Erinnerung an die Anwendungsbeschränkungen, abgerufen am 09.11.2023
- BfArM - Rote-Hand-Brief zu Fluorchinolon-Antibiotika: Schwerwiegende und anhaltende, die Lebensqualität beeinträchtigende und möglicherweise irreversible Nebenwirkungen, abgerufen am 09.11.2023
Anwendungshinweise
Im Falle einer Gabe von Ciprofloxacin ist zu beachten, dass die Therapie nach Abnahme des Fiebers bzw. der klinischen Symptomatik noch mindestens drei Tage weiter verabreicht werden sollte.
Darreichungsformen
Ciprofloxacin kann per os, intravenös und lokal in Form von Tropfen verabreicht werden. Aufgrund der guten oralen Bioverfügbarkeit ist eine intravenöse Verabreichung streng zu prüfen.
Nebenwirkungen
Die Gabe von Ciprofloxacin kann u.a. folgende relevante Nebenwirkungen auslösen:
- Übelkeit und Durchfall (häufig)
- Photosensibilisierung (ausgiebiges Sonnenlicht/UV-Licht vermeiden)
- QT-Zeit-Verlängerung mit Herzrhythmusstörungen (Cave bei zusätzlichen, die QT-Zeit verlängernden Wirkstoffen oder bei Risiko für Torsades-de-Pointes-Arrhythmien)
- Regurgitationen/Insuffizienzen der Herzklappen (Cave bei z.B. arterieller Hypertonie, Marfan-Syndrom)
- möglicherweise irreversible und gravierende Schäden am Bewegungsapparat (z.B. Tendinitiden, Sehnenrupturen, Myalgien, Arthralgien)
- möglicherweise irreversible und schwere Schäden des peripheren/zentralen Nervensystems (Gangstörungen, Neuropathien, Gedächtnisstörungen und Störungen der Sinneswahrnehmung, Depression, Fatigue-Syndrom)
- Krampfanfälle und psychiatrische UAWs
Ferner ist das Risiko für Aortenaneurysmata bzw. -dissektionen unter der Therapie mit Ciprofloxacin erhöht.
Tendinitiden/Sehnenschäden (v.a. Achillessehne; teils beidseitig) können in den ersten 48 Stunden der Behandlung, aber auch mit Verzögerung von einigen Monaten nach Ende der Therapie auftreten. Ein Grund dafür ist, dass unter Ciprofloxacin die Expression der Lysyloxidase (LOX), eines für die Gruppierung und Stabilisierung von elastischen Fasern und Kollagen essentiellen Enzyms, vermindert ist, während gleichzeitig die Aktivität von Metalloproteinasen erhöht ist.[2]
siehe Hauptartikel: Chinolon
Besondere Vorsicht hinsichtlich der Nebenwirkungen (v.a. Sehnenapparat) ist u.a. geboten bei Personen mit:
- höherem Alter
- eingeschränkter Nierenfunktion
- Einnahme von Kortikosteroiden bzw. Glukokortikoiden/nach Transplantationen (möglichst vermeiden)
Bei Hinweisen auf schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen sollte die Behandlung mit Ciprofloxacin abgebrochen werden.
Wechselwirkungen
Wechselwirkungen bei der Anwendung von Ciprofloxacin sind u.a. bekannt für:
- bestimmte Stoffe/Medikamente mit Fähigkeit zur Chelatkomplexbildung (z.B. Antazida mit Ausnahme vom Typ H2-Rezeptorblocker)
- Milchprodukte und mineralstoffangereicherte Produkte
- gleichzeitige Zufuhr kalziumhaltiger Nahrung
- Probenecid
- Tizanidin (Cave: Kontraindikation)
- Methotrexat
- Theophyllin und andere Xanthinderivate
- Phenytoin
- orale Antikoagulation
- Ropinirol
- Clozapin
- evtl. Kontrazeptiva[3]
U.a. ist eine moderate Inhibition des Cytochrom-P450-Enzyms CYP1A2 durch Ciprofloxacin für einen Teil der Wechselwirkungen verantwortlich.
Eine Kombination der Stoffe mit Ciprofloxacin muss gut abgewogen werden. Ggf. sind Maßnahmen für eine erweiterte Überwachung zu treffen.
Kontraindikationen
Kontraindikationen für eine Therapie mit Ciprofloxacin sind:
- Unverträglichkeit gegen den Wirkstoff, die Hilfsstoffe oder andere Chinolone
- Schwangerschaft und in der Stillzeit
- Kinder und Jugendliche (im Wachstum), nur in Ausnahmefällen indiziert
- Gleichzeitige Gabe von Tizanidin
- Nieren- und Leberinsuffizienz
- Herzrhythmusstörungen
- Epilepsie und Krampfleiden
- Erkrankungen und Beschwerden am Sehnenapparat
Quellen
- ↑ PubChem - Ciprofloxacin, abgerufen am 31.10.2023
- ↑ Aneurysmen: Gefahr steigt durch Fluorchinolone; Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 31/2018
- ↑ AkdÄ - Arzneimittelwechselwirkungen zwischen Antibiotika und oralen Kontrazeptiva, abgerufen am 15.11.2023
Literatur
- EMA - Ciprofloxacin Bayer, abgerufen am 31.10.2023
- Pharmazeutische Zeitung - Steckbrief Ciprofloxacin, abgerufen am 31.10.2023
- Deutsche Apotheker Zeitung - Ciprofloxacin, abgerufen am 31.10.2023
- Gelbe Liste - Ciprofloxacin, abgerufen am 15.11.2023
um diese Funktion zu nutzen.