Marfan-Syndrom
nach dem französischen Kinderarzt Dr. Antoine-Bernard Marfan (1858 - 1942)
Synonyme: MFS, Dolichostenomelie (obsolet)
Definition
Das Marfan-Syndrom ist eine autosomal-dominant vererbte Krankheit des Bindegewebes.
Geschichte
Das Marfan-Syndrom wurde 1896 erstmal von Dr. Antoine Marfan beschrieben.
Epidemiologie
Das Marfan-Syndrom tritt mit einer Häufigkeit von 1-2 Fällen unter 10.000 Geburten auf. In Deutschland sind ca. 10.000 Menschen betroffen. Es existieren keine geschlechtsbezogenen oder geographischen Unterschiede.
Genetik
Das Marfan-Syndrom wird durch eine Mutation im Gen FBN1 auf dem langen Arm (q-Arm) von Chromosom 15 ausgelöst. Bisher sind über 500 verschiedene Mutationen entdeckt worden, die allesamt zum Phänotyp des Marfan-Syndroms führen. FBN1 kodiert für das Protein Fibrillin-1, einen wichtigen Bestandteil der Mikrofibrillen in der Extrazellulärmatrix.
75 % der Fälle sind familiär, die restlichen 25 % der Fälle sind sporadisch und auf Neumutationen in der Keimbahn der Eltern zurückzuführen. 70 % der Neumutationen sind Missense-Mutationen, seltener finden sich Frameshift- oder Nonsense-Mutationen. Die meisten Neumutationen entstehen in der väterlichen Keimbahn - statistisch betrachtet tendenziell häufiger bei erhöhtem Alter des Vaters.
Pathophysiologie
Die Symptome des Marfan-Syndroms kommen durch den Mangel an funktionstüchtigen Fibrillin-1- und elastischen Fasern zustande sowie durch die FBN1-Mutation verursachte erhöhte Ausschüttung von TGF-β.[1] Für einen Teil der Missense-Mutationen wird ein dominant-negativer Effekt vermutet.[2] Bei Nonsense- oder Frameshiftmutation liegt dagegen eher eine Haploinsuffizienz zugrunde.
Symptome
Die Manifestationen des Marfan-Syndroms betreffen häuptsächlich das Skelett, das kardiovaskuläre System und die Augen. Es ist zu beachten, dass nicht jeder Betroffene alle Symptome zeigen muss. Die Ausprägung des Marfan-Phänotyps kann sehr diskret sein und eine Blickdiagnose nahezu unmöglich machen.
Skelettsystem
- langer, schlanker Körperbau (Hochwuchs) mit auffällig langen Extremitäten und Fingern (Arachnodaktylie)
- Pectus excavatum ("Trichterbrust"), Pectus carinatum ("Kielbrust, Hühnerbrust")
- Hyperlaxizität
- hoher Gaumenbogen
- Deformierungen der Wirbelsäule (z.B. Skoliose, atlantoaxiale Subluxation)
- lumbosakrale Duraektasie – Aufweitung der Hirnhaut im Bereich des Kreuz- und Steißbeins; meist asymptomatisch, gelegentlich mit Wurzelkompression. Sehr selten kommt es zu einer Liquorleckage durch feine Einrisse.
- Protrusio acetabuli
- Plattfüße durch Abkippung des Innenknöchels nach medial
- Verminderte Streckfähigkeit im Ellenbogengelenk
Kardiovaskuläres System
- Dilatation der Aortenwurzel
- Aortenaneurysma und Aortendissektion (besonders Dissektion der Aorta ascendens)
- Floppy valves
Kardiovaskuläre Komplikationen sind die häufigste Todesursache bei Patienten mit dem Marfan-Syndrom. Insbesondere die Aortendissektion ist eine Hauptursache für Morbidität und Mortalität.
Auge
- Subluxatio lentis, Subluxation der Linse typischerweise nach oben, temporal disloziert
- Myopie (Kurzsichtigkeit)
- Katarakt
- Netzhautablösung
Weitere Symptome
Weitere Symptome sind Hautdehnungsstreifen in beanspruchten Arealen der Haut, eine Muskelhypotonie und eine Neigung zum Spontanpneumothorax durch Ruptur subapikaler Bläschen.
Diagnose
Die Diagnose wird mittels klinischer Kriterien, die spezifische Befunde in mehreren Organen umfasst, erstellt. Eine molekularbiologische Diagnostik ist aufgrund der Vielzahl verschiedener Mutationen eines einzelnen Gens nicht praktikabel und in der Regel nicht notwendig. Außerdem ist die genetische Analyse sehr teuer, da das Fibrillen-Gen insgesamt über 65 Exons hat.
Die Hauptkriterien der Diagnose sind:
- Ein erstgradiger Verwandter mit gesichertem Marfan-Syndrom.
- Nachweis einer sicher pathogenen Mutation.
- Vorliegen von mindestens vier der typischen Skelettzeichen.
- Subluxation der Linse
- Lumbosakrale Duraektasie
Differenzialdiagnose
Klinisches Management
Besonders in Kindheit und Jugend ist die Prävention einer schwerwiegenden Skoliose entscheidend. Außerdem sind regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt durch die Häufigkeit von Myopien und Linsensubluxationen empfohlen. Das gleiche gilt für regelmäßige echokardiographische Kontrollen zur Früherkennung kardiovaskulärer Probleme. Medikamente, die zur Behandlung des Marfan-Syndroms eingesetzt werden, sind beispielsweise AT1-Rezeptorblocker, Betablockern, ACE-Hemmer oder Calciumantagonisten.
Prognose
Bei optimaler medizinischer Versorgung ist die Lebenserwartung der Betroffen nicht vermindert.
Quellen
- ↑ Hereditäre Bindegewebskrankheiten bei Kindern und Jugendlichen-Pädiatrie-eMedpedia, abgerufen am 19.08.2021
- ↑ Yuan, Jing. Marfan's syndrome: an overview. Sao Paulo Medical Journal, 2010.
Weblinks
- Marfanhilfe e.V.
- Artikel zum Marfan-Syndrom aus dem Deutschen Ärzteblatt (PDF-Format)
- Marfan-Syndrom: Lange Finger und schlechte Augen, DocCheck News, abgerufen am 08.08.2022
Weiterführende Literatur
- Schaaf, Zschoke: Basiswissen Humangenetik; Springer
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