Homozystinurie
Englisch: homocystinuria
Definition
Die Homozystinurie ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe autosomal-rezessiv vererbter Stoffwechselkrankheiten, die zu einer erhöhten Konzentration der Aminosäure Homocystein in Blut und Urin führen.
siehe auch: Homocysteinämie
Homozystinurie Typ I
Ätiologie
Die klassische Form der hereditären Homocysteinämie ist durch einen Defekt der Cystathioninsynthetase (Cystathionin-beta-Synthase, CBS) bedingt. Hier liegt eine Mutation im CBS-Gen an Genlokus 21q22.3 vor. Die Prävalenz in Deutschland beträgt für heterozygote Träger ca. 1%, für homozygote Träger 1:20.000 bis 1:250.000.
Die CBS wandelt im Transsulfurierungsweg des Methioninzyklus Homocystein in Cystathionin um. Bei einem Enzymdefekt ist die Enzymaktivität eingeschränkt oder unterbrochen. Bei heterozygoten Trägern liegt der Homocysteinspiegel zwischen 31 und 100 µmol/l im Blut, bei homozygoten Trägern über 100 µmol/l.
Klinik
Die betroffenen Kinder sind bei Geburt unauffällig. Im Verlauf der Entwicklung treten Symptome in den verschiedensten Organsystemen auf:
- Augen: Linsenluxation, Glaukom, Myopie
- Skelett: dysproportionierter Hochwuchs, überlange Extremitäten, Arachnodaktylie, Skoliose
- Gefäßsystem: frühzeitige Arteriosklerose, Thrombembolie
- ZNS: psychomtorische Entwicklungsverzögerung, psychiatrische Auffälligkeiten, zerebrale Krampfanfälle
Therapie
Die Therapieoptionen richten sich danach, ob die Patienten auf eine Pyridoxingabe (Vitamin B 6) ansprechen oder nicht. Bei Pyridoxin-responsiven Patienten erfolgt die Gabe von Pyridoxin, Folsäure und Vitamin B12. Nicht-responsive Patienten müssen eine methioninarme Diät mit supplementärer Zufuhr von Cystein einhalten. Zusätzlicher Gabe werden Pyridoxin, Folsäure und Vitamin B12 gegeben oder der Methyldonator Betain-Anhydrat.
Homozystinurie Typ II
Ätiologie
Bei der Homozystinurie Typ II liegt ein Mangel an 5,10-Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR) vor. Er basiert auf einer autosomal-rezessiv vererbten Punktmutation im MTHFR-Gen an Genlokus 1p36.3. Die Enzymaktivität bei den Betroffenen ist um etwa 70 % reduziert. Der MTHFR-Mangel beeinträchtigt den intrazellulären Stoffwechsel der Folsäure, nämlich die Reduktion von 5,10-Methylen-Tetrahydrofolat zu 5-Methyl-Tetrahydrofolat. 5-Methyl-Tetrahydrofolat dient als Methyldonor für die Remethylierung des Homocysteins zu Methionin. Der Methyl-Tetrahydrofolat-Mangel führt entsprechend zu einer Homozystinurie und Hypomethioninämie. Bei der heterozygoten MTHFR-Mutation liegt der Homocysteinspiegel etwa bei 13,8 ± 1,0 µmol/l, bei der homozygoten MTHFR-Mutation bei 22,4 ± 2,9 µmol/l.
Klinik
Bei schweren Verläufen leiden die Betroffenen bereits als Neugeborene an:
- Enzephalopathie
- Myopathie
- schwerster geistiger Retardierung
- spastischer Tetraparese
- Krampfanfälle
- peripherer Neuropathie
Asymptomatische und milde Verläufe werden ebenfalls beschrieben.
Therapie
Der schwere Enzymmangel wird durch Gabe hoher Dosen von Betain und Supplementierung mit Methionin, Pyridoxin, Vitamin B12 und Folsäure behandelt.
Homozystinurie Typ III
Die Patienten leiden an einer Methylmalonazidurie mit Homocystinurie, die sich z.B. durch Krämpfe, megaloblastäre Anämie und Muskelhypotonie manifestiert. Die Therapie besteht aus der Gabe von Cobalamin.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 22.03.2021
- Orphanet: Homocystinurie durch Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase-Mangel; abgerufen am 22.03.2021
- Orphanet: klassische Homocystinurie; abgerufen am 22.03.2021