Pyridoxin
Synonym: Vitamin B6, 4,5-Bis(hydroxymethyl)-2-methyl-3-pyridinol, Adermin
Englisch: pyridoxine
Definition
Pyridoxin ist das zur Gruppe der B-Vitamine gehörige wasserlösliche Vitamin B6. Als Coenzym spielt es eine wichtige Rolle für den Aminosäurestoffwechsel.
Struktur
Pyridoxin kann chemisch als 3-Hydroxy-5-hydroxymethyl-2-methyl-pyridin bezeichnet werden. Es kommt natürlicherweise als Aldehyd (Pyridoxal), Amin (Pyridoxamin) und als Alkohol (Pyridoxol) vor. Die im Organismus als Coenzym aktive Form des Pyridoxins ist das Pyridoxalphosphat (PALP).
Physiologie
Mit der Nahrung werden meist 5'-Phosphatester des Pyridoxin aufgenommen, die im Jejunum durch alkalische Phosphatasen hydrolysiert werden. Diese werden in die Mukosazellen aufgenommen und ATP-abhängig erneut zu Phosphatestern umgewandelt. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend als 4-Pyridoxalsäure über die Nieren.
Funktion
Im Aminosäurestoffwechsel katalysiert Pyridoxin in Form von PALP Eliminierungsreaktionen, Transaminierungen und Decarboxylierungen. Dabei wird als Grundprinzip zwischen der Aldehydgruppe des PALP und der Aminogruppe der jeweiligen Aminosäure eine Schiff'sche Base gebildet. Dadurch werden die Bindungen am α-C-Atom der jeweiligen Aminosäure gelockert. Pyridoxin ist zudem an der Hämatopoese, Prostaglandinsynthese, Lipidmetabolismus und der Regulation des Wasserhaushaltes beteiligt.
PALP-abhängige Enzyme sind zum Beispiel:
- Aminotransferasen
- Alanin-Aminotransferase (ALAT, GPT)
- Aspartat-Aminotransferase (ASAT, GOT)
- L-Aminosäure-Decarboxylasen
- Glutamatdecarboxylase (GABA-Biosynthese)
- Tyrosindecarboxylase (Tyramin-Biosynthese)
- Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (DOPA-Decarboxylase)
- Sulfinoalanindecarboxylase (Taurinbiosynthese)
- δ-Aminolävulinatsynthase (Hämsynthese)
- Glykogenphosphorylase (Glykogenabbau)
- Cystathionin-beta-Synthase (Methioninstoffwechsel)
- Cystathionin-gamma-Lyase (Methioninstoffwechsel)
- Lysyloxidase (Kollagensynthese)
Vorkommen
Pyridoxin kommt in einer Vielzahl von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor. Gute Quellen für die Versorgung mit Pyridoxin sind
- (Vollkorn-)Getreide
- grüne Bohnen
- grünes Gemüse
- Fleisch (insbesondere Leber und Innereien)
- Eigelb
- Hefe
- Nüsse
- Bananen
Allerdings ist zu beachten, dass Pyridoxin durch Kochen und Erhitzen der Nahrung teilweise zerstört wird.
Bedarf
Der Bedarf für Pyridoxin ist an die Menge des Proteinumsatzes gekoppelt. Männer benötigen in der Regel 1,5 mg/Tag, während Frauen 1,2 mg/Tag mit der Nahrung zu sich nehmen sollten. Einen erhöhten Bedarf haben Raucher, Alkoholiker, Schwangere, Stillende und mit oralen Kontrazeptiva verhütende Frauen.
Labormedizin
Material
Für die labormedizinische Bestimmung des Pyridoxinspiegels im Serum werden 5 ml EDTA-Blut benötigt. Bei Einsendung einer Serumprobe sollte das EDTA-Röhrchen mit Alufolie o.ä. umwickelt werden, um die Zerstörung des Pyridoxins durch Lichteinwirkung zu verhindern.
Referenzbereich
- 8,7 bis 27,2 μg/l
Der Referenzbereich ist methodenabhängig und sollte dem jeweiligen Befundausdruck entnommen werden.
Interpretation
Niedrige Pyridoxinspiegel sind meist nutritiv bedingt, können aber auch im Rahmen einer Zöliakie oder bei einem autosomal-rezessiv vererbten Pyridoxin-Stoffwechseldefekt auftreten. Medikamente, die einen Pyridoxinmangel auslösen können, sind Isoniazid, Antiepileptika, Antidepressiva und orale Kontrazeptiva. Hypervitaminosen treten sehr selten auf.
Klinik
Pyridoxin-Mangelzustände sind bei normalen Ernährungsgewohnheiten kaum zu befürchten. Sollte dennoch ein Pyridoxinmangel auftreten, kann sich dieser durch folgende Symptome äußern:
- Appetitlosigkeit
- Übelkeit und Brechreiz
- Diarrhö
- Dermatitis, vor allem im Nasen- und Augenbereich
- Entzündungen an der Mundschleimhaut
- hypochrome mikrozytäre Anämie
- Depression, nervöse Störungen sowie erhöhte Reizbarkeit
- Parästhesien
- Schlafstörungen
Bei Kindern kann ein PALP-Mangel zu einer Limer-Krankheit führen, die sich durch Hyperirritabilität, Krampfanfällen, Schreckhaftigkeit sowie vermehrte Xanthurensäure-Ausscheidung im Harn auszeichnet. Die Symptome sind die Folge einer verminderten Synthese von Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Meist tritt die Limer-Krankheit bei künstlich ernährten Säuglingen auf, die mit stark erhitzter Pulvermilch gestillt werden.
Eine Pyridoxin-Hypovitaminose in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft (Eklampsie, Gestationsdiabetes).[1][2]
Überdosierung von Pyridoxin führt zu Neuritis und erhöhter Photosensibilität. Diese toxischen Effekte treten allerdings erst bei Einnahme von 1.000-2.000 mg/Tag auf, so dass im Normalfall nicht von einer Toxizität des Pyridoxins gesprochen werden kann.
Zur Behandlung prämenstrueller Beschwerden bei Frauen wird Pyridoxin in Tagesdosen von 50-200 mg eingesetzt.
Quellen
- ↑ Brophy MH, Siiteri PK: Pyridoxal phosphate and hypertensive disorders of pregnancy Am J Obstet Gynecol. 1975 Apr 15;121(8):1075-9
- ↑ Leeda M, Riyazi N et al.: Effects of folic acid and vitamin B6 supplementation on women with hyperhomocysteinemia and a history of preeclampsia or fetal growth restriction. Am J Obstet Gynecol. 1998 Jul;179(1):135-9
Literatur
- Tiberiu Nistor: Basics in descriptive Biochemistry Second Edition. ISBN 978-606-17-0690-7
- DDC dopa decarboxylase NCBI, abgerufen am 26.3.2021
- Florian Horn: Biochemie des Menschen. 7. Auflage ISBN 978-3-13-242743-3
- Timothy A. Bird, Charles I. Levene: Lysyl oxidase: Evidence that pyridoxal phosphate is a cofactor. Biochemical and Biophysical Research Communications,Volume 108, Issue 3, 1982, Pages 1172-1180, ISSN 0006-291X
- UniProt, abgerufen am 26.3.2021
- Laborlexikon.de; abgerufen am 21.04.2021
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