Krampfanfall
Englisch: seizure
Definition
Als Krampfanfall werden im Allgemeinen unwillkürlich ausgelöste Ereignisse bezeichnet, die mit krampfartigen oder zuckenden Bewegungen einhergehen. Krampfanfälle können ein Hinweis auf eine vorliegende Epilepsie sein, aber auch andere Ursachen haben.
Ätiologie
Die infrage kommenden Ursachen eines Krampfanfalls sind vielfältig. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem epileptischen Anfall und einem nichtepileptischen Anfall, wobei die Einteilung z.T. willkürlich ist und Überschneidungen aufweist.
Epileptischer Anfall
Ein epileptischer Anfall ist Ausdruck einer Epilepsie. Diese tritt i.d.R. ohne erkennbare Ursache auf (idiopathisch). In einigen Fällen existiert jedoch eine Erkrankung oder eine Situation, die eine erhöhte Epileptogenität erklärt. Hierbei spricht man von einem provozierten Anfall bzw. von einer symptomatischen Epilepsie, z.B. bei:
- akuten Hirnerkrankungen: Hirntumor, Trauma, intrazerebrale Blutung, Hirnvenenthrombose, Enzephalitis, Hirnabszess
- strukturellen Veränderungen: Narbe, Hippokampussklerose, perinatale Schädigung, arteriovenöse Malformation
- metabolisch-toxischen Ursachen: Urämie, Hypoglykämie, Ketoazidose, Hyponatriämie, Alkoholabusus, Alkoholentzug
- Schlafentzug
Nichtepileptische Anfälle
Krampfanfälle ohne zugrundeliegende erhöhte Epileptogenität werden als nichtepileptische Anfälle bezeichnet. Dabei unterscheidet man:
- akut-symptomatische Anfälle (ASA): Anfälle, die während einer akuten allgemeinen Krankheitssituation (z.B. Hypoglykämie) oder in engem zeitlichen Zusammenhang (max. 1 Woche) mit einer akuten Hirnschädigung (s.o.) auftreten. Als Sonderform der ASA gelten Fieberkrämpfe. Dabei ist zu beachten, dass ein ASA in 20-30 % d.F. den Beginn einer Epilepsie und somit einen provozierten Anfall darstellt. Der Begriff "Gelegenheitsanfall" sollte nicht mehr verwendet werden.
- psychogener Krampfanfall
- konvulsive Synkopen: vasovagale Synkope, Adams-Stokes-Anfall, Karotissinussyndrom
- Affektkrampf
- transiente globale Amnesie
- Narkolepsie: Schlafattacken mit Schlafzwang, Kataplexie, Schlaflähmung und abnormem Schlafrhythmus
- REM-Schlaf-Verhaltensstörung
- Non-REM-Schlaf-Verhaltensstörung
- Pavor nocturnus
- paroxysmale Bewegungsstörungen: z.B. paroxysmale kinesiogene Dyskinesie (PKD)
Reflexanfälle
Eine Sonderstellung unter den Krampfanfällen nehmen die Anfälle bei den sogenannten Reflexepilepsien ein. Dazu zählt z.B. die photosensitive Epilepsie. Bei diesen Formen der Epilepsie ereignen sich Krampfanfälle bei gegebener Anfälligkeit nur bei Kontakt mit speziellen auslösenden Faktoren, darunter:
- flackerndes Licht oder andere visuelle Eindrücke (z.B. Muster, Farben)
- intensives Nachdenken, Grübeln
- Lesen
- sensible Affektionen (z.B. bestimmte Hautberührungen)
- Essen
- heißes Wasser bzw. Getränke
- akustische Eindrücke (z.B. bestimmte Musik oder Rhythmen)
- schreckhafte Momente
Differentialdiagnostik
Bei einem Krampfanfall muss differentialdiagnostisch abgewogen werden, ob es sich um einen epileptischen Anfall oder z.B. um einen akut-symptomatischen Anfall handelt. Neben einer ausführlichen Anamnese sind je nach Situation bildgebende Verfahren (CT, MRT), EEG und EKG sowie ggf. weiterführende Untersuchungen notwendig.[1]
Anfallsform | Charakteristika |
---|---|
epileptischer Anfall |
|
psychogener Anfall | |
konvulsive Synkope |
|
REM-Schlaf-Verhaltensstörung |
|
Non-REM-Schlaf-Verhaltensstörung |
|
Transiente globale Amnesie |
|
paroxysmale Bewegungsstörung |
|
Therapie
Grundsätzlich sollte falls möglich ein Krampfanfall kausal behandelt werden. Während des Krampfanfalls ist darauf zu achten, dass der Betroffene davor geschützt wird, sich zu verletzen. Umstehende Möbel sollten daher aus dem Weg geschafft werden, der Körper und vor allem der Kopf des Krampfenden sollten abgepolstert werden.
Durch Überwachung der Vitalparameter (v.a. mittels Pulsoxymetrie) und ggf. weitergehende Maßnahmen (z.B. Atemwegssicherung) muss der Patient stabilisiert werden. In einigen Fällen kann eine Anfallsunterbrechung notwendig sein. Hierzu dienen in erster Linie Benzodiazepine (z.B. Lorazepam i.v.). Hält der Krampfanfall mehr als 10 Minuten an, sind Phenytoin, Levetiracetam, Valproat oder Phenobarbital indiziert. Bei einem anhaltenden Status epilepticus über 30 Minuten ist eine intensivmedizinische Therapie mit Gabe von Narkotika (z.B. Thiopental, Propofol) notwendig.
Liegt eine chronische Anfallsdisposition vor, kann eine antikonvulsive Prophylaxe die Anfallsfrequenz senken.
Quellen
- ↑ S1-Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter, abgerufen am 09.01.2020