Thiopental
Handelsnamen: Trapanal®, Pentothal®
Synonyme: 5-Ethyl-5-(1-methylbutyl)-2-Thiobarbitursäure
Englisch: thiopental, sodium thiopental
Definition
Thiopental ist ein kurz wirksames Hypnotikum aus der Wirkstoffklasse der Barbiturate, das vor allem in der Narkoseeinleitung genutzt wird.
Chemie
Thiopental ist strukturell eng verwandt mit Pentobarbital. Es unterscheidet sich nur durch die funktionelle Gruppe am C2-Atom. Anstelle einer Carbonylgruppe trägt das Thiopental dort eine Thiocarbonylgruppe. Die Summenformel lautet C11H18N2O2S.
Wirkmechanismus
Wie alle Barbiturate wirkt Thiopental über die Bindung und Aktivierung der inhibitorisch wirkenden GABAA-Rezeptoren im zentralen Nervensystem (ZNS).
Dies geschieht durch die Bindung des Thiopentals an eine Untereinheit der ligandenaktivierten GABAA-Rezeptoren. Es verlängert die Öffnungsdauer der Chlorid-Kanäle und wirkt in höheren Dosen auch direkt agonistisch.
Pharmakokinetik
Thiopental ist ein schnellwirkendes Hypnotikum mit einem sehr raschen Wirkeintritt (10 bis 40 Sek.) und einer kurzen Wirkdauer von 5 bis 15 Minuten. Die kurze Wirkdauer ist weniger durch rasche Metabolisierung, als vielmehr durch die schnelle Umverteilung des Stoffes aus der Blutbahn in die Fett- und Muskelkompartimente des Menschens bedingt. Der eigentliche Abbau findet in der Leber statt. Daher eignet sich Thiopental nicht für eine Dauerinfusion oder repetitive Gabe, da es dabei zu einer zunehmenden Sättigung der Kompartimente kommt. In der Folge dominiert die langsame hepatische Elimination, was zu einer ausgeprägten Akkumulation, stark verlängerten Aufwachzeiten sowie einem erhöhten Risiko für prolongierte Atemdepression und kardiovaskuläre Nebenwirkungen führt.
Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 5 bis 10 Stunden, die Verteilungshalbwertszeit etwa 8,5 Minuten.
Indikationen
Thiopental wird aufgrund seiner schnellen hypnotischen Wirkung vor allem in der Narkoseeinleitung bei unkomplizierten Patienten eingesetzt. In der klinischen Routine wurde es jedoch mittlerweile weitgehend durch Propofol verdrängt, das heute als Standardhypnotikum gilt.
In der Intensivmedizin wird es zur Senkung des Hirndrucks und zur Therapie des Status epilepticus eingesetzt (Induktion eines Burst Suppression-Musters im EEG).
Nebenwirkungen
Die höchste klinische Relevanz besitzt der atemdepressive Effekt des Thiopentals durch die verminderte Sensibilität der CO2-Rezeptoren. Hierdurch verbleiben als Atemantrieb nur noch die wesentlich weniger sensiblen O2-Rezeptoren.
Weitere Nebenwirkungen sind:
- Negative Inotropie
- Kardiovaskuläre Depression mit Blutdruckabfall und Verminderung des Herzzeitvolumens
- Husten
- Laryngospasmus
- Bronchospasmus
- Histaminfreisetzung
- Reflextachykardie
- Enzyminduktion
- Nekrosen bei paravenöser Injektion
- Arterienthrombosierung bei akzidenteller arterieller Injektion
Abhängigkeitspotential
Thiopental kann, wie andere Barbiturate auch, schon nach kurzem regelmäßigem Gebrauch zu einer starken körperlichen und psychischen Abhängigkeit führen.
Kontraindikationen
Eine Kontraindikation zur Gabe von Thiopental liegt bei folgenden Erkrankungen vor:
- Schwere Herzinsuffizienz (relative Kontraindikation)
- Mitralstenose (relative Kontraindikation)
- Stoffwechselerkrankungen wie Porphyrie
- schwere obstruktive Lungenerkrankungen (Asthma, COPD)
Thiopental stimuliert die Hämsynthese in der Leber. Durch die vermehrte Produktion von Häm-Vorstufen (Porphyrinen) und eine gestörte Verarbeitung dieser Vorstufen kann bei Patienten mit Porphyrie eine akute Krankheitskrise ausgelöst werden.
Intoxikation
Als Barbiturat besitzt Thiopental eine enge therapeutische Breite. Hierdurch ist der Grad zwischen wirksamer Dosis und toxischer Dosis sehr schmal. Es gibt kein Antidot im Falle einer absichtlichen (suizidalen) oder unbeabsichtigten Überdosierung.
Bei einer Überdosierung stehen supportive Maßnahmen im Vordergrund, v.a. Atemwegssicherung, Sauerstoffgabe und kontrollierte Beatmung sowie Kreislaufstabilisierung.
Trivia
Thiopental wurde in den USA bis 2011 bei der Hinrichtung durch die Giftspritze verwendet. Historisch fand Thiopental auch als Wahrheitsserum Einsatz.
In Deutschland wird Thiopental in Einzelfällen zudem — als Alternative zum nicht erhältlichen Natriumpentobarbital — im Rahmen eines assistierten Suizids angewendet.
Literatur
- Striebel: Die Anästhesie, 4. Auflage. Stuttgart, Thieme, 2019
- Thöns et al.: Umgang mit nachhaltigen Suizidwünschen bei schwerer Krankheit. Schmerzmed, 2021
- Methling et al.: Assistierter Suizid durch Infusion von Thiopental. Eine toxikologische Betrachtung von Fallberichten aus den Jahren 2021–2023. Rechtsmedizin, 2024