Pentobarbital
Synonyme: Pentobarbitalum, (±)-5-Ethyl-5-(pent-2-yl)-1,3-diazinan-2,4,6-trion
Handelsnamen: Esconarkon®, Euthasol®, Euthoxin®, Release®, Euthadorm® u.a.
Englisch: pentobarbital
Definition
Pentobarbital ist ein Arzneistoff aus der Klasse der Barbiturate, der heute (2019) fast nur noch in der Veterinärmedizin verwendet wird.
Chemie
Pentobarbital hat die Summenformel C11H17N2O3Na und ein Molekulargewicht von 248,26 g/mol. Bei Raumtemperatur liegt Pentobarbital als farbloses bis weißes, kristallines Pulver vor, das sowohl in Wasser als auch in Alkohol gut löslich ist.
Die chemische Struktur von Pentobarbital ist stark mit dem von Thiopental verwandt. Einziger Unterschied ist ein Sauerstoffatom anstelle eines Schwefelatoms.
Wirkungsort
Pentobarbital besitzt - ähnlich allen Vertretern der Barbiturate - eine depressive Wirkung auf das ZNS. Dabei wirkt der Arzneistoff hauptsächlich auf den sensorischen Anteil der Großhirnrinde, den Thalamus sowie den motorischen Zentren des Gehirns. Pentobarbital kann nach Verabreichung sämtliche Stimmungslagen (Aggression, Lethargie, Depression, usw.), paradoxe Erregungszustände oder auch ein tiefes Koma (bis hin zum Tod) verursachen.
Bei geringer Dosierung führt Pentobarbital zu einer Sedation. Eine analgetische Wirkung kann erst bei sehr hohen Dosierungen nachgewiesen werden, die gleichzeitig mit starken Nebenwirkungen einhergeht.
Wirkungsmechanismus
Zentrales Nervensystem
Der genaue Wirkmechanismus von Pentobarbital ist derzeit (2019) noch unbekannt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Barbiturate eine Freisetzung von Acetylcholin, Noradrenalin und Glutamat behindern.
Pentobarbital liegt in zwei Isomeren vor, sodass zwischen (+)-Isomer und (-)-Isomer unterschieden wird. Das (+)-Isomer führt anfangs zu einer transienten Periode von Hyperexzitation, die dann in eine ZNS-Depression übergeht. Das (-)-Isomer hingegen bewirkt eine relativ sanfte und progressiv fortschreitende Hypnose. In den kommerziell erhältlichen Pentobarbital-Lösungen ist ein Gemisch beider Isomere enthalten. Subanästhetische Dosierungen führen zu einer Stimulation und Exzitation des ZNS.
GABA-Rezeptoren
Pentobarbital ist GABA-mimetisch und interagiert mit den GABA-Rezeptoren. Dabei bewirkt es einen Anstieg der neuronalen Chloridleitfähigkeit, das wiederum zu einer Membranhyperpolarisation und einer Reduktion der neuronalen Erregbarkeit führt. Bei einer Steigerung der Barbituratkonzentration kommt es durch die Abwesenheit von GABA zu einer direkten Aktivierung der Chloridkanäle.
Es wird vermutet, dass die sedativ-hypnotische Wirkung von Pentobarbital durch den GABA-abhängigen Anstieg der Chloridleitfähigkeit ausgelöst wird, während der GABA-unabhängige Mechanismus für die anästhetische Wirkung zuständig ist.
Elektrolyte
Pentobarbital reduziert die Kalziumkonzentration im neuronalen Gewebe und beeinflusst die verschiedenen Natriumkanäle im ZNS.
Respirationstrakt
Pentobarbital bewirkt eine dosisabhängige Atemdepression. In seltenen Fällen kann es zu einer leichten Stimulation des Respirationstraktes kommen.
Bei einer sedativ-hypnotischen Dosierung kann die respiratorische Depression mit jener eines physiologischen Schlafes verglichen werden. Wird die Dosierung jedoch erhöht, so kommt es zu einer Depression des respiratorischen medullären Zentrums, was wiederum zu einer deutlichen Verminderung von Atemfrequenz, Atemtiefe und Atemvolumen führt. Pentobarbital weist eine geringe therapeutische Breite auf, sodass schon bei geringfügigen Dosiserhöhungen eine Apnoe induziert werden kann.
Pentobarbital muss in der Veterinärmedizin bei Katzen mit äußerster Vorsicht angewendet werden, da diese Tiere besonders sensitiv auf die atemdepressiven Nebenwirkungen von Barbituraten ansprechen.
Kardiovaskuläres System
Pentobarbital kann beim Hund eine Tachykardie auslösen, oder auch zu einer Bradykardie, Verminderung der Myokardkontraktilität, Reduzierung des Schlagvolumens, Erniedrigung des arteriellen Blutdrucks sowie einer Reduzierung des peripheren Gefäßwiderstandes führen.
Muskulatur
Aufgrund ihrer geringen muskelrelaxierenden Wirkung müssen Barbiturate vor chirurgischen Eingriffen immer mit muskelrelaxierenden Wirkstoffen kombiniert werden.
Pharmakokinetik
Pentobarbital kann oral, intravenös, intraperitoneal, inhalativ, intrathorakal, intramuskulär oder subkutan verabreicht werden. Aufgrund des verzögerten Wirkungseintrittes sollte aber eine i.v.-Applikation bevorzugt werden. Bei peroraler Gabe wird es rasch im Darm absorbiert.
Nach der Applikation verteilt sich Pentobarbital rasch im gesamten Körper. Die höchsten Konzentrationen können in der Leber und im ZNS gemessen werden. Aufgrund der Lipophilie kann Pentobarbital bereits nach 3 bis 4 Minuten nach der Applikation im ZNS gemessen werden. Da Pentobarbital auch plazentagängig ist, kann ein Konzentrationsanstieg innerhalb einer Minute nach der Applikation im maternalen und fetalen Blutkreislauf nachgewiesen werden. Pentobarbital wird auch in Spuren über die Milch ausgeschieden.
Pentobarbital wird zum Großteil in der Leber durch eine Hydroxylierung metabolisiert. Wiederkäuer (insbesondere kleine Wiederkäuer) metabolisieren Pentobarbital rascher als andere Tierarten. Durch die gleichzeitige Gabe von Phenobarbital oder Phenytoin kann die Metabolisierungsrate von Pentobarbital gesteigert werden.
Die Ausscheidung von Pentobarbital wird maßgeblich durch dessen Umverteilung in das Muskel- und Fettgewebe beeinflusst. Dabei werden ungefähr 50% als 3-Hydroxy-Metabolit mit dem Urin eliminiert. Von den verbleibenden 50% wird der Großteil über andere Metaboliten ausgeschieden, wobei nur etwa 3% unverändert als Pentobarbital eliminiert wird.
Indikationen
Veterinärmedizin
Pentobarbital ist ein lang wirksames Barbiturat, das sowohl zur Prämedikation, als auch zur Allgemeinnarkose sowie Euthanasie von Tieren verwendet werden kann.
Darüber hinaus wird es zur Behandlung von sekundär bedingten Epilepsien verwendet. Es kann auch bei der Anästhesie von Labortieren herangezogen werden. Gelegentlich findet Pentobarbital als Sedativum bei Hunden und Katzen Anwendung.
Humanmedizin
Früher wurde Pentobarbital beim Menschen als Schlafmittel eingesetzt. Heute (2019) wird es nur noch nach strenger Indikationsstellung und Ausschöpfen anderer Maßnahmen zur Behandlung und Prophylaxe von epileptischen Anfällen angewendet.
Der Erwerb von Pentobarbital zur Selbsttötung ist grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) vereinbar.[1] Auch Ärzte sind nicht berechtigt, Pentobarbital nach Deutschland einzuführen und Patienten zum Zweck der Selbsttötung zu überlassen. Zwar kann der Patient aufgrund einer ärztlichen Verschreibung ein Betäubungsmittel zur freien Verfügung erhalten. Die Abgabe eines verschriebenen Betäubungsmittels an die Patienten ist nach der abschließenden gesetzlichen Regelung des § 13 Abs. 2 BtMG jedoch zur Vermeidung eines Missbrauchs allein Apotheken vorbehalten.[2]
Dosierung
Pentobarbital sollte nicht strikt nach Dosierungsempfehlung - sondern nach eintretender Wirkung - appliziert werden. Gleichzeitig sollte die intravenöse Injektion stets langsam erfolgen.
Tier | Anwendung | Indikation | Dosis |
---|---|---|---|
Katze | intravenös | Sedation | 2-4 mg/kgKG |
Anästhesie | 25 mg/kgKG, bei Bedarf kann mit 10 mg/kgKG nachdosiert werden | ||
Status epilepticus | 3-15 mg/kgKG (Cave: Überdosierung vermeiden) | ||
Hund | intravenös | Sedation | 2-4 mg/kgKG |
Anästhesie | 30 mg/kgKG (bis Wirkungseintritt) | ||
Status epilepticus | 3-15 mg/kgKG (Cave: Überdosierung vermeiden) | ||
Pferd | intravenös | Anästhesie | 15-18 mg/kgKG (leichte Anästhesie) |
Euthanasie | 50-60 mg/kgKG (Bolus) | ||
Papageie | intraperitoneal | Euthanasie | 200 mg/kgKG |
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Zu den lokalen Nebenwirkungen zählen:
- Thrombophlebitis und Schmerzen an der Injektionsstelle (Pentobarbital ist stark gewebereizend)
- Spasmus der Arterienwand mit nachfolgender Gangrän
Zu den systemischen Nebenwirkungen zählen:
- kardiovaskuläre Depression
- Leukopenie
- Anämie
- Apnoe
Wechselwirkungen
- Acetylsalicylsäure
- Alprenolol
- Antihistaminikum
- orale Antikoagulantien
- Bromsulfopthalein
- Chloramphenicol
- Kortikosteroide
- Cyclophosphamid
- Dextrose
- Doxycyclin
- Doxapram
- Furosemid
- Lidocain
- Metoprolol
- Metronidazol
- Midazolam
- Neomycin
- Phenothiazine
- Phenytoin
- Chinidin
- Streptomycin
- Sulfonamide
- Theophyllin
- Valproinsäure
Kontraindikationen
- hypovolämischer Schock
- Anämie
- Respiratorische Insuffizienz
- Leberinsuffizienz
- Niereninsuffizienz
- Sectio caesarea
- junge Rinder unter 3 Monaten
Quelle
- ↑ Keine Erlaubnis für den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung. Pressemitteilung Nr. 81/2023 des Bundesverwaltungsgerichts. Abgerufen am 08.11.2023
- ↑ Keine Erlaubnis zur Einfuhr und Abgabe eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung. Beschluss vom 08.08.2023 des OVG Münster Aktenzeichen 9 B 194/23. Abgerufen am 08.11.2023