Levetiracetam
Handelsname: Keppra®
Englisch: Levetiracetam
Definition
Levetiracetam ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Antikonvulsiva und wird zur Therapie der Epilepsie eingesetzt.
Chemie
Levetiracetam ist ein Pyrrolidin-Derivat mit der Summenformel C8H14N2O2. Das Molekulargewicht der Substanz beträgt 170,21 g/mol.
Wirkmechanismus
Der genaue Wirkmechanismus von Levetiracetam ist bislang (2021) nicht vollständig aufgeklärt. Es bindet an das SV2A, ein Vesikelprotein, das womöglich die neuronale Reizweiterleitung und die Glutamatfreisetzung aus der Präsynapse herabsetzt. Weiterhin wird durch Levetiracetam der durch N-Typ-Kanäle vermittelte Calciumstrom partiell inhibiert und die Freisetzung von Calcium aus intraneuronalen Speichern vermindert.
Pharmakokinetik
Das Arzneimittel kann oral oder intravenös verabreicht werden. Nach oraler Gabe wird es dosisunabhängig vollständig resorbiert. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt fast 100 %. Die maximale Plasmakonzentration wird bei Erwachsenen ca. 1,3 Stunden nach Einnahme, die Steady-State-Konzentration bei zweimal täglicher Gabe nach 2 Tagen erreicht.
Aufgrund der vollständigen, linearen Resorption kann der Plasmaspiegel anhand der oralen Dosis vorhergesagt werden. Daher ist keine Überwachung der Plasmaspiegel notwendig. Bei reduzierter Nierenfunktion korreliert die Clearance mit der Kreatinin-Clearance, da Levetiracetam primär renal eliminiert wird. Bei Kindern und Jugendlichen bis zu 12 Jahren ist die Clearance um ca. 30 % höher als bei Erwachsenen.
Levetiracetam wird unabhängig von der Leber durch Hydrolyse verstoffwechselt. Im Blut liegt es zu weniger als 10 % an Plasmaproteine gebunden vor. Das Verteilungsvolumen beträgt ca. 0,5 - 0,7 l/kgKG. Die Plasmahalbwertszeit beträgt durchschnittlich sieben Stunden und verlängert sich bei verminderter Nierenfunktion auf 10 bis 11 Stunden.
Indikationen
- Monotherapie fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Patienten ab 16 Jahren mit neu diagnostizierter Epilepsie (1. Wahl)
- Zusatztherapie zur Behandlung fokaler Anfälle bei Patienten mit Epilepsie ab einem Alter von einem Monat
- Therapie myoklonischer Anfälle bei juveniler myoklonischer Epilepsie (Janz-Syndrom) sowie primär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle (schwere Grand-mal-Anfälle mit Bewusstlosigkeit) bei idiopathisch generalisierter Epilepsie im Rahmen eines Gesamtkonzeptes bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren
- Therapie des Status epilepticus
Darreichungsform
Dosierung
Levetiracetam wird bei Erwachsenen in der Regel in einer initialen Dosis von 2 x 250 mg/d verabreicht. Nach 2 Wochen wird die Dosis auf 2 x 500 mg gesteigert und bei Bedarf alle 2 Wochen um 2x 250 mg bis zur Maximaldosis von 2 x 1.500 mg gesteigert.
Beim Status epilepticus wird es i.d.R. in einer Dosis von 30-60 mg/kgKG i.v. (maximal 500 mg/min) appliziert.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Sehr häufige und häufige Nebenwirkungen von Levetiracetam sind:
- Nasopharyngitis
- Husten
- Abdominalschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Dyspepsie
- Müdigkeit, Somnolenz
- Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Angst, Insomnie
- Schwindel, Tremor
- Anorexie
Gelegentlich und selten treten folgende unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf:
- Thrombozytopenie, Leukopenie, Neutropenie, Agranulozytose, Panzytopenie
- Gewichtsverlust, Gewichtszunahme
- Suizidversuch und suizidale Gedanken, psychotische Störungen, anormales Verhalten, Halluzination, Wut, Verwirrtheit, Panikattacke, Affektlabilität, Agitiertheit
- Amnesie, Ataxie, Parästhesie, Aufmerksamkeitsstörungen
- Diplopie, verschwommenes Sehen
- erhöhte Aminotransferasen
- Alopezie, Ekzem, Juckreiz
- Muskelschwäche, Myalgie
- Überempfindlichkeit (incl. Angioödem und Anaphylaxie)
- Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie, DRESS-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse, Stevens-Johnson-Syndrom, Erythema multiforme[1]
- Hyponatriämie
- Choreoathetose, Dyskinesie, Hyperkinesie
- Pankreatitis
- Leberversagen, Hepatitis
- akute Nierenschädigung
- Rhabdomyolyse, erhöhte Kreatinkinase im Blut (besonders bei japanischen Patienten)[2]
Wechselwirkungen
Es sind keine Wechselwirkungen zwischen Levetiracetam und anderen Antiepileptika bekannt. Bei gleichzeitiger Anwendung von Methotrexat (MTX) verringert sich die MTX-Clearance. Die Wirksamkeit von oral appliziertem Levetiracetam kann durch die gleichzeitige Einnahme von Macrogol verringert werden.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff
Levetiracetam kann geringe bis mäßige Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen haben, sodass entsprechend Vorsicht geboten ist.
Schwangerschaft
Bisher erhobene Daten ergeben keine Hinweise auf ein teratogenes Risiko, sodass Levetiracetam unter strenger Indikationsstellung in der Schwangerschaft angewendet werden kann. Während der Schwangerschaft wird Levetiracetam erheblich schneller eliminiert, so dass die Serumkonzentration stark absinken kann, wenn die Dosierung nicht angepasst wird. Postpartal muss die Levetiracetam-Dosis wieder reduziert werden.[3]
Levetiracetam ist plazentagängig. Nach der Geburt kann es beim Neugeborenen zu neurologischen, gastrointestinalen und respiratorischen Anpassungsstörungen kommen. Aktuelle Ergebnisse einer prospektiven Langzeitstudie haben bestätigt, das die neurokognitive Entwicklung (z.B. Sprachentwicklung) der Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft mit Levetiracetam behandelt wurden, nicht beeinträchtigt wird.[4]
Stillzeit
Die Anwendung während der Stillzeit ist unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung ebenfalls möglich.[5] Levetiracetam tritt in die Muttermilch über (Milch/Plasma-Quotient: 0,76 – 1,55). Bei einer oralen Bioverfügbarkeit von 100 % kann sich bei gestillten Kindern eine Levetiracetam-Plasmakonzentration von durchschnittlich 13 % des mütterlichen Plasmaspiegels aufbauen, sodass nicht mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden muss.[3]
Quellen
- ↑ Yao J et al. Levetiracetam and severe cutaneous adverse reactions: insights from FAERS database analysis. Expert Opinion on Drug Safety 2024
- ↑ Yinan G et al. Real-world analysis of levetiracetam-associated rhabdomyolysis: insights from the FDA adverse event reporting system. Expert Opinion on Drug Safety 2024
- ↑ 3,0 3,1 Levetiracetam. embryotox.de, abgerufen am 12.12.2024
- ↑ Meador KJ et al. Neuropsychological Outcomes in 6-Year-Old Children of Women With Epilepsy: A Prospective Nonrandomized Clinical Trial. JAMA Neurol. 2024
- ↑ Cochrane Behandlung von Epilepsie bei schwangeren Frauen und körperliche Gesundheit des Kindes, abgerufen am 10.07.2020